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Stil /

Tor zu einer besseren Welt

Christoph Baumgartner ist Österreichs Fußballer des Jahres 2024. Doch so trickreich, kampfstark und torgefährlich der Legionär von RB Leipzig auf dem grünen Rasen auch sein mag – privat engagiert sich der 25-jährige Niederösterreicher in aller Stille mit einem eigenen Schulprojekt in Uganda. „Denn es geht nicht um mich. Es geht darum, anderen Menschen zu helfen.“
Kinder der „Baumi Junior School“ von Fussballer Christoph Baumgartner in Uganda
© Christoph Baumgartner Training School

Gut, wir könnten erzählen, dass Christoph Baumgartner 2023 innerhalb der Deutschen Bundesliga um 25,5 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim zu RB Leipzig gewechselt und damit bis heute Österreichs Rekordtransfer ist. Oder dass er 2024 gegen die Slowakei weltweit das schnellste Tor der Länderspielgeschichte erzielt hat. Oder dass der hoch veranlagte Niederösterreicher seit seinem 15. Lebensjahr alle österreichischen Nachwuchsauswahlmannschaften durchlaufen hat und im Kalenderjahr 2024 mit sieben Treffern (und sieben Assists) der torgefährlichste Spieler im ÖFB-Team war. Doch all das bewundern wir jetzt nur am Rande. Denn diese Geschichte dreht sich um einen jungen Mann, der sich seines privilegierten Lebens nur allzu bewusst ist. Und deshalb handelt, ohne darüber zu reden – normalerweise …

Chancen für junge Mütter

Vor zwei Jahren gründete „Baumi“, wie ihn Fans und Freund*innen nennen, in Kakule im Osten Ugandas eine Schule für junge Frauen; den Anfang machten Friseurinnen- und Schneiderinnenkurse für 77 Teilnehmerinnen. Die Region, in der rund 35.000 Menschen leben, ist einerseits stark vom Klimawandel betroffen, der an sich fruchtbare Boden leidet massiv unter der anhaltenden Trockenheit. Dazu kommt, dass die Getreidepreise infolge des Konflikts in der Ukraine immens gestiegen sind: „Gerade junge Frauen“, sagt Christoph Baumgartner, „haben oft riesige Schwierigkeiten, sich und ihre Kinder zu ernähren.“

Die ostafrikanische Republik Uganda hat 1962 ihre Unabhängigkeit vom United Kingdom erklärt. In den 1970er-Jahren erlebte der Binnenstaat unter Diktator Idi Amin eine blutige Gewaltherrschaft, der mindestens 300.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Zu den größten Problemen der Gegenwart in dem Land mit seinen 48 Millionen Einwohner*innen, sagt Christoph Baumgartner, „gehört die Tatsache, dass es kaum Verhütungsmittel gibt und Frauen dadurch oft sehr früh schwanger werden, sich aber nicht auf finanzielle Unterstützung durch die Väter verlassen können. Die Folge ist, dass sie – sofern sie überhaupt zur Schule gehen konnten – die Ausbildung abbrechen müssen, um sich um die Kinder zu kümmern.“

Und daraus folgte bald der logische nächste Schritt der „Baumi Junior School“: „Unser Ziel ist es, Frauen eine Chance zu geben und ihnen die Möglichkeit zu einer Ausbildung zu bieten. Wir haben aber rasch erkannt, dass sie Unterstützung bei ihren Kindern brauchen. Also haben wir uns entschieden, qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer einzustellen und die Kinder selbst zu unterrichten.“ Und der Bedarf ist riesig, sagt Christoph Baumgartner: „Mittlerweile betreuen wir bereits 250 Kinder zwischen drei und acht Jahren. Sie stammen alle aus extrem armen Familien und bekommen bei uns nicht nur eine Chance auf Schulbildung, sondern oftmals auch die einzige richtige Mahlzeit des Tages.“

Ein unfassbar privilegiertes Leben

Doch warum engagiert sich Christoph Baumgartner ausgerechnet in Uganda, einem der ärmsten Länder der Welt? „Ich habe mich schon längere Zeit mit meiner Frau darüber unterhalten, dass ich mich irgendwo einbringen und helfen möchte. Als Fußballprofi führe ich ein unfassbar privilegiertes Leben und verdiene viel Geld. Aber wenn man ein bisschen über den Tellerrand hinausschaut, erkennt man, dass es nicht überall auf der Welt so schön ist und auch, dass es nicht allen Menschen so gut geht wie bei uns.“

