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Oscar Predictions 2025: Buntes Allerlei

Am Sonntag werden wieder einmal im Dolby Theatre in Los Angeles die Oscars vergeben. Und auch dieses Jahr rittern sehr unterschiedliche Filme in den Kategorien um den begehrtesten Filmpreis der Welt. Freilich nicht ohne das eine oder andere Skandälchen im Vorfeld – das macht es spannend!
Filmstill Wicked
Wicked © Universal Studios

Und auch heuer hat sich yours truly in der Zeit zwischen Bekanntgabe der Nominierten bis zur Niederschrift dieser Voraussagen all jene Filme unter die Lupe genommen, die ich nicht ohnehin schon vorab im Kino oder auf der Leinwand gesehen habe. Da kommt bei insgesamt 35 Streifen (Kurzfilme ausgenommen, da ich diese nach wie vor als nicht passend für eine Oscar-Gala erachte) schon ein ganz schönes Pensum zusammen. Danke an der Stelle auch an die Verleihe, die es ermöglichen, noch nicht angelaufene Filme vorab als Screener oder Pressevorführung zu erleben. Leider ist mir auch dieses Jahr eine Nominierung durchgerutscht, die Dokumentation Porcelain War über den Ukraine-Krieg war auf keinem einzigen Kanal verfügbar.

Ungeachtet dessen hat sich dieses Jahr im Vergleich zum alles dominierenden Thema „Barbenheimer“ letztes Jahr das Angebot an hervorragenden Filmen wieder etwas heterogener präsentiert. Ebenso hat sich nach den Vorjahren, als mit Knüllern à la Avatar: Way of the Water oder Oppenheimer das bildgewaltige Erlebnis am Big Screen ein Revival feierte, der Trend wieder hin zu besseren Drehbüchern und weniger Bombast gedreht. Im letzten Kinojahr war es, abgesehen von ein paar famosen Ausnahmen, nicht unbedingt zwingend nötig, sich ein Kinoticket zu kaufen, viele Filme ließen und lassen sich auch ohne format- und raumfüllende Visuals und Sound-Kulisse sehr gut daheim erleben.

Dass mit Wicked: Part 1 und Emilia Pérez heuer gleich zwei Film-Musicals mit beeindruckenden 10 bzw. 13 Nominierungen ins Rennen geschickt wurden, ist acht Jahre nach La La Land ein überraschendes Revival – angesichts der latenten Sehnsucht in Hollywood nach der goldenen Zeit der großen Technicolor-Klassiker aber auch ein regelmäßig wiederkehrendes Phänomen. Speziell im Fall von Wicked: Part 1, wo mit der Vorgeschichte zum Über-Klassiker The Wizard of Oz mit der unvergesslichen Judy Garland ein für den Durchschnittsamerikaner jeder Altersklasse kulturelles Allgemeingut wiederbelebt wird. Gänzlich diametral jedoch stellt sich die Situation rund um Emilia Pérez dar: in einem Anfall von Wokeism, sicher nicht zufällig aufgrund der Wiederwahl Trumps, versuchte man mit einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Flut an Nominierungen die Transgender-Akzeptanz bzw. -Toleranz mit Gewalt in die Schädel der Öffentlichkeit zu zimmern. Mit der Aufdeckung der alten, ganz und gar nicht so toleranten Tweets der mexikanischen Hauptdarstellerin und Transfrau Karla Sofía Gascón jedoch ging der Schuss gewaltig nach hinten los. Könnte gut sein, dass das Musical sich mit einem zu erwartenden Rekordverhältnis aus Nominierungen und Nicht-Gewinnen in die illustre Gesellschaft von Filmen wie etwa Die Farbe Lila (11:0), Gangs of New York (10:0) oder The Shawshank Redemption (7:0) einreiht. Dabei aber, objektiv gesehen, qualitativ sowieso eine Liga darunter zu spielen. Schade auch, dass aufgrund dieser Überschüttung mit Nominierungen ein paar andere ausgezeichnete Filme gänzlich durch den Rost gefallen sind, zum auch jedes Jahr prickelnden Thema Snubs komme ich aber am Ende des Artikels noch. Anyway. Kommen wir zu den Kategorien und Predictions!

