Sandra Lahnsteiner-Wagner Shades of Winter

Wenn Sandra Lahnsteiner-Wagner ihre Linie schwungvoll in den unverspurten Hang zeichnet und hinter ihr der feine Tiefschnee aufstaubt, breitet sich ein glückliches Lächeln in ihrem Gesicht aus. Sie ist Profi-Freeriderin und verwandelt das freie Gelände, also die Hänge abseits präparierter und gesicherter Pisten mit kreativer Energie in einen riesigen Abenteuerspielplatz: „Mich fasziniert, begeistert und motiviert die absolute Freiheit in diesem Sport. Und dass der Berg meine Leinwand ist und ich der Pinsel bin, der seine Persönlichkeit in die Natur malt.“

Wenn es sonst niemand macht …

Längst ist die gebürtige Oberösterreicherin, die ihren Lebensmittelpunkt vor mehr als 20 Jahren ins Salzburger Land verlagert hat und sich deshalb selbst als Salzburgerin sieht, viel mehr als „nur“ eine Skifahrerin. Nachdem sie 2009 als einzige Lady neben Österreichs damals profiliertesten männlichen Freeridern für die Produktion Made in Austria vor der Kamera stand, drehte sie schon im folgenden Winter mit As We Are den ersten Frauen-Skifilm.

Und das war erst der Anfang! Denn mittlerweile hat die studierte Sportwissenschafterin, Mentaltrainerin und staatlich geprüfte Skilehrerin und Skiführerin praktisch im Jahrestakt neue Filme auf die Leinwand gezaubert. Atemberaubende Filme, bei denen sie nicht nur selbst die Hauptrolle spielt, sondern zumeist auch die Verantwortung für Regie und Produktion übernimmt. „Zuerst habe ich gar nicht groß darüber nachgedacht. Ich habe nur gesehen: Es gibt keine reinen Skifilme von und mit Frauen. Also habe ich es selbst gemacht.“

Ihr neuer Film „Aligned – Between The Sea And The Sky”, den Sandra Lahnsteiner-Wagner zuerst von 10. bis 13. Dezember 2013 auf dem von ihr selbst veranstalteten #shadesofwinter FilmFest in München, Wien, Kitzbühel und Salzburg präsentiert, führte sie in die norwegischen Lyngenalpen, 350 Kilometer nördlich des Polarkreises. Dort fand sie gemeinsam mit Co-Star David Widauer nicht nur magische Nordlichter und perfekte Tiefschneehänge, sondern auch unwirtliche Witterungsbedingungen und so extreme Gefahren, dass sie ihre abenteuerlichen Vorhaben zwischendurch sogar aus Sicherheitsgründen abbrechen musste.

Und sie fand Erkenntnisse, die durchaus auch für ihr Leben abseits der wilden, unberührten Natur zutreffen. „Es geht nicht immer nur darum, den Gipfel zu erreichen. Es geht um die vielen kleinen Momente am Weg zum Ziel. Man muss bereit sein, ans Limit zu gehen. Man muss aber ebenso bereit sein umzudrehen, wenn das Risiko zu groß wird. Um erfolgreich zu sein, muss alles zusammenpassen und im Einklang sein – aber du kannst nichts mit der Brechstange erzwingen – weder am Berg, noch im Berufsleben.“

Film "Aligned" von und mit Sandra Lahnsteiner und David Widauer
David Widauer und Sandra Lahnsteiner © Niko Opetnik

Inspiring. Empowering. Connecting.

Ihr angesprochenes #shadesofwinter FilmFest trägt den programmatischen Untertitel „Inspiring. Empowering. Connecting.“ Und natürlich wird Sandra Lahnsteiner-Wagner damit zu jenem Vorbild, das sie selbst in jungen Jahren nicht hatte. „Mir war es nicht so richtig bewusst, aber tatsächlich hatte ich keine Vorbilder – weil es sie gar nicht gegeben hat.“ Wobei, wenn man es genau nimmt, eine ganz besondere Inspirationsquelle hat es von früh an gegeben: „Pippi Langstrumpf! Sätze wie ‚Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt‘ und ‚Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe‘ haben mich tatsächlich ein bisschen geprägt …“

