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Adaptive Clothing: Mehr als nur Kleidung

Um die Grundlage für eine gerechte und inklusive Gesellschaft zu schaffen, ist es notwendig, Diversität sichtbar zu machen. Adaptive Clothing, also Mode, die speziell für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen entwickelt wurde, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Diese Kleidung ist nicht nur funktional, sondern ermöglicht es Menschen mit Behinderungen, ihren eigenen Stil auszudrücken. Für große Modeunternehmen wird adaptive Mode immer mehr zum Thema …
Moodbild Adaptive Fashion von Zalando
© Zalando 2024

Inklusive Mode erleichtert den Alltag von Menschen mit Behinderungen. Sie weist Merkmale auf, die es einfacher machen, sich an- und auszuziehen. „Anpassungsfähige Kleidung ist so konzipiert, dass sie den Komfort- und Zugangsbedürfnissen eines breiten Spektrums von Behinderungen, chronischen Erkrankungen, altersbedingten Bedürfnissen und postoperativen Personen gerecht wird“, weiß Victoria Jenkins vom Modelabel Unhidden. Smarte Reiß- oder Klettverschluss-Systeme, gewiefte Details und praktische Lösungen, die Mainstream-Mode oft vernachlässigt, sorgen hier für besseren Tragekomfort. Laut WHO würde jede fünfte Person adaptive Mode benötigen, der Markt sieht aber anders aus.

Die stärkste Ausdrucksform

Das große Problem in der Modeindustrie: Die meisten Unternehmen ignorieren mit ihren Massenproduktionen und Standardgrößen die individuellen Bedürfnisse wie die Berücksichtigung von Prothesen, Rollstühlen und sensorischen Sensibilitäten. Adaptive Clothing fördert die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen und stellt Inklusion als eine Notwendigkeit dar. „Auch Menschen mit Behinderungen möchten sich ihren Vorstellungen entsprechend kleiden. Das ist aktuell leider nicht der Fall. Momentan sind wir noch viel zu oft gezwungen, auf Kleidung auszuweichen, die mit unseren Behinderungen vereinbar ist, unabhängig davon, ob sie uns gefallen oder nicht. Wir sind Teil der Gesellschaft und Mode war schon immer die stärkste Ausdrucksform des eigenen Stils“, erklärt Rebekka Pimperl, Unternehmensberaterin für Barrierefreiheit.

Laut der Expertin geht es nicht darum, etwas Bestehendes zu nehmen und es dann an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen anzupassen, sondern Kleidungsstücke zu kreieren, die jede*r nutzen kann. Dem entgegenwirken kann man unter anderem, indem Menschen mit Behinderungen mehr Sichtbarkeit erlangen. Das kann z. B. durch Werbekampagnen, die Einbindung von Models mit Behinderungen in Fashion Shows, Shootings und auf Social Media erreicht werden. Wichtig bei dieser Entwicklung ist, dass auch die Unternehmen dazulernen und für all die Veränderungen offen sind.

Ein Punkt, der dabei oft vergessen wird: das Shopping-Erlebnis selbst und die dazugehörige Barrierefreiheit. Die räumliche und strukturelle Ebene ist essenziell, da das Einkaufen in physischen Stores oft mit noch mehr Barrieren einhergeht wie mit mangelnder Zugänglichkeit, fehlender Ausstattung oder unzureichendem Platz in Umkleiden.

Vielfältige Realität

Um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist es wichtig, dass die Modeindustrie offen für Innovationen bleibt. Noch sind es wenige Brands, die integrative Mode designen, aber das Bewusstsein in der Branche steigt. Diese Kreativen öffnen bestehende Konzepte, um Fashion für alle zugänglich zu machen – von Alltagskleidung bis hin zu extravaganten Kreationen. „Es geht nicht darum, dass jede Marke adaptive Produkte auf den Markt bringen muss, aber jedes Unternehmen sollte sich engagieren, diverse Mitarbeiter*innen einstellen und mit Betroffenen zusammenarbeiten, um das wirklich vielfältige Spektrum der Gesellschaft besser zu repräsentieren. Das ist es, was immer noch fehlt. Die Schönheitsideale, die von dieser Industrie oft verbreitet werden, haben nichts mit der Realität zu tun, denn die ist vielfältiger“, so die britische Modedesignerin Victoria Jenkins. Auch für Jenkins ist entscheidend, dass die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen in der Modebranche verbessert wird, um eine echte Veränderung herbeizuführen.

„Ich würde mir wünschen, dass Menschen mit Behinderungen endlich jene Sichtbarkeit bekommen, die sie verdienen – vor allem in der Modeindustrie. Denn auch im 21. Jahrhundert gibt es kaum repräsentative Models im Rollstuhl usw. und genau dort müsste angesetzt werden, wenn man behauptet, dass Inklusion und Diversität im eigenen Unternehmen großgeschrieben werden“, sagt die österreichische Expertin Rebekka Pimperl.