Bester Film

Zehn Filme stehen traditionell zur Auswahl, wenn es um den Big Mac unter den Oscars geht, und dieses Jahr bereitet mir die Auswahl ein wenig Kopfkratzen. Klar, Geschmäcker sind verschieden, und eine breite Fächerung an Stilen und Inhalten ist absolut wünschenswert, aber eine gewisse Inkonsistenz mit den restlichen Kategorien und ein recht steiles Qualitätsgefälle sorgt hier bei mir für ein wenig Unverständnis. Emilia Pérez zum Beispiel. Mit Sicherheit ein besseres Film-Musical als der völlig verunglückte Joker: Folie à Deux, ja. Aber bester Film? Sicher nicht, vor allem wenn in dieser Kategorie Kaliber wie Conclave, The Brutalist oder Wicked: Part 1 mitspielen. Oder Dune: Part Two, wo parallel die Nicht-Nominierung von Dennis Villeneuve in der Best Director-Kategorie für Unverständnis sorgt. I’m Still Here, A Complete Unknown und Nickel Boys sind zwar auch solide Produktionen, in ein paar Jahren aber vermutlich kaum noch in Erinnerung. Ganz anders der wirklich außergewöhnliche The Substance – für den Grand Prix des Abends vermutlich aber dann doch zu schräg. Am Ende des Tages wird sich die Academy vermutlich auf Anora einigen, ein vor allem mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen punktender Film vom sehr talentierten Sean Baker. Verdient durchaus, wobei mir die sehr an Pretty Woman erinnernde Story dann doch ein wenig zu konventionell ist. Ich persönlich hätte hier The Brutalist vergoldet gesehen, aber wer weiß.

Beste Regie

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Via Jacques Audiard mischt hier Emilia Pérez eigentlich unverdient mit und beraubt so den zigfach fähigeren Dennis Villeneuve trotz insgesamt fünf Nominierungen für Dune: Part Two seiner Chancen. Wobei das restliche Feld durchaus stark ist. Brady Corbet liefert mit dem epischen The Brutalist hier eine ebenso beeindruckende Kostprobe seines Könnens ab wie Sean Baker mit Anora. Coralie Fargeat zeigt mit The Substance eindrucksvoll, dass bitterböse Satire und Bodyhorror sich durchaus auf internationalem Niveau vereinen lassen. Lediglich Routinier James Mangold bleibt mir in dieser Kategorie mit dem Bob-Dylan-Biodrama A Complete Unknown ein wenig zu farblos. Eine dieses Jahr also etwas ambivalente Auswahl. Parallel zu Best Picture sähe ich persönlich hier Brady Corbet vorne, allerdings wäre und wird das Votum nach dem Willen der Academy wohl eher zugunsten von Sean Baker ausfallen. Damit kann ich aber nach seinen genialen Vorgängern wie The Florida Project und Red Rocket durchaus leben. Guter Mann!

Beste männliche Hauptrolle

Im nach wie vor leider männerdominierten Hollywood ist Best Actor nach Best Picture die wahrscheinlich meistbeachtete Kategorie, ähnlich wie die Herrenabfahrt im Alpinski oder das 100-Meter-Finale der Herren im Sommer. Warum auch immer. Soll aber das hochkarätige Feld hier keineswegs mindern. Sebastian Stan zeigt als junger Donald Trump in The Apprentice (und im anderswo nominierten A Different Man) überzeugendes Schauspiel und repräsentiert mit dem ebenso feschen wie sympathischen wie talentierten Timothée Chalamet eine talentierte neue Riege an leading men. Letzterer glänzt bei den diesjährigen Oscar-Kandidaten nicht nur mit seiner Nominierung als junger Bob Dylan in A Complete Unknown, sondern auch im schwer unternominierten Dune: Part Two. Auf der anderen Seite haben wir mit Ralph Fiennes in Conclave, Colman Domingo in Sing Sing und Adrien Brody in The Brutalist echte Schwergewichte der etablierten Hollywood-Riege. Letzterer wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch hochverdient den Hauptrollen-Oscar – seinen zweiten nach The Pianist von 2002 – mit nach Hause nehmen.