„Um gleichermaßen kreativ wie wirtschaftlich erfolgreich sein zu können, braucht es nicht zuletzt Willenskraft und Durchsetzungsvermögen“, weiß Sandra Lahnsteiner-Wagner. Attribute, die sie als Profi-Sportlerin ebenso mitbringt, wie eine große Portion Selbstvertrauen. „Egal, ob Zeit- oder Leistungsdruck, unter stressigen Bedingungen habe ich immer schon sehr gut performen können. Als Kind habe ich meine schwierigsten Übungen beim Turnen immer bei Wettkämpfen gezeigt. Ich weiß, dass ich funktioniere, wenn es wirklich um etwas geht.“

Unternehmerisch ist Sandra Lahnsteiner-Wagner, die ihre Träume von der großen Rennläuferinnen-Karriere als Teenager nach einer schweren Knieverletzung aufgeben musste, mittlerweile breit aufgestellt. Ihre Filmproduktionsfirma, ein Reisebüro und eine Werbeagentur hat sie im vergangenen Winter in der shades.plus GmbH vereint. „Was ich besonders schön finde: Alles, womit ich mein Geld verdiene, hat seine Wurzeln in meiner Liebe zum Skifahren. Manchmal blicke ich zurück und denke mir: ‚Schau an, das alles nur, weil ich so gern Ski fahre …‘“

Herzstück aller Aktivitäten ist die Plattform Shades of Winter, mit der sie – etwa über Filmproduktionen und das FilmFest – starke weibliche Vorbilder sichtbar machen und andere Frauen inspirieren möchte, selbst aktiv am Outdoor-Leben teilzunehmen. „Mein Ziel ist es, meine Begeisterung weiterzugeben und zu zeigen, was man auch als Frau alles erleben kann. Denn, wie es auf Englisch so schön heißt: You can see it – you can be it.“

Shades of Winter Camp 2013
"Shades of Winter" Freeride Touring Camp 2023 © Christoph Oberschneider

Weil ich es kann!

Sandra Lahnsteiner-Wagner, die früher Österreichs Skistar Anna Veith als Privattrainerin betreut hatte, strotzt nur so vor Ideen und Unternehmergeist. Zuletzt war sie für die neue TV-Serie School of Champions (ab 22. Jänner 2024 auf ORF 1 zu sehen) für Regie und Produktion der Skiaction-Szenen verantwortlich. „Ich habe nie zuvor bei einer fiktiven Serie mitgearbeitet. Aber als Selbständige muss man stets offen für Neues sein. Und man muss mutig und bereit sein, sich stets weiterzuentwickeln.“

Ihre Work-Life-Balance, sagt sie, sieht sie trotz vollen Terminkalenders durchaus positiv. „Natürlich sitze ich manchmal drei Tage hintereinander 16 Stunden lang am Computer und komme erst in der Nacht dazu, eine Runde zu laufen. Und wenn ich zum Windsurfen nach Sardinien fahre, nehme ich nicht nur den Laptop mit, sondern selbstverständlich auch den großen Monitor. Aber ich genieße es sehr, dass ich mir meine Zeit einteilen kann. Umso größer ist der Genuss, wenn ich zwischendurch mit Freunden eine schöne Skitour gehe oder einen gemütlichen Tag auf der Piste verbringe – ohne nur eine Sekunde daran zu denken, eine Instagram-Story posten zu müssen.“

Als Feministin sieht sie sich übrigens nicht – egal, wie zentral das Thema „female empowerment“ in ihrer Arbeit ist. „Diese Frage wird mir oft gestellt. Aber ich hatte nie das Gefühl, als Frau benachteiligt worden zu sein. Und ich habe auch nicht das Bedürfnis, bevorzugt behandelt zu werden. Was immer ich mache, mache ich weder weil, noch obwohl ich eine Frau bin. Ich mache Dinge einfach, weil ich die Sandra bin. Und weil ich es machen will.“

Privat ein starkes Fundament

Im Frühjahr 2022 gab Sandra ihrem Langzeitpartner Gernot in Gastein das Ja-Wort. Die dreitägige Hochzeitsfeier war mit hochkarätiger Ski-Prominenz besetzt, darunter Olympiasiegerin und Dreifach-Weltmeisterin Anna Veith. Als Brautjungfer fungierte die amerikanische Olympiasiegerin Julia Mancuso, mit der Sandra unter anderem 2016 für die „Shades-of-Winter“-Produktion Between gemeinsam auf Hawaii Skifahren war.

