Dreimal Preisträger beim Österreichischen Kabarettpreis binnen vier Jahren – damit ist Berni Wagner zwar nicht der Einzige, aber in so kurzem Zeitabstand hat es noch niemand sonst geschafft. Die Fachjury aus 13 Kulturjournalist*innen und zwei Bühnenleiter*innen würdigt mit dem Hauptpreis 2025 seinen „scharfen Blick auf die Ausstülpungen unserer Gesellschaft“ und lobt seine „enorme Energie, starke Bühnenpräsenz und hohe Wuchteldichte“, mit denen er sich an aktuellen Themen abarbeitet.
Die Bühne als Ventil
Vor allem die enorme Energie ist es, die in seinem aktuellen Programm „Monster“ besonders stark zu spüren ist. Und je wilder Berni Wagner auf der Bühne agiert, „desto ruhiger und erträglicher werde ich privat“, meint der Kabarettist schmunzelnd im Gespräch mit funk tank. „Da ist etwas, was aus mir raus muss. Mein Umfeld hat festgestellt, dass ich viel nerviger war, bevor ich dieses Ventil bekommen hab – alle paar Tage auf der Bühne zu stehen.“ Früher wollte er das Zentrum jeder Party sein, „jetzt steh ich in der Ecke und hör zu.“
Fünf Soloprogramme hat er bisher auf die Bühne gebracht, von denen „Galápagos“ im Jahr 2022 mit dem Programmpreis ausgezeichnet wurde. Nur zwei Jahre später folgte der zweite Programmpreis, diesmal für „GHÖST – Eine Halloweenshow“. Im Trio mit Sonja Pikart und Christoph Fritz wurden dabei Österreich und seine Bewohner*innen aufs Korn genommen.
Und jetzt eben der vorläufige Höhepunkt: der Hauptpreis für „Monster“. In der Jurybegründung ist nicht nur die Rede von der Dynamik, mit der Berni Wagner „seine Abende über Stand-up weit hinaus hebt“, sondern auch vom Männerbild des gelernten Biologen, das sich von „Schwammerl“ (seinem ersten Solo im Jahr 2013, das ihm gleich einmal den Grazer Kleinkunstvogel bescherte – damals noch ohne wilde Mähne) bis zu „Monster“ gewandelt hat. Zitat der Jury: „Ein von patriarchalen Strukturen und diffusen Ängsten toxisch genährtes Monster! Wie er mit dem Thema Männlichkeit umgeht, lässt einen schaudern, lachen und gelegentlich den Mund offenstehen. Wie es sich für ein gutes Kabarett gehört, verlässt man gut gelaunt das Theater, aber in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten fällt einem immer wieder etwas auf – und ein –, was dieser Berni Wagner offengelegt hat.“
„Die Arbeit ist bei weitem noch nicht getan“
Und was sagt der Künstler selbst? Nun, er sieht positive Entwicklungen, gleichzeitig aber auch Strömungen, die immer noch ein problematisches Männlichkeitsbild vermitteln. „Und die Boys werden damit alleine gelassen. Aber es bemühen sich mehr Männer, darauf zu achten, was problematische Verhaltensweisen sein können, was Frauen Angst macht oder sie in unangenehme Situationen bringt.“
Berni Wagner spricht von „extrem reflektierten jungen Burschen, die fähig sind zu emotionaler Regulation, Sanftheit und Zärtlichkeit“, und auch von älteren Männern, die dazulernen wollen. „Ich glaube, da ist schon sehr viel Interesse da. Aber die Arbeit ist bei weitem noch nicht getan.“ Um es kurz zu fassen: „Es ist kompliziert. Aber das ist vielleicht nicht so knackig als Antwort“, meint er schmunzelnd.