Beste weibliche Hauptrolle

Letztes Jahr habe ich mich mit meiner Voraussage, man werde wahrscheinlich mit einem Oscar für Lily Gladstone aufgrund der indigenen Abstammung ein gesellschaftliches Zeichen setzen, schwer verschätzt. Letztlich ging das Goldmännchen auch völlig verdient an Emma Stone. Und dieses Jahr hätte ich mich vermutlich auch ein wenig von der latenten Hollywood-Wokeness hinsichtlich der erstmaligen Nominierung einer Transfrau mit Karla Sofía Gascón für Emilia Pérez düpieren lassen. Jedoch: Sie hat sich selbst – und den Großteil der anderen Chancen des Films – ja gründlich ins Aus befördert. Somit bleiben eigentlich nur vier Kandidatinnen übrig: Cynthia Erivo in Wicked: Part 1, Fernanda Torres in I’m Still Here, Mikey Madison in Anora und Demi Moore in The Substance. Realistisch betrachtet ist es aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Madison und Moore. Ich persönlich sähe die jahrzehntelang geschmähte Demi Moore in der mutigen Rolle ihres Lebens als Diva auf dem Abstellgleis verdient vorne, allerdings könnte die nicht mal halb so alte Mikey Madison mit ihrer intensiven Performance in Anora ihre noch frische, aber steile Karriere vorläufig krönen. Ich vermute (und hoffe) aber, dass die Academy ganz im Sinne rühriger Hollywood-Geschichten Demi Moore spät, aber doch Anerkennung zollt.

Ich persönlich sähe die jahrzehntelang geschmähte Demi Moore in der mutigen Rolle ihres Lebens als Diva auf dem Abstellgleis verdient vorne, allerdings könnte die nicht mal halb so alte Mikey Madison mit ihrer intensiven Performance in Anora ihre noch frische, aber steile Karriere vorläufig krönen.

Beste männliche Nebenrolle

Wiewohl in dieser Kategorie das Teilnehmerfeld mit Guy Pearce für The Brutalist und Edward Norton für A Complete Unknown zwei Schauspieler eher mehr durch ihre etablierten Namen als tatsächlich herausragendes Spiel hervorstechen, gibt es mit Kieran Culkin in A Real Pain und Jeremy Strong in The Apprentice zwei wirklich starke Performances zu sehen. Yura Borisovs Nominierung wirkt trotz bemühten Spiels in Anora in dem Umfeld ein wenig unpassend (mehr dazu wieder in der Snubs-Abteilung). Holen wird sich den güldenen Glatzkopf hier mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit Kieran Culkin, der als schauspielerischer Widerpart zu und unter Regie bzw. Drehbuch von Jesse Eisenberg vollends überzeugt.

Beste weibliche Nebenrolle

Heuer eine sehr durchwachsene Kategorie. Deutlich zu wenig Screentime (die große Isabella Rossellini in Conclave) sowie zu farblose und routinierte Leistungen von Monica Barbaro in A Complete Unknown und Felicity Jones in The Brutalist lassen wenig Chancen auf einen Oscar zu. Popdiva Ariana Grande hingegen gibt on top zu ihrem makellosen Gesang in Wicked: Part 1 auch eine Kostprobe ihres schon in der Fernsehserie Victorious demonstrierten komödiantischen Talents zum Besten. Haushoher Favorit allerdings ist die jahrelang sträflich unterschätzte Zoe Saldaña für ihre kraftvolle Rolle in Emilia Pérez, die von dem ganzen kontroversen Rummel um den Film als wahrscheinlich einzige Kategorie unbeschadet hervorgeht und völlig zu Recht eine der begehrten Statuen abräumt.