Die Frage, wie es Gernot an der Seite einer so selbstbestimmten Persönlichkeit geht, entlockt Sandra ein herzhaftes Lachen. „Er ist einerseits sehr stolz auf das, was ich tue und andererseits ist er mein Fels in der Brandung. Aber man muss natürlich ein starker Mann sein, um neben einer starken Frau bestehen zu können.“ Hilfreich ist, dass er sich nicht nur in Sandras GmbH engagiert, sondern auch als sportlicher Leiter der Skitourismusschule Gastein und als Referatsleiter für Alpinsport im Salzburger Skiverband selbst verantwortungsvolle Führungspositionen innehat. „Er hat seinen Platz im Leben gefunden und ist beruflich selbst ebenfalls sehr erfolgreich.“

Was immer ich mache, mache ich weder weil, noch obwohl ich eine Frau bin. Ich mache Dinge einfach, weil ich die Sandra bin. Und weil ich es machen will.

„Die Begeisterung für Outdoor-Aktivitäten ist ein wichtiges, verbindendes Element“, sagt Sandra Lahnsteiner-Wagner. „Wir gehen beide sehr gern Skifahren und unternehmen miteinander Skitouren, im Sommer gehen wir Windsurfen. Die Liebe zum Sport verbindet uns.“ Sie weiß aber auch, dass gerade eine Beziehung wie die ihre ein starkes Fundament braucht. „Dass ich mit meiner Crew einfach für drei Wochen nach Norwegen fliege, setzt eine große Vertrauensbasis voraus.“

Polarlichter Film "Aligned" von Sandra Lahnsteiner
© Mathaeus Gartner

Genuss, nicht Nervenkitzel

Was man bei all den spektakulären Freeride-Fotos und -Filmen nicht vergessen darf: Jeder Trip, und sei es „nur“ am Hang hinter dem Haus, erfordert akribische Vorbereitung, speziell was die richtige Einschätzung der Lawinensituation anbelangt. Und man braucht immer das richtige Equipment, ein (funktionierendes!) Lawinenverschüttetensuchgerät, eine Schaufel und eine Sonde sowie im Optimalfall ein Rucksack mit Airbag, damit man im Fall des Falles nicht unter Schneemassen begraben wird. Doch wie bei allen sportlichen Betätigungen, speziell abseits gesicherter Wege und Pisten, kann bei aller gebotenen Eigenverantwortung ein Restrisiko niemals ausgeschlossen werden.

Darüber spricht Sandra Lahnsteiner-Wagner nicht zuletzt in ihren eigenen Camps, die sich exklusiv an Freeriderinnen wenden und bei denen der genussvolle Praxisteil durch möglicherweise lebenswichtige Theorie angereichert wird. „Ich möchte einerseits Gleichgesinnte miteinander vernetzen, ich möchte aber auch meine Erfahrungen weitergeben und die Teilnehmerinnen mit neuem Wissen, neuen Techniken und neuem Selbstbewusstsein stärken, damit sie ihre Zeit in den Bergen noch intensiver genießen können.“

Denn letztendlich geht es ja beim Skifahren (und überhaupt im Leben) in erster Linie um den Genuss. „Auch wenn es nicht so aussieht: Ich bin da draußen im Gelände nicht auf der Suche nach dem Nervenkitzel, sondern nach dem Gesamterlebnis Berg. Sport generell macht mich zu einem glücklicheren, zufriedeneren und gesünderen Menschen.“ Das Skifahren, ihre Lieblingssportart, wie Sandra Lahnsteiner-Wagner sagt, verleiht ihr ein Gefühl der Freiheit und der unbeschwerten Leichtigkeit des Lebens. „Egal, wie steil der Hang ist oder wie schnell ich fahre, Skifahren hat für mich etwas Spielerisches, und bei jedem Schwung muss ich aufs neue Lachen!“

Sandra Lahnsteiner-Wagner ist Skiprofi, Filmproduzentin und Unternehmerin. Ihren neuen Film „Aligned – Between The Sea And The Sky“ präsentiert sie (neben fünf weiteren Freeride-Filmen) zwischen 10. und 13. Dezember 2023 beim #shadesofwinter FilmFest in München, Wien, Kitzbühel und Salzburg. Dieses Filmfestival, das die Leistungen weiblicher Vorbilder hervorheben und damit andere Frauen inspirieren, stärken und verbinden will, hat die Salzburgerin ebenso wie die dahinterstehende Plattform „Shades of Winter“ selbst gegründet.

