Ein Grund dafür ist sicher: Für die älteren unter uns ist die polnische Hauptstadt leider noch mit vielen nicht so positiven Erinnerungen behaftet. Die Gräuel der Nazizeit und das Warschauer Ghetto. Der ebendort geschlossene Warschauer Pakt, Gegenpart der NATO im Kalten Krieg. Die jahrzehntelange Existenz als Vasallenstaat der Sowjetunion mit bitterer Armut. Ausrufung des Kriegsrechts zur Niederschlagung von Protesten. Und so weiter. Erst mit dem Ende des Ostblocks – durchaus direkte Folge des Widerstands der polnischen Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa – blühte das große Land wieder voll auf. Heute präsentiert sich Warschau als stolze, weltmännische Metropole, die viel zu bieten hat – kulturell und wirtschaftlich.
Bewegte Geschichte
Vor rund 800 Jahren erstmals urkundlich erwähnt, war die Stadt an der Weichsel ursprünglich nicht von großer Bedeutung, vor allem im Schatten der Handelszentren an der Ostsee, wie zum Beispiel Danzig. Erst mit der Etablierung einer wichtigen Handelsroute vom Schwarzen Meer zur Ostsee prosperierte die einst kleine Siedlung und stieg trotz vieler Wirren im heutigen polnischen Staatsgebiet unaufhörlich bis zum Herzogtum auf. Die endgültige Festigung Warschaus als unumstrittene Hauptstadt Polens folgte nach dem Wiener Kongress, das nunmehrige Königreich (wenn auch von Gnaden des russischen Zaren) war als europäischer Player etabliert. In diese Zeit fiel auch die Warschauer Residenz des Komponisten Frédéric Chopin, neben Papst Johannes Paul II. und Marie Curie – wohl unumstritten eine der berühmtesten Persönlichkeiten aus Polen. Chopin ist auch Namensgeber des internationalen Flughafens Warschau. Das 20. Jahrhundert kann man für Polen und Warschau wohl nur als unglücklich und finster bezeichnen.
Zwei Weltkriege und die lange Herrschaft des Kommunismus prägen die Stadt bis heute. So ist der Kulturpalast mit 237 Metern immer noch das zweithöchste Gebäude Polens, Wahrzeichen und Veranstaltungszentrum, aber auch immer noch Mahnmal, das an die Unterdrückung durch die Sowjets erinnert. Für alle, die gerne auf historische Spurensuche gehen: Auch Reste der Mauer, die zur Nazizeit im unsäglichen Warschauer Ghetto rund 500.000 Juden gefangen hielten, sind noch erhalten, allerdings nicht frei zugänglich. Die abgesperrten Gedenkplätze sind nur zu bestimmten Zeiten offen.
Vorbei ist vorbei
Das alles interessiert junge Menschen in Warschau heute nicht mehr. Sie erfreuen sich an Smartphones im gut ausgebauten Handynetz, Flagshipstores internationaler Top-Marken und guter Infrastruktur. Vor allem am Wochenende ist das Złote Tarasy („Goldene Terrassen“) genannte Multiplex, zentral zwischen Kulturpalast und Hauptbahnhof gelegen, quirliger Mittelpunkt für alle. Von Sephora über Media Markt bis hin zu Multiplex-Kino und Hard Rock Café findet man hier wirklich alles, auch als Tourist*in.
Heute präsentiert sich Warschau als stolze, weltmännische Metropole, die viel zu bieten hat – kulturell und wirtschaftlich.
Die gewagte Architektur ist dabei keineswegs ein Einzelfall: Zahlreiche verglaste Highrise-Gebäude verleihen der sonst bunt zwischen Günderzeitvillen und sozialistischen Bausünden oszillierenden Millionenstadt eine internationale Skyline. International ist auch der Verkehr: Als Fußgänger*in ist bei dem regen Treiben auf den Straßen Achtsamkeit geboten, und auch in Bus und Tram sollte man sich ob der sportlichen Fahrweise immer gut festhalten. Die vielen verbrauchten Kalorien beim Städtebummel sind aber nicht von Dauer, die herzhafte polnische Küche macht alles wieder wett. Eventuell nicht für Veganer*innen, denn zur traditionell fleischlastigen Landesküche gibt es auch 2023 hier relativ wenige Alternativen. Erdäpfel halt.
Folklore muss auch sein
Selbst wenn man altes Gebamsel eher nicht so mag, kommt man um einen Besuch in der pittoresken Altstadt nicht herum. Die nach den Kriegszerstörungen wieder authentisch aufgebaute Altstadt samt malerischem Schlossplatz und rechteckigem Marktplatz ist sehr pittoresk, um nicht sogar zu sagen „instagrammable“. Nicht umsonst handelt es sich hier um UNESCO-Weltkulturerbe, und trotz einiger Touri-Fallen kann man hier auch um wenig Zloty wirklich gut essen und trinken. Besonders erwähnenswert sind die auch von Einheimischen gerne frequentierten Parkanlagen, die mit Denkmälern und Wasserschlösschen viel Grün zum Flanieren und Abschalten bieten.
Fazit: Ein völlig unerwartetes Flair und ideal für ein langes Wochenende!
Flüge nach Warschau von Wien finden sechs Mal täglich statt und werden von Austrian oder LOT Polish Airlines betrieben. Vom Flughafen in die Stadt, aber auch in der Stadt selbst kommt man am besten mit „Uber“ voran. Polen ist zwar ein Schengenstaat, aber nicht Teil der Eurozone. Auf einen Wechsel von Bargeld in Zloty kann jedoch verzichtet werden, denn bargeld- und kontaktlose Zahlung ist fast überall möglich.