Moodbild Oscars 2025
© Al Seib/A.M.P.A.S.

Bestes Originaldrehbuch

Wie schon eingangs erwähnt, hat sich diesmal die Besinnung auf gute und originäre Scripts gegenüber der lähmenden Sequel/Prequel/Remake-Tretmühle durchgesetzt. The Substance borgt sich zwar, so wie Anora auch, dort und da ein paar beliebte und erfolgreiche Versatzstücke, verquirlt diese aber recht gekonnt zu wirklich fesselnden und unterhaltsamen Geschichten. Ebenso The Brutalist, der mit einer fiktiven Story sehr clever viele sehr reale Themen aufgreift und zu einer faszinierenden 3½-stündigen Langform verknüpft. Ganz und gar real wiederum ist die Grundlage von September 5, der den Ereignissen des Terrors von München 1972 als packender Medienthriller eine völlig neue Perspektive gibt. A Real Pain aus der Feder von Jesse Eisenberg wird aber höchstwahrscheinlich den Oscar gewinnen. Der charmante und hervorragend gespielte Mix aus Roadmovie, Buddy-Comedy und ein wenig Geschichtsaufarbeitung zeigt, dass man auch mit leisen Tönen und einer nuancierten Nachdenklichkeit große Unterhaltung zustande bringt.

Bestes adaptiertes Drehbuch

Fangen wir so an: Emilia Pérez ist raus und hätte trotz der, sagen wir, ungewöhnlichen Story hier eigentlich ein eher dünnes Mandat. Nickel Boys und Sing Sing sind zweifellos sehr gute Aufarbeitungen berührender und wahrer Vorlagen, schaffen dann aber doch zu wenig Anknüpfungspunkte für das durchschnittliche Kinopublikum, vor allem außerhalb der USA. Wie so manch eigentlich solider Film dann doch etwas zu wenig, um in ein paar Jahren noch einen Anreiz zum Wiedersehen zu bieten. A Complete Unknown ist per se zwar eine sehr gute Inszenierung; die Genese des jungen, unbekannten Folk-Sängers Robert Zimmermann zur Über-Ikone Bob Dylan wurde jedoch schon so oft durchgekaut, dass sie kaum Neues bietet. Conclave hingegen bietet den Zuseher*innen mit dem Thema Papstwahl zwar kein Novum, aber einen mit vielen Twists gespickten Thriller, der angesichts der aktuellen, realen Gesundheitskrise des Pontifex Maximus genug Momentum für eine Auszeichnung mitbringt.

Bester internationaler Film

Emilia Pérez? Nein danke. Ungeachtet dieser Panne zeigt aber auch dieses Jahr der Rest der Welt, dass auch außerhalb der USA nicht nur die Bandbreite an Themen und Stilen, sondern auch die Produktionsqualität der von Hollywood um nichts nachsteht. The Girl with the Needle zum Beispiel ist filmisch wie thematisch (nach einer wahren Geschichte!) echt heftiger Tobak aus der bekannt starken dänischen Filmszene. Ebenso wie The Seed of the Sacred Fig, wo sich ausgerechnet Deutschland der beklemmenden Menschenrechtssituation im Iran annimmt. Und auch der zusätzlich in der Kategorie Best Animated Feature nominierte Flow aus Lettland, der gänzlich mit der Gratis-Software Blender erstellt wurde und ohne ein einziges gesprochenes Wort bezaubert, ist wirklich bemerkenswert. Als wohl solidester, relevantester und unterm Strich international in der Oberliga spielender Film muss und wird aber I’m Still Here aus Brasilien rund um die Aktivistenfamilie Paiva und die einstige Militärdiktatur den Auslandsoscar gewinnen.