Ein Freund habe ihn auf die Situation in Uganda aufmerksam gemacht: „Er war dort und hat mit einigen Leuten vor Ort gesprochen. Er hat mir im Detail erklärt, was benötigt wird und wie man so ein Hilfsprojekt praktisch umsetzen könnte. Ich war von Anfang an Feuer und Flamme und musste nicht lange nachdenken. ‚Okay‘, habe ich gesagt, ‚legen wir los!‘.“

Natürlich, in erster Linie besteht sein Engagement aus finanzkräftiger Unterstützung, sagt Christoph Baumgartner: „So ehrlich muss man sein. Aber ich habe von Anfang an gesagt: Ich schicke nicht einfach nur Geld hinunter. Ich bekomme regelmäßige Reports, ich möchte sehen, was mit dem Geld geschieht. Und ich bin in alle grundlegenden Entscheidungen eingebunden. Wir besprechen immer wieder, welche Schritte als nächstes gesetzt werden sollen. Und wenn diese Ideen umgesetzt werden und wir die positiven Effekte auf die Menschen sehen, macht das echt viel Freude.“

Fußballprofi Christoph Baumgartner
© ÖFB/Kelemen

Der Star im Hintergrund

Christoph Baumgartner spricht selten über sein Engagement, selbst auf seinem Instagram-Account teilt er nur sehr sporadisch Neuigkeiten aus Uganda: „Tatsächlich wollte ich das Projekt anfangs komplett für mich behalten. Und zwar aus einem einfachen Grund: Es geht Nullkommanull darum, mich irgendwie als super Typen hinzustellen. Es geht ausschließlich darum, anderen Menschen zu helfen.“

Dass er mittlerweile – selten, aber doch – ausgewählte Interviews wie jenes hier mit funk tank gibt, liegt an einem vorsichtigen Umdenken: „Ich weiß, dass ich als Fußballprofi eine gewisse Reichweite und vielleicht sogar eine gewisse Strahlkraft habe. Und die möchte ich nutzen, um Menschen in Österreich und Deutschland darauf aufmerksam zu machen, was anderswo geschieht und wie viel Glück wir eigentlich haben.“

Dabei verliert der 48-fache Teamspieler (Stand November 2024) aber die gesellschaftliche Realität in seiner Heimat keineswegs aus den Augen: „Mir ist bewusst, dass wir in Österreich und Deutschland momentan auch keine leichte Phase durchmachen. Aber ich glaube trotzdem, dass es uns hier in Mitteleuropa vergleichsweise sehr gut geht.“

Nächstenliebe ist nicht nur ein Wort

Christoph Baumgartner wurde 1999 in der Waldviertler Bezirkshauptstadt Horn geboren, sein Vater Alfons war selbst als Fußballer in Österreichs dritthöchster Spielklasse beim SV Horn aktiv (Bruder Dominik, 28, kickt heute beim Bundesliga-Verein WAC). Aufgewachsen ist er in St. Leonhard am Hornerwald, einer Marktgemeinde mit etwas mehr als 1.100 Einwohner*innen. „Dort kennt jede*r jede*n“, sagt Christoph Baumgartner. „Mich kennen alle, seit ich ein kleiner Knirps war. Ich habe jeden Sonntag in der Kirche ministriert. Ich bin zu Fuß in die Volksschule spaziert und habe am Weg kurz beim Bäcker reingeschaut und mir ein Weckerl geholt. Ich glaube, mein Leben war ganz normal und sehr entspannt.“

Der offensive Mittelfeldspieler gilt als ehrgeizig und zielstrebig: Im Sportgymnasium St. Pölten hatte er die 7. Klasse übersprungen, nach der Matura wechselte er aus der St. Pöltener Fußballakademie nach Deutschland und machte auch im Nachwuchs der TSG Hoffenheim auf sich aufmerksam. Was ihn als Kind besonders geprägt hat, war der Zusammenhalt im Dorf. „Wenn zum Beispiel irgendwer ein Haus gebaut hat, haben immer alle mitgeholfen, die Nachbar*innen, Freund*innen, Verwandte – einfach alle sind nach ihrer Arbeit noch für zwei, drei Stunden auf die Baustelle gekommen. Ich habe also früh gesehen, wie wichtig die Gemeinschaft und die Familie ist. Und daran halte ich auch in der großen, turbulenten Fußballwelt fest.“

Christoph Baumgartner ist ein gläubiger Mensch; bevor er das Spielfeld betritt, bekreuzigt er sich, nach erzielten Toren schickt er einen Gruß in Richtung Himmel. „Ich will mich mit meinem Engagement keinesfalls als heiliger Samariter hinstellen. Ich glaube aber auch, dass Nächstenliebe nicht nur ein Wort ist, sondern ein motivierender Faktor in meinem Leben. Sich gegenseitig zu unterstützen, ist unglaublich viel wert.“

© Christoph Baumgartner Training School

Als Fußballprofi führe ich ein unfassbar privilegiertes Leben und verdiene viel Geld. Aber wenn man ein bisschen über den Tellerrand hinausschaut, erkennt man, dass es nicht überall auf der Welt so schön ist und auch, dass es nicht allen Menschen so gut geht wie bei uns.