Shades of Winter

Über die Freundschaft Thees Uhlmann

Schönen guten Tag!

Mein Name ist Thees Uhlmann, und ich mache Musik und schreibe Bücher. „Das ist nicht gut, das ist nicht schlecht, das ist einfach so“, wie mein Vater immer sagte, wenn ich mit der schlechtesten Note in einer Matheklausur, die es gibt, nach Hause kam. Natürlich hat er sich geärgert, aber ich meine, er hat das Bruttosozialprodukt von St. Pölten in meinen Nachhilfeunterricht investiert. Es hat offensichtlich nichts gebracht, und da muss man schon kurz schlucken. Im Endeffekt hat er gesagt, dass die Gnade des Himmels nicht davon abhängt, ob ich etwas gut oder schlecht gemacht habe, sondern dass es schon okay ist, wenn ich überhaupt etwas gemacht habe. Ich finde das eine sehr tröstliche Sache. Wer will schon immer sagen, was gut oder schlecht ist?

Viele Leute lieben es zum Beispiel, sich einen Van zu kaufen um den dann selber auszubauen, darin Lichterketten zu verlegen, kleine Blumentöpfe anzubringen, damit durch Europa zu schippern, das im Internet zu posten und diesem dummen Bus dann auch noch einen Namen zu geben. „Bussi“ oder „Vani“ oder so. Die Leute lieben das. Ich schwöre. Ich hingegen liebe es, wenn solche Busse eine Panne haben und es die ganze Zeit regnet. Ich weiß nicht, wo das herkommt, ich weiß nur, dass es so ist.

musiker thees uhlmann mit manager rainer g ott
© Ingo Pertramer

Was ich aber liebe, ist es, Leute kennenzulernen. Wenn ich zum Beispiel auf das gestrandete Pärchen treffen würde, an der Straße, da wo ich herkomme, würde ich sie abschleppen (das Auto!), ihnen Herberge geben, wie sich das Josef und Maria verdient hätten und würde mich dann mit ihnen bei einem selbst gemachten Lungenhaschee darüber unterhalten, wie es ist, in einem ausgebauten Bus unterwegs zu sein.

Und das Gute an meinem Job ist, sagenhaft viele verschiedene Menschen kennenzulernen.

Da ist zum Beispiel mein Freund Martin.
Der war früher immer der besoffenste Punk und heute ist er Psychologe und einer der aufmerksamsten Menschen, die ich kenne.

Oder meine Freundin Martina. Die war nur die Freundin von einem Freund, und dann hat die jetzt drei Jungs hintereinander bekommen und hat echt geschuftet dafür. Und immer wenn ich die getroffen habe, hat sie die lustigsten und besten und heftigsten Geschichten von sich erzählt, und ich habe immer zu ihr gesagt: „Martina!“, hab ich gesagt: „Entweder Du erzählst die Geschichten auf der Bühne oder du musst ein Buch schreiben!“ Und jetzt nach zehn Jahren hat sie wirklich das Buch fertig und ist eine meiner besten Freundinnen.

Oder mein Freund Uwe. Der weiß alles über Versicherungen. Wenn ich Uwe nach Konzerten treffe, erzählt er immer, wie was mit Versicherungen läuft und es ist wirklich interessanter, sich mit Axel Rose zu unterhalten. Die meisten Stars sind eh gähnend langweilig. Ich zum Beispiel.

Oder eben meine Freundin Alicia. Die ist vor Jahren mal bei einem Konzert von mir einfach stehen geblieben und hat gesagt: „Geh bitte, eure Musik ist urgrausig, aber ihr seid so norddeutsch und maritim!“
Ich meine, ein Kompliment geht doch einfach auch nicht besser. Da gibt man sich Mühe, Kunst zu machen und dann wird man für etwas gut gefunden, für was man gar nichts kann. Die Note ist egal, Hauptsache man existiert. In diesem Falle einfach wir.

Daraus hat sich eine wundervolle Freundschaft ergeben, die schon über mehr als 10 Jahre hält. In meinem Alter sagt man nur noch „… länger als 10 Jahre“, weil einen die richtige Zahl wahrscheinlich das Fürchten lehren würde. 