Rebekka Pimperl, Expertin für Inklusion und Barrierefreiheit
Rebekka Pimperl, Expertin für Inklusion und Barrierefreiheit © www.instagram.com/rebekkas_inklusions_blog/

Wir sind Teil der Gesellschaft und Mode war schon immer die stärkste Ausdrucksform des eigenen Stils.

Zugänglichkeit für den Mainstream

Spannend ist, dass vor allem High Street Labels federführend hinsichtlich Adaptive Fashion sind und diese sowohl besser zugänglich als auch preisgünstig anbieten. Das zeigt, dass das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in der Modebranche zunehmend wächst. Ein klarer Vorreiter in diesem Bereich ist der Onlinehändler Zalando, der bereits seit 2022 adaptive Modekollektionen präsentiert. „Wir sind darum bemüht, dass sich unsere Kund*innen inkludiert fühlen. Um das zu erreichen, zelebrieren und respektieren wir Diversität durch unsere Bilder, Sprache und Narrative. Daher ist es einer der Kernpunkte unserer Strategie, repräsentative Inhalte zu zeigen, die Menschen willkommen heißen, die in der Geschichte der Modebranche bisher zu wenig Beachtung gefunden haben“, verrät Hacinta Naidoo, Head of Diversity & Inclusion bei Zalando. „Um behinderte Menschen zu unterstützen, muss über mehrere Berührungspunkte hinweg gedacht werden“. Dazu gehört für den Onlineshop auch, dass er diverse Talente authentisch in seine Marketingkampagnen einbindet und einen speziellen Adaptive Fashion Hub im Zalando Fashion Store bereitstellt, der den Kund*innen hilft, die adaptiven Features zu entdecken. „Wir möchten weitere Brands dazu ermutigen, in den Bereich der adaptiven Mode zu investieren, denn wir wissen, dass sich beeinträchtigte Menschen eine größere Auswahl an verschiedenen Marken wünschen, genau wie jeder andere Mensch“, so Hacinta Naidoo.

Auch die Modekette Primark bietet ein großes Adaptive Wear Sortiment. „Wir sind stolz darauf, Spezialprodukte, die normalerweise teurer und nur online erhältlich sind, zu erschwinglichen Preisen im stationären Einzelhandel anbieten zu können“, sagt Charlie Magadah-Williams, Leiterin für Diversität und Inklusion bei Primark.

Klare Botschaft

Was jetzt schon klar ist: Adaptive Mode ist ein Zeichen der Wertschätzung für die Individualität jeder Person und anerkennt, dass Schönheit und Stil vielfältig sind. Diese Mode fördert die Akzeptanz und das Verständnis für Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft, indem sie die verschiedenen Facetten menschlicher Erfahrungen sichtbar macht. Adaptive Mode ist also ein entscheidender Punkt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Zukunft. Sie stellt sicher, dass alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen, die gleichen Chancen auf Teilhabe, Selbstentfaltung und persönlichen Ausdruck haben. Mit dem zunehmenden Bewusstsein für diese Themen in der Modebranche gibt es einen Lichtblick: die Hoffnung auf eine Zukunft, in der Inklusion und Vielfalt nicht nur angestrebt, sondern aktiv gelebt werden. Durch diesen Wandel wird die Gesellschaft nicht nur gerechter, sondern öffnet Perspektiven, die den Horizont von allen Menschen erweitern.

Moodbild Adaptive Fashion von Primark
© Primark

Die Britin Victoria Jenkins verfügt über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung in der Modebranche. Sie gründete 2016 ihre preisgekrönte adaptive Modemarke Unhidden als Teil ihrer Mission, universelles Design durch die Brille ihrer eigenen Reise mit Behinderung zu normalisieren. Unhidden brachte die erste Kollektion im Jahr 2020 auf den Markt und war auch die erste adaptive Marke, die Mitglied des British Fashion Council wurde und in dem Bereich auf der London Fashion Week präsentieren durfte.

Unhidden

Rebekka Pimperl ist Influencerin und Expertin für Barrierefreiheit in Österreich. Aufgrund ihrer Glasknochenkrankheit sitzt sie im Rollstuhl. Sie engagiert sich aktiv für Inklusion und kämpft dafür, dass Menschen mit Behinderungen sichtbarer in der Gesellschaft werden. Ihr Motto: „Nicht in Watte packen lassen, sondern Veränderungen selbst vorantreiben!“

Rebekkas_Inklusions_Blog

Portraitfoto Mio Paternoss
Mio Paternoss
Mio Paternoss arbeitet seit 2011 als Journalist und Stylist in Wien. Mode und Diversität liegen ihm besonders am Herzen.

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