Bester Animationsfilm

Heuer ein ganz dichtes Feld. Soviel nur dazu: Wenn sich die in dieser Kategorie normalerweise dominierenden Studios wie Pixar/Disney oder Aardman Animations einmal hinten anstellen müssen, will das was heißen. Das soll nicht heißen, dass Inside Out 2 (Pixar/Disney) oder Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl keine guten Animationsfilme sind, ganz im Gegenteil. Aber sie bewegen sich dann doch ein wenig zu sehr auf bewährtem Terrain und bieten den Zuseher*innen tendenziell sowohl visuell als auch inhaltlich nur more of the same. Ganz im Gegensatz zum höchst ungewöhnlichen, komplexen Memoir of a Snail – für einen Oscar dann aber wiederum möglicherweise zu schräg und erwachsen. Wie auch mein persönlicher Favorit Flow, der für jedes Land und jedes Alter ganz ohne Holzhammer universelle Werte und Unterhaltung bietet. Den schwierigen Spagat zwischen Unterhaltung, Message und technischer Brillanz schafft aber zugegebenermaßen, daher auch vermutlich für die Academy relevant, der rührende The Wild Robot.

Bester Dokumentarfilm

Wie gesagt, ging mir Porcelain War leider durch die Lappen, daher erfolgt die Einschätzung nur auf Basis der vier anderen nominierten Filme. Sugarcane behandelt gleich zwei ganz schwierige Themen, die sich ausgerechnet im so friedlichen Kanada grässlich vermengt haben: sexueller Missbrauch durch die katholische Kirche und ethnische Säuberung der indigenen Bevölkerung. Wichtiger Beitrag, aber für einen Oscar möglicherweise doch zu heikel und spezifisch. Soundtrack to a Coup d’Etat dreht sich rund um den komplizierten Weg zur Unabhängigkeit des Kongo, verliert sich aber zu sehr in der musikgetriebenen, nonlinearen und somit für eine Doku viel zu verspielten Inszenierung. Porcelain War dreht sich ja um den aktuellen Ukraine-Krieg, No Other Land um den anderen großen Krisenherd Nahost. Angesichts der aktuellen Lage sicher ein gewichtiger Grund, dort oder da mit einem Oscar ein Zeichen zu setzen. Der Academy ist es zuzutrauen! Für mich persönlich ist aber Black Box Diaries, die aufreibende filmische Begleitung des mutigen und letztlich erfolgreichen Feldzugs der japanischen Journalistin Shiori Itō gegen ihre eigene Vergewaltigung und dieses gesellschaftlich immer noch nicht enttabuisierte Thema.

Beste Kamera

Auch wenn es schon nicht mehr lustig ist: Was zum Geier hat Emilia Pérez hier zu suchen? Und dieselbe Frage stellt sich auch beim generell überbewerteten und zum Glück nicht öfter nominierten Maria, der Biopic-Stangenware mit Angelina Jolie. Da lobe ich mir die Neuinszenierung des Klassikers Nosferatu von Düstermeister Robert Eggers mit seinem bewährten Partner Jarin Blaschke am Okular. Visuell ganz stark, muss sich dieser nur dem ebenso bildgewaltigen The Brutalist mit Lol Crowley an der Kamera beugen. In der optischen Gesamtwertung aber sollte sich Ausnahmekönner Greig Fraser in der fortgesetzten Zusammenarbeit mit Denis Villeneuve für Dune: Part Two über den passenden zweiten Oscar nach Teil Eins freuen können. Alleine die Schwarz-Weiß-Sequenz auf Giedi Prime gehört in jedes Standardwerk zur Kameraarbeit!