Und diese Alicia hat jetzt ihr eigenes, dieses Ding zum Laufen gebracht. Wie schön es ist mit Leuten, die man kennt, Zeit zu teilen und zu sehen, wie sie sich über die Jahre langsam, fast unmerklich verändern, wie ein Stein, der vom Wasser der Donau langsam glatt gespült wird. Ich bin ganz stolz auf Dich, Diggi! Zieh durch das Ding!

Dein Thees

Aponcho Wien

Wohlig weich schmeichelt sich der Baumwollstoff an die nasse, kalte Haut. Übergroß, gemütlich und praktisch. Die Kapuze bedeckt die Stirn und lädt dazu ein, durchzuatmen und zu chillen. „Aponcho“ nennt die Wiener Unternehmerin Clarissa Fritzsche ihre Kreation, die dem Poncho indigener südamerikanischer Völker nachempfunden ist und sich nicht zuletzt unter Windsurfer*innen, Wellenreiter*innen und anderen Wasserratten größter Beliebtheit erfreut. „Die Grundidee und wichtigste Funktion ist tatsächlich, dass man sich am Strand darin ganz einfach umziehen und abtrocknen kann“, verrät die leidenschaftliche Surferin.

Letztendlich geht es aber vor allem darum, sich frei zu fühlen – egal, wo man gerade ist. „Natürlich muss man kein Sportler oder keine Sportlerin sein, um eine Freude mit dem Aponcho zu haben. Du kannst ihn zum Beispiel in der Sauna tragen, in der Therme – oder einfach zu Hause. Wenn ich mich nach einem anstrengenden Tag mit meinem Aponcho auf die Couch lege, ist die Welt gleich eine bessere …“

Model Aponcho
© Miriam Joanna

Kreativ muss es sein

Clarissa Fritzsche, 32, ist in einer Familie aufgewachsen, in der traditionsbewusstes Handwerk zum Alltag gehört; ihr Vater Clemens führt bereits in siebenter Generation den 1794 gegründeten Hafner-Betrieb E. Fessler und setzt exquisite Kamine und Kachelöfen. „Ich kann mich erinnern, dass ich schon als kleines Kind in unserer Töpferwerkstatt herumgebastelt habe. Für mich war immer klar, dass ich irgendeinen kreativen Beruf erlernen würde. Ein Jus- oder Wirtschaftsstudium wäre nichts für mich gewesen.“

Schon in der Schule, dem Evangelischen Gymnasium & Werkschulheim, absolvierte Clarissa Fritzsche eine Ausbildung zur Goldschmiedegesellin, danach studierte sie in Hetzendorf Modedesign. Das Nähen, sagt sie, habe sie nämlich schon früh fasziniert: „Meine Oma mütterlicherseits hatte ein eigenes Nähzimmer. Stell dir das vor: Du konntest dich dort kreativ total entfalten, dich ausbreiten und musstest nicht jedes Mal alles wegräumen, wenn du am nächsten Tag weiter nähen wolltest – ein Traum.“

Der glücklichste Mensch

Neben der Begeisterung fürs Handwerk spielt die Liebe zum Wasser eine wesentliche Rolle in Clarissas Leben – und in der Geschichte des Aponchos. „Im See oder im Meer“, sagt sie, „bin ich der glücklichste Mensch. Egal, ob beim Schwimmen, Segeln oder Surfen. Ich liebe das Wasser über alles.“ Lachender Nachsatz: „Deswegen haben mir meine Freunde den Spitznamen ‚Quaxi‘ verpasst.“ Besonders erfüllend ist das Surfen und dieses unbeschreibliche Gefühl, eine Welle erwischt zu haben: „Dann habe ich den größten Grinser im Gesicht, den man sich nur vorstellen kann. Ich fühle mich leicht und frei und habe das Gefühl, ich könnte alles schaffen.“

Im See oder im Meer bin ich der glücklichste Mensch. Egal, ob beim Schwimmen, Segeln oder Surfen. Ich liebe das Wasser über alles.