Engagierte Zukunftsvision

Er selbst, sagt Christoph Baumgartner, hat es bisher leider noch nicht geschafft, die „Baumi Junior School“ in Uganda zu besuchen. Denn so privilegiert das Leben eines Fußballprofis sein mag: Zeit ist letztendlich Mangelware. „Dazu kommt, dass die Anreise nach Kakule recht beschwerlich ist. Der internationale Flughafen Entebbe ist mehrere Autostunden entfernt – allerdings nicht über die Autobahn, sondern über Stock und Stein. Aber es ist definitiv mein Ziel, mit meiner Frau und meiner Familie hinzureisen und die Fortschritte mit eigenen Augen zu sehen.“

Und derer gibt es immer wieder neue zu feiern. Etwa die zwölf Brunnen, die im Frühjahr 2024 repariert werden konnten und den Menschen ständigen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen. Die nächsten großen Schritte bestehen in einer Verbesserung der Infrastruktur der „Baumi Junior School“: „Aktuell haben wir uns in einem Gebäude eingemietet, das natürlich nichts von jenen Standards aufweist, die wir von Schulen in Österreich gewöhnt sind. Kurzfristig besteht das Ziel darin, die Sanitäranlagen auf Vordermann zu bringen.“

Das große, längerfristige Ziel ist tatsächlich ein eigenes Schulgebäude, sagt Christoph Baumgartner: „Wir stehen aktuell in Verhandlungen. Ein Grundstück würde man uns zur Verfügung stellen, schließlich sind auch die Verantwortlichen vor Ort sehr glücklich darüber, dass es jemanden gibt, der ihnen helfen möchte.“ Doch mit der Infrastruktur allein ist es nicht getan, sagt Christoph Baumgartner: „Wir bekommen immer mehr Anfragen von Müttern und Kindern. Also müssen wir die Kapazität an Lehrerinnen und Lehrern erhöhen. Es bringt ja nichts, wenn die Klassen komplett überfüllt sind und einzelne Kinder deshalb auf der Strecke bleiben.“

Die Fussballer Amadou Haidara und Christoph Baumgartner vom RB Leipzig beim Training
Amadou Haidara und Christoph Baumgartner vom RB Leipzig beim Training © RB Leipzig/Motivio

Charakterstarke Typen

Das Feedback, das Christoph Baumgartner bisher auf sein Engagement bekommen hat, sei durchwegs positiv. Nicht zuletzt von Mitspielern, die selbst unter unterschiedlichsten Umständen in verschiedenen Teilen Afrikas aufgewachsen sind – etwa von Amadou Haidara, einem aus Mali stammenden Teamkollegen bei RB Leipzig: „Er ist auf mich zugekommen und hat gesagt: ‚Baumi, was du machst, ist überragend. Es geht dich eigentlich nichts an und trotzdem unterstützt du die Menschen in Afrika!‘ Das sind Momente, in denen ich merke: Ja, es ist einfach richtig, was ich tue.“

Und tatsächlich glaubt Christoph Baumgartner, dass ihn seine Art zu helfen sogar zum besseren Fußballer macht: „Wir haben im österreichischen Nationalteam viele Jungs, die privat verschiedene Hilfsorganisationen unterstützen. Und das zeichnet uns auf dem Platz aus: dass jeder für den anderen da ist. Das macht uns menschlich reifer und lässt uns als Mannschaft wachsen.“

Christoph Baumgartner, geboren 1999 in Horn, ist Fußballprofi in Diensten des deutschen Topklubs RB Leipzig, sein Marktwert liegt (Stand Dezember 2024) bei 18 Millionen Euro. 2020 gab der offensive Mittelfeldspieler sein Debüt für das österreichische Nationalteam; im März 2024 stellte der Niederösterreicher einen Weltrekord auf: Im Testspiel gegen die Slowakei erzielte er 6,3 Sekunden nach Spielbeginn das 1:0, das schnellste Länderspieltor aller Zeiten.

Christoph Baumgartner – Instagram

Portrait Hannes Kropik
Hannes Kropik
vergöttert Katzen und arbeitet als freier Journalist und Autor. Geplanter Pensionsantritt: 2034.

2 Kommentare

    • Lieber Peter, schön, dass Ihnen unser Interview gefällt! Liebe Grüße, Ihre funk tank-Redaktion


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