Beste visuelle Effekte

Auch in dieser so wichtigen technischen Kategorie geht es dieses Jahr nicht so ganz ohne Fragezeichen. Nein, diesmal spielt Emilia Pérez keine Rolle. Vielmehr stellen sich zwei Fragen. Erstens: Warum ist der eigentlich recht gelungene Alien: Romulus hier nominiert, wenn sogar der Regisseur für die Veröffentlichung auf Streamingplattformen und Blu-ray die seiner Ansicht nach unzureichende CGI (die Szene mit Ash z. B. war wirklich subpar) nacharbeiten ließ? Und zweitens: Wieso ist der in den USA völlig gefloppte Better Man für die Animation von EINEM Affen nominiert, wenn in derselben Kategorie mit Kingdom of the Planet of the Apes auch ein Film nominiert ist, in dem buchstäblich HUNDERTE Affen mit deutlich besserer CGI mitwirken? Spielt aber auch keine Rolle, denn neben dem durchaus auch sauber visuell aufgebrezelten Wicked: Part 1 ist diese Kategorie und somit auch der Oscar fest in der Hand von Dune: Part Two.

Bestes Kostümdesign

Die Kategorie Best Costume Design ist immer von einer gewissen Ambivalenz durchwirkt: Bekommt den Oscar ein Film, dessen Kostüme zwar unauffällig, aber möglichst authentisch die handelnden Personen umschmeicheln? Oder setzt man auf ein Schneiderlein, das mit besonders fantasievollen Kreationen einen Look für die Ewigkeit kreiert? Ich bin ja eher Typ 2. Daher dieses Jahr ein wenig unglücklich mit den Nominierungen für die echt nicht schwierige Mode der 1960er-Jahre in A Complete Unknown bzw. Conclave. Ganz ehrlich, den katholischen Klerus könnte ein Modeschüler/eine Modeschülerin im 1. Semester authentisch kleiden. Auch Gladiator II bringt mit seinem eigenen zweiten und betreffend Römer 1.000. Aufguss echt nichts Neues mehr auf die Leinwand. Nosferatu macht da, trotz sattsam bekannter Vampir-Tropen, alles ein wenig anders und daher richtig, gegen die von Paul Tazewell geschaffene schrille, bunte und unfassbar detailverliebte textile Wucht von Wicked: Part 1 kommt aber heuer niemand an.

Bestes Szenenbild

Best Production Design heißt diese Kategorie im Original, und das trifft es viel besser. Hier geht es konkret um die gesamte Ausstattung und die Art Direction eines Films bis hin zum Zigarettenpäckchen oder dem Segelschiff. Hier punkten die Filme, die einen auch ohne viel CGI im Kino vom Hocker hauen, weil sie mit der schieren visuellen Macht aller Dinge im Bild abseits der Schauspieler*innen betören. Hashtag Ben Hur. Kameraarbeit wirkt hier auch ganz entscheidend mit. Mit The Brutalist, Conclave, Dune: Part Two, Nosferatu und Wicked: Part 1 ist das Feld heuer so dicht wie in keiner anderen Kategorie. Eine schwierige Entscheidung, ich würde ja gerne Dune: Part Two und Wicked: Part 1 ex aequo auf Platz eins sehen, aber das spielt es eben nicht. Mit dem Vorteil des US-amerikanischen Wizard of Oz-Bonus wird dann aber doch wohl Wicked: Part 1 der Academy die meisten Stimmen abringen.

Bestes Makeup und Haare

Man wäre ja versucht, hier eventuell Emilia Pérez leichte Außenseiterchancen einzuräumen. Nosferatu spielt da naturgemäß ganz vorne mit, auch wenn man wie üblich bei Willem Dafoe nicht viel tun muss. A Different Man muss mit der paradoxen Situation leben (und hier ausscheiden), dass Co-Star Adam Pearson WIRKLICH so aussieht wie Sebastian Stan mit Maske. Schwierig. The Substance ist durch und durch perfekt von jeder Haarlocke bis hin in die kleinste Pore der immer grotesker deformierten Demi Moore – aber halt ein wenig zu Cronenberg und Lynch und zu wenig Mainstream, das mag die Academy nicht so. Eher so etwas mit glattem Teint, egal ob grün oder nicht, und die Haare schön. So wie in Wicked: Part 1. Ja, die Haare machen es aus, oftmals wird in dieser Kategorie nämlich viel zu sehr auf nur das Makeup geachtet.