Die Idee zu ihrem Poncho ist ihr an Portugals rauer Westküste gekommen. Ein zweiwöchiger Roadtrip hatte Clarissa mit zwei Freundinnen unter anderem in ein Surfcamp in Ericeira geführt – „und dort habe ich einen Schnupperkurs absolviert. Ich war vom Wellenreiten sofort so begeistert, dass dieser Sport seither einfach nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken ist.“ Zwei Jahre danach war sie wieder in Portugal und sah, wie sich Surfer*innen vor dem Auto umziehen: „Sie hatten Polyester-Umhänge an. Mit einem riesigen, hässlichen Logo vorne drauf. Ich dachte mir: ‚Das ist natürlich praktisch, aber überhaupt nicht schön.‘“ Ein Besuch in einem lokalen Surfshop bestätigte ein erstes Gefühl: „Diese Dinge waren gar nicht so billig, das Material unangenehm und die Farben uncool. Ich wusste: Das kann man besser machen.“

Surferinnen mit der Aponcho Labelchefin im Meer
© Miriam Joanna

Plötzlich Unternehmerin

„Man“ im Sinne von: Sie selbst würde es besser machen! Noch am selben Abend skizzierte Clarissa ihre ersten Ideen auf eine Serviette, zurück in Wien kaufte sie verschiedene Frotteestoffe und begann zu nähen. „Und dann kam im Sommer 2016 die ‚City Wave‘ nach Wien, und ich habe dort als Surflehrerin zu arbeiten begonnen.“ Clarissa trug zwischen den Sessions einen Prototypen ihres Aponchos, grau und altgrün, lässig und praktisch zugleich: „Und vielleicht ein kleines bisschen mit dem Hintergedanken, Werbung in eigener Sache zu machen …“

Der Gedanke ging auf. Und zwar so, dass sich der gemütliche Sommer in eine erstaunlich stressige Zeit verwandelte: „Es hat sich rasch herumgesprochen, was ich mache. Die Nachfrage war so riesig, dass ich tagsüber als Surflehrerin gearbeitet habe und am Abend und in der Nacht in meinem alten Kinderzimmer gesessen bin, Stoffe zugeschnitten und Ponchos genäht habe.“

Diesen einen, diesen magischen Moment, sagt sie, habe es aber nicht gegeben: „Es war nicht so, dass ich plötzlich gesagt hätte: ‚Mit dieser Idee mache ich mich jetzt selbständig‘. Aber irgendwann haben einfach alle Teile perfekt zusammengepasst. Ich habe damals eigentlich in der Kostümbranche beim Film und beim Fernsehen gearbeitet“, erinnert sich Clarissa. Für die Serie „Cop Stories“ zum Beispiel oder für „Ein Leben für die Musik“, einen kitschigen „Heidi“-Verschnitt mit Yvonne Catterfeld und jeder Menge traditioneller Dirndln: „Eine Zeit lang hat mir diese Arbeit ja getaugt, aber sie war mir langfristig zu wenig kreativ. Und mir ist klar geworden, dass ich lieber meine eigene Chefin sein möchte.“

Models mit Aponchos am Strand
© Miriam Joanna

Ein Lächeln auf dem Weg

Clarissa, die sich selbst als „freiheitsliebende Genießerin“ versteht, fühlt sich in ihrem Berufsleben mittlerweile „extrem gut angekommen“ – nicht zuletzt wegen ihrer Kundschaft, von der sie in höchsten Tönen schwärmt: „Die Leute, mit denen ich zu tun habe, sind so unglaublich nett. Selbst, wenn bei einer Lieferung einmal etwas schief gehen sollte und ein Umtausch notwendig wird, reagieren sie freundlich und verständnisvoll.“ Was wohl daran liegen könnte, dass sie ihren Kund*innen – speziell im direkten Kontakt – ihre eigene Freude an der Arbeit und ein Lächeln auf den Lippen mit auf den Weg gibt. „Ich bin generell ein sehr positiver Mensch und trage dieses Gefühl wohl unbewusst nach außen …“

Aktuell lässt Clarissa ihre Ware in einer kleinen Näherei in Tschechien fertigen, maßgeschneiderte Sonderanfertigungen werden in Wien genäht. Die regulären Ponchos, die es in verschiedenen Längen und Größen nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder gibt, sind zweifärbig – „weil ich von Anfang bewusst ein einfaches Design gestalten wollte. Der untere Teil ist grau, die Kundinnen und Kunden müssen nur entscheiden, welche andere Farbe ihnen bei den Schultern und der Kapuze am besten gefällt.“

Doch die qualitäts- und umweltbewusste Unternehmerin weiß, wo sie ihr Produkt noch verbessern könnte. „An der Produktion gefällt mir, dass die Transportwege vergleichsweise kurz sind. Aber die Baumwolle, die aus der Türkei kommt, stammt nicht aus biologischem Anbau. Und weil Nachhaltigkeit natürlich ein wichtiges Thema ist, habe ich bereits eine neue Firma in Portugal gefunden, die in Bio-Qualität arbeitet.“

Kind mit Aponcho im Kinderzimmer zeigt seine Zunge
© Miriam Joanna

California dreamin‘

Den Großteil ihres Geschäftes – nach eigenen Angaben rund 80 Prozent – macht Clarissa Fritzsche über ihren Online-Shop www.aponcho.com. „Ich verschicke meine Stücke nicht nur innerhalb von Österreich, sondern auch nach Deutschland, Italien und in die Schweiz, und sogar nach Australien und in die USA. Ich lese bei den Bestellungen oft, dass die Käufer*innen das Internet nach solchen Ponchos durchforsten und meine am schönsten fanden. Das freut mich sehr.“

Im Februar 2023 hat sie ihren eigenen, 25 m² großen Store in Wien-Wieden eröffnet – in ihrer alten Nachbarschaft. „Ich wohne seit ein paar Jahren mit meinem Freund im 19. Bezirk. Aber der Shop ist drei Minuten von meinem Elternhaus entfernt, in dem auch das Geschäft meines Vaters liegt. Und mein Bruder Constantin verkauft auf der anderen Straßenseite Maßanzüge und Maßhemden. Es ist schön, in einem Grätzel zu arbeiten, wo man praktisch alle Menschen von klein auf kennt.“

Trotzdem ist die Welt von Clarissa Fritzsche natürlich wesentlich größer als nur der 4. Wiener Gemeindebezirk es ist. Die Frage, was denn gegen einen Aponcho-Shop am mondänen Sunset Boulevard in Los Angeles sprechen würde, beantwortet sie deshalb ganz trocken: „Oder in Santa Cruz oder Malibu. Ja, in diese Richtung habe ich tatsächlich schon gedacht. Ich kann mich nicht aufteilen und fühle mich in Wien sehr wohl. Aber ein Franchise-System könnte ich mir gut vorstellen.“

Clarissa Fritzsche, 32, ist gelernte Modedesignerin und betreibt in Wien den „Aponcho“-Store, in dem sie „ein Stück Freiheit für deinen Alltag“ verkauft. Genauer gesagt: lässige Baumwoll-Ponchos für Wasserratten und andere Menschen, die es gern gemütlich haben.

Aponcho

Warschau Polnische Grandezza

Ein Grund dafür ist sicher: Für die älteren unter uns ist die polnische Hauptstadt leider noch mit vielen nicht so positiven Erinnerungen behaftet. Die Gräuel der Nazizeit und das Warschauer Ghetto. Der ebendort geschlossene Warschauer Pakt, Gegenpart der NATO im Kalten Krieg. Die jahrzehntelange Existenz als Vasallenstaat der Sowjetunion mit bitterer Armut. Ausrufung des Kriegsrechts zur Niederschlagung von Protesten. Und so weiter. Erst mit dem Ende des Ostblocks – durchaus direkte Folge des Widerstands der polnischen Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa – blühte das große Land wieder voll auf. Heute präsentiert sich Warschau als stolze, weltmännische Metropole, die viel zu bieten hat – kulturell und wirtschaftlich.

Skyline von Warschau in der Nacht
© Kamil Gliwinski Unsplash

Bewegte Geschichte

Vor rund 800 Jahren erstmals urkundlich erwähnt, war die Stadt an der Weichsel ursprünglich nicht von großer Bedeutung, vor allem im Schatten der Handelszentren an der Ostsee, wie zum Beispiel Danzig. Erst mit der Etablierung einer wichtigen Handelsroute vom Schwarzen Meer zur Ostsee prosperierte die einst kleine Siedlung und stieg trotz vieler Wirren im heutigen polnischen Staatsgebiet unaufhörlich bis zum Herzogtum auf. Die endgültige Festigung Warschaus als unumstrittene Hauptstadt Polens folgte nach dem Wiener Kongress, das nunmehrige Königreich (wenn auch von Gnaden des russischen Zaren) war als europäischer Player etabliert. In diese Zeit fiel auch die Warschauer Residenz des Komponisten Frédéric Chopin, neben Papst Johannes Paul II. und Marie Curie – wohl unumstritten eine der berühmtesten Persönlichkeiten aus Polen. Chopin ist auch Namensgeber des internationalen Flughafens Warschau. Das 20. Jahrhundert kann man für Polen und Warschau wohl nur als unglücklich und finster bezeichnen. 

Alte und neue Architektur Warschau
© Mars Lain Unsplash

Zwei Weltkriege und die lange Herrschaft des Kommunismus prägen die Stadt bis heute. So ist der Kulturpalast mit 237 Metern immer noch das zweithöchste Gebäude Polens, Wahrzeichen und Veranstaltungszentrum, aber auch immer noch Mahnmal, das an die Unterdrückung durch die Sowjets erinnert. Für alle, die gerne auf historische Spurensuche gehen: Auch Reste der Mauer, die zur Nazizeit im unsäglichen Warschauer Ghetto rund 500.000 Juden gefangen hielten, sind noch erhalten, allerdings nicht frei zugänglich. Die abgesperrten Gedenkplätze sind nur zu bestimmten Zeiten offen.

Dunkle und helle Gassen in Warschau
© Kris Cros Unsplash

Vorbei ist vorbei

Das alles interessiert junge Menschen in Warschau heute nicht mehr. Sie erfreuen sich an Smartphones im gut ausgebauten Handynetz, Flagshipstores internationaler Top-Marken und guter Infrastruktur. Vor allem am Wochenende ist das Złote Tarasy („Goldene Terrassen“) genannte Multiplex, zentral zwischen Kulturpalast und Hauptbahnhof gelegen, quirliger Mittelpunkt für alle. Von Sephora über Media Markt bis hin zu Multiplex-Kino und Hard Rock Café findet man hier wirklich alles, auch als Tourist*in. 

Heute präsentiert sich Warschau als stolze, weltmännische Metropole, die viel zu bieten hat – kulturell und wirtschaftlich.

Die gewagte Architektur ist dabei keineswegs ein Einzelfall: Zahlreiche verglaste Highrise-Gebäude verleihen der sonst bunt zwischen Günderzeitvillen und sozialistischen Bausünden oszillierenden Millionenstadt eine internationale Skyline. International ist auch der Verkehr: Als Fußgänger*in ist bei dem regen Treiben auf den Straßen Achtsamkeit geboten, und auch in Bus und Tram sollte man sich ob der sportlichen Fahrweise immer gut festhalten. Die vielen verbrauchten Kalorien beim Städtebummel sind aber nicht von Dauer, die herzhafte polnische Küche macht alles wieder wett. Eventuell nicht für Veganer*innen, denn zur traditionell fleischlastigen Landesküche gibt es auch 2023 hier relativ wenige Alternativen. Erdäpfel halt.

Fahrrad Warschau
© Marcin Lukasik Unsplash

Folklore muss auch sein

Selbst wenn man altes Gebamsel eher nicht so mag, kommt man um einen Besuch in der pittoresken Altstadt nicht herum. Die nach den Kriegszerstörungen wieder authentisch aufgebaute Altstadt samt malerischem Schlossplatz und rechteckigem Marktplatz ist sehr pittoresk, um nicht sogar zu sagen „instagrammable“. Nicht umsonst handelt es sich hier um UNESCO-Weltkulturerbe, und trotz einiger Touri-Fallen kann man hier auch um wenig Zloty wirklich gut essen und trinken. Besonders erwähnenswert sind die auch von Einheimischen gerne frequentierten Parkanlagen, die mit Denkmälern und Wasserschlösschen viel Grün zum Flanieren und Abschalten bieten.

Fazit: Ein völlig unerwartetes Flair und ideal für ein langes Wochenende!

Flüge nach Warschau von Wien finden sechs Mal täglich statt und werden von Austrian oder LOT Polish Airlines betrieben. Vom Flughafen in die Stadt, aber auch in der Stadt selbst kommt man am besten mit „Uber“ voran. Polen ist zwar ein Schengenstaat, aber nicht Teil der Eurozone. Auf einen Wechsel von Bargeld in Zloty kann jedoch verzichtet werden, denn bargeld- und kontaktlose Zahlung ist fast überall möglich.

Touristeninfo Warschau