In „Monster“ jedenfalls spielt er von Beginn an mit Geschlechterklischees und ergeht sich in hochphilosophischen Betrachtungen, die rasch ins Absurde abgleiten – und doch enorm intelligent und tiefsinnig sind. Zum Beispiel die Frage: Was ist ein echter Mann? Eine letztgültige Antwort findet er nicht, aber auf dem Weg dorthin nimmt er viele Erkenntnisse und Wortspiele mit, wenn er sich über echte Männer lustig macht. Aber nicht nur über die. Berni Wagner spart auch sich selbst nicht aus und schwelgt in Selbstironie.

Da ist etwas, was aus mir raus muss. Mein Umfeld hat festgestellt, dass ich viel nerviger war, bevor ich dieses Ventil bekommen hab – alle paar Tage auf der Bühne zu stehen.
Lieber Weichei als Hodenkrebs
Es hat hohen Unterhaltungswert, wenn er sich im Geiste einen brutalen Fantasie-Infight mit dem Papst liefert (der – pazifistischer Jesuit hin oder her – jeden schlagen würde, der seine Mutter beleidigt), oder – ganz „Fight Club“-mäßig – eine Kampfsportschule besucht, wo das innere Monster befreit werden soll.
Neben manchen billigen Witzen gibt es auch die oben erwähnten wirklich guten Wuchteln, die eigentlich gar nicht lustig, sondern tief ernst sind: etwa, wenn Berni Wagner genüsslich das Schimpfwort-Repertoire echter Männer zerlegt und schlüssig erläutert, warum er lieber ein Schlappschwanz und Weichei ist, als an Priapismus oder Hodenkrebs zu leiden.
In seinem aktuellen Programm „Monster“ geht es aber nicht bloß um Männlichkeit – das Thema, das er damit eigentlich beleuchten wollte, war das Thema Gewalt. „Aber es hat sich schnell herausgestellt, dass man das nicht behandeln kann, ohne über Männer und Männlichkeit zu sprechen.“
Am Anfang der Entwicklung des Stücks stand ein realer Vorfall, den er auf der Bühne erzählt: Berni Wagner, der 1991 in Oberösterreich geboren wurde, aber seit 2010 in Wien lebt, wurde mitten in Linz auf offener Straße von jemandem ansatzlos in den Rücken getreten. Eine prägende Erfahrung, die ihn einerseits in einen Selbstverteidigungskurs und andererseits zum Schreiben des neuen Solos gebracht hat.
Die Boxhandschuhe benutzt er wirklich
Beides verbindet er in „Monster“, weil er die Boxhandschuhe und die Boxershorts, die er auf der Bühne anhat, tatsächlich auch privat benutzt. „Entsprechend verschwitzt sind sie schon.“
Dazu trägt er ein schwarzes Leoparden-Leibchen unter einem Seidenmantel, der ursprünglich ein Boxermantel war, aber von seiner Schwester umgenäht und mit perchtenhaftem Plüsch versehen wurde – insgesamt ein schrilles, skurriles Bühnen-Outfit, das gerade deshalb zu Berni Wagners Performance passt.
Dass er nicht unbedingt die klassische Boxerstatur hat, auch damit spielt er. Und erzählt im Gespräch mit funk tank die Anekdote, wie er den Mantel gekauft hat: „Die Dame an der Kassa hat mich von oben bis unten angeschaut und gesagt: ‚Viel Glück!‘“
Das braucht er nun auf der Bühne nicht. Da genügt sein Können – das er nun mit „Monster“ eben ein weiteres Mal unter Beweis stellt. Den Hauptpreis beim Österreichischen Kabarettpreis bekommt man schließlich nicht von ungefähr.
Berni Wagner wurde 1991 in Oberösterreich geboren. 2013 gewann er mit Auszügen aus seinem ersten Programm „Schwammerl“ den Grazer Kleinkunstvogel. Beim Österreichischen Kabarettpreis erhielt er zweimal den Programmpreis: 2022 für „Galápagos“ und 2024 für „GHÖST“. Im Februar 2025 hatte sein fünftes Solo „Monster“ im Wiener Stadtsaal Premiere, mit dem er nun auf seine bisher größte Tournee geht.
Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:
- Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
- Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
- Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
- Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
- Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
- Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.
Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft bis 13. September (Frist verlängert!) auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.
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