Bester Schnitt

Das beste Drehbuch, die schönsten Kameraeinstellungen und die überzeugendsten Mimen können wirkungslos verpuffen, wenn der Schnitt nicht passt. Tempo und Timing sind sowohl in Drama als auch Komödie die essenziellen Faktoren, und das liegt in der Verantwortung von Cutter*innen. Ob wir vor Spannung mit abgekauten Nägeln am Sofarand kauern oder uns vor Lachen fast anlulu – die Magie des perfekten Schnitts. Wicked: Part 1 macht da einen sehr guten Job, ebenso wie (zugegebenermaßen) Emilia Pérez. The Brutalist mag zwar augenscheinlich nicht spektakulär geschnitten wirken, man muss sich aber vor Augen halten, dass man trotz der linearen Story 3 ½ Stunden keine Hänger bemerkt. Anora ist ein wildes Energiebündel an Film, das nur dank gekonnter Rhythmik vom Schneidetisch genug Luft bekommt. Gewinner für mich, und vermutlich auch für die Jury, ist in der Kategorie aber Conclave. Die Art und Weise, wie hier beispielsweise eine grundsätzlich öde Tätigkeit wie die Stimmenabgabe bei einer Papstwahl auf die Spitze getrieben wird wie ein Einsatz aus Mission: Impossible, ist schlicht meisterhaft.

Filmstill The Substance
The Substance © Universal Studios

Bester Ton

Mittlerweile ist es ja schon fast zum Standard geworden: Wenn ein Film von Christopher Nolan oder Dennis Villeneuve hier nominiert ist, kann man getrost sein Erstgeborenes (Oma, 1 Niere …) drauf verwetten. Diese beiden visionären Filmemacher haben das Thema Sound zur Chefsache erkoren und seither der Bedeutung dieser Kategorie wieder zur nötigen Bedeutung verholfen. Wer bitte soll der akustischen Opulenz, dem Dynamikumfang und dem perfekten Tonschnitt von Dune: Part Two etwas entgegensetzen? Niemand. A Complete Unknown, Emilia Pérez, Wicked: Part 1 und The Wild Robot sind hier chancenlos, sorry.

Beste Filmmusik

Das wäre ja eigentlich auch die Domäne von Dune: Part Two, mit der Handschrift von Hans Zimmer. Dieser wurde aber, kleines Nebenskandälchen, im Vorfeld von der Nominierung disqualifiziert, weil die Themen von Part Two zu Part One ähnlich wären. Komplett lächerlich, der große John Williams war für alle drei Teile der originalen Star-Wars-Trilogie UND die drei Sequels nominiert. Hallo? Aber egal. Die Wirkung der Filmmusik ist – unabhängig von den Songs – immens wichtig für die Stimmung gewisser Szenen. Bei Musicals wie Emilia Pérez oder Wicked: Part 1 geht sowas im Singsang ein wenig unter, bei Slow Burnern wie Conclave wiederum spielt der Score alle Trümpfe aus, wie auch beim wunderschönen The Wild Robot. Am meisten Eindruck macht das Ensemble aus Bildgewalt und unterlegter Komposition aber für mich bei The Brutalist, für mich ein würdiger Sieger anstatt von Leider-Nicht-Zimmer.

Bester Song

Früher mal eine typische Disney-Domäne, muss die Mighty Mouse diesmal in dieser beliebten Kategorie passen. Apropos Disney: Der große Elton John, der seinerzeit für The Lion King gleich für drei(!) Songs nominiert war und einen gewonnen hat, konnte Jahre später mit einem Film über ihn seinen zweiten Oscar in der Kategorie einsacken. Talent? Auf jeden Fall. Unfair? Vielleicht. Aber dieses Jahr erneut für einen Film über ihn, nämlich Elton John: Never Too Late, erneut nominiert zu werden, geht schon ein wenig zu weit. Genauso wie gleich zwei Songs aus Emilia Pérez, diesfalls „El Mal“ und „Mi Camino“, hier mitmachen dürfen. Die Frage ist in allen drei Fällen: Warum? Dass sich die Academy aber nicht ausnahmslos vorwerfen lassen muss, schlecht zu hören, retten immerhin „The Journey“ aus Six Triple Eight und „Like A Bird“ aus Sing Sing. Ich persönlich favorisiere letzteren Song, aber was für „The Journey“ spricht: Er stammt von Super-Songwriterin Diane Warren, die aus sage und schreibe 16(!) Nominierungen nie siegreich hervorging und 2022, einer verschämten Entschuldigung gleich, einen Ehrenoscar erhielt. Es wäre Zeit für einen „Echten“.

So, das wäre es mit meinen Predictions und den entsprechenden Begründungen. Inwieweit die Academy das genauso sieht oder nicht, steht wie immer in den Sternen, ist aber letztendlich auch wurscht. Was zählt, ist, dass Sie, liebe Leser*innen, beim Ansehen der Filme und Lesen dieser Zeile genauso viel Vergnügen hatten wie ich und mich und meine Checkliste in der großen Nacht virtuell begleiten!

Last but not least: Die lange Liste der Filme der letzten 12 Monate, die es aus (für mich) unerfindlichen Gründen zu keiner einzigen Nominierung gebracht haben. Ich sage es ganz ehrlich: Von den oben lang und breit besprochenen Filmen muss man nicht jeden gesehen haben. Folgend aber all jene Streifen, bei denen es sich lohnt, ein paar Stunden zu opfern. Hier ohne bestimmte Reihung, Erläuterung oder Wertung die Best-Of-Leider-Nicht: Juror #2, Monkey Man, Love Lies Bleeding, Kinds of Kindness, The Last Showgirl, Furiosa: A Mad Max Saga, Des Teufels Bad, Civil War und Challengers. Schauen Sie sich das an!

Wir lesen uns wieder, wenn ich nächstes Jahr hoffentlich freudvoll von heiß erwarteten Filmen im kommenden Jahr kommentieren kann, zum Beispiel 28 Years Later, Mission Impossible: The Final Reckoning, Ballerina, Mickey 17, The Black Phone 2 und natürlich Wicked: Part Two.

Unsere Vorhersage auf einen Blick

Kategorie
Film/Name
Film
Anora
Regie
Sean Baker
Hauptdarsteller
Adrien Brody
Hauptdarstellerin
Demi Moore
Nebendarsteller
Kieran Culkin
Nebendarstellerin
Zoe Saldana
Originaldrehbuch
A Real Pain
Adaptiertes Drehbuch
Conclave
Internationaler Film
I’m Still Here
Animationsfilm
The Wild Robot
Dokumentarfilm
Black Box Diaries
Kamera
Dune: Part Two
Visuelle Effekte
Dune: Part Two
Kostümdesign
Wicked: Part 1
Szenenbild
Wicked: Part 1
Makeup und Haare
Wicked: Part 1
Schnitt
Conclave
Ton
Dune: Part Two
Musik
The Brutalist
Song
H.E.R. mit „The Journey“ in Six Triple Eight

Die 97. Oscar-Verleihung wird in der Nacht von 2. auf 3. März 2025 ab Mitternacht live auf ORF 1, ORF ON, ProSieben Austria, JOYN und erstmals auch auf Disney+ übertragen.

Oscars

Portrait Markus Höller
Markus Höller
bespielt diverse Medien mit großer persönlicher Leidenschaft in Ressorts wie Lifestyle, Games, Reise, Technik, Film oder Genuss.

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