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Von Recycling bis Kreislaufwirtschaft: Österreichs Start-ups treiben den Wandel voran

Marillenkerne, Schilf & abrissreife Häuser – was haben die gemeinsam? Sie alle bekommen dank innovativer Ideen ein zweites Leben. Während die Welt nach neuen Ressourcen sucht, setzen viele österreichische Start-ups nämlich auf eine smartere Lösung: Bestehende Materialien einfach besser nutzen.
Moodbild Von Recycling bis Kreislaufwirtschaft – Smarte Lösungen bei Österreichischen Start-ups
© Ian Schneider/Unsplash

Wenn wir derzeit an ein globales Populationswachstum denken und wir bereits jetzt zu viel Land- und CO₂-Emissionen benötigen, als der Planet verträgt, kann es nicht der richtige Weg sein, noch mehr Rohstoffe auf neuer Fläche anzubauen.

Kreislaufwirtschaft, Recycling und nