Ein in jüngerer Vergangenheit oft strapazierter Begriff verbindet die drei Personen, die heuer mit dem seit 1999 bestehenden Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet werden: toxische Männlichkeit. An ebendieser arbeitet sich nämlich nicht nur der trans* Förderpreisträger Kian Kaiser alias Der Kuseng im Rahmen seines Debüts „Hoamatland, Hoamatland“ zwischendurch ab – in dem es allerdings in erster Linie um Zugehörigkeit und Integration geht. Die Frage nach Männlichkeitsbildern steht auch im Zentrum des aktuellen Soloprogramms „Monster“ des mit dem Hauptpreis prämierten Berni Wagner. Und auch Antonia Stabinger, die für „Angenehm“ den Programmpreis erhält, macht sich auf ihre ganz eigene, höchst sympathische Weise lustig über Männer, die sich völlig zu Unrecht für die Krone der Schöpfung halten.
Nur das Kabarett Simpl, mutmaßlich Österreichs älteste noch existierende Kabarettbühne, die den Sonderpreis für große Verdienste um die sogenannte Kleinkunst bekommt, wollen wir lieber nicht mit toxischer Männlichkeit assoziieren. Auch wenn die Kellerbühne an der Wollzeile seit ihrer Gründung im Jahr 1912 die meiste Zeit unzweifelhaft männlich dominiert war – in 113 Jahren gab es lediglich drei weibliche Conférencières, in den ersten Jahrzehnten fungierten die „hübschen Damen“ im Ensemble in erster Linie als optischer Aufputz, und lange Zeit bekam die Erste Frau bestenfalls so viel Text zugestanden wie der Dritte oder der Vierte Mann. Aber man täte dieser heute von Michael Niavarani künstlerisch wie wirtschaftlich geführten Institution Unrecht, würde man sie auf diese Vergangenheit reduzieren – hat sie doch dutzende Kabarettlegenden hervorgebracht. Und die vorerst letzte Simpl-Conférencière, Claudia Rohnefeld, ist nun selbst zur Theaterleiterin aufgestiegen und wird ab Frühjahr 2026 das Gloria Theater des verstorbenen Gerald Pichowetz weiterführen.
Publikumsvoting für Fernseh- und Online-Preis
Der Kuseng, Berni Wagner, Antonia Stabinger und das Simpl also wurden von der Jury ausgewählt. Damit stehen aber längst nicht alle Preisträger*innen des heurigen Jahres fest. Denn nun ist das Publikum am Zug. Dieses kann nämlich von 11. bis 31. August auf der Website www.kabarettpreis.at über den Fernseh- und den Online-Preis abstimmen.
Alle sechs Preisträger*innen werden Preisgeld und Trophäen – die heuer ein neues Design haben – im Rahmen einer großen Gala am 24. November im Globe Wien überreicht bekommen. Dass dessen Hausherr Michael Niavarani heißt, ist reiner Zufall und hat bei der Jurysitzung überhaupt keine Rolle gespielt, soviel darf zweifelsfrei festgestellt werden. Wichtiger war der Jury „der unverwechselbare Mix aus politischer Satire, treffsicherem Humor und musikalischem Können“, wie es in der Begründung für den Sonderpreis heißt. „Das Ensemble versteht es heute wie damals, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen pointiert und zugleich unterhaltsam auf die Bühne zu bringen – stets mit einem feinen Gespür für den Zeitgeist und einer beeindruckenden Wandlungsfähigkeit.“
Der Kuseng wiederum hat die Jury mit seiner Zeitreise zurück in seine oberösterreichische Kindheit – zwischen Landgemeinde, Jugendkultur und iranischem Elternhaus – überzeugt. „Er formt daraus eine pointierte Reflexion über gesellschaftliche Normen, Zugehörigkeit, Identität – und über all das, was uns trotz Unterschieden verbindet. Nie belehrend, stets mit wachem Blick und auf Augenhöhe mit dem Publikum.“ Die Jury lobt sein „feines Gespür für Sprache, Lebenswelten und das richtige Timing“, mit dem er „persönliche Erfahrungen in universelle Erzählungen verwandelt“.
Er formt daraus eine pointierte Reflexion über gesellschaftliche Normen, Zugehörigkeit, Identität – und über all das, was uns trotz Unterschieden verbindet. Nie belehrend, stets mit wachem Blick und auf Augenhöhe mit dem Publikum.
Eine neue Generation
Mit Antonia Stabinger wiederum wird eine „scharfsinnige Beobachterin und absurd-witzige Botschafterin gesellschaftskritischer, heikler Themen“ ausgezeichnet, in der die Jury „eine zentrale Stimme einer österreichischen Kabarettist*innen-Generation“ sieht, für die Begriffe wie politische Unbestechlichkeit, Respekt, Gerechtigkeit und Menschlichkeit keine hohlen Schlagwörter sind, „sondern ein Wertgefüge, dem man mit urkomischer Leichtigkeit ein relevantes Gewicht zu verleihen vermag“.
Zu dieser Generation gehört auch Hauptpreisträger Berni Wagner, der bereits im Vorjahr als Teil des Trios GHÖST beim Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde und die Jury mit seiner „enormen Energie, starken Bühnenpräsenz und hohen Wuchteldichte“ überzeugt hat. Als gelernter Biologe hat er in seinen bisherigen Programmen einen gewissen Hang zu Natur und Nachhaltigkeit gezeigt – aber auch Nächstenliebe ist ihm ein wichtiges Anliegen. Und von seinem ersten Solo „Schwammerl“ (2013) bis zu seinem aktuellen Programm „Monster“ hat sich sein Männerbild gewandelt, stellt die Jury fest.
Bleibt die Frage, ob die Fachjury beim Gedanken daran, Michael Niavarani den Österreichischen Kabarettpreis zu überreichen, zumindest ein kleines bisschen nervös ist. Denn bei der Verleihung 2010, als er ihn gemeinsam mit seinem Spezi Viktor Gernot entgegennehmen durfte, ist er ihm runtergefallen und in zwei Teile zerbrochen. Das wurde prompt zum Anlass genommen, das Kleinod – damals gab es nur einen Preis für beide gemeinsam – brüderlich aufzuteilen. Ein Schelm, wer beim Gedanken an diese Anekdote die Köpfe im Simpl-Ensemble durchzählt . . .
Die Gewinner*innen des Österreichischen Kabarettpreises 2025 stehen fest – darunter Der Kuseng, Antonia Stabinger, Berni Wagner und das Kabarett Simpl. Thematisch dominieren Fragen nach Männlichkeitsbildern, gesellschaftlicher Zugehörigkeit und der Wandel einer neuen Kabarettgeneration.
Mehr über die Preisträger*innen des Österreichischen Kabarettpreises gibt es in den kommenden Tagen an dieser Stelle zu lesen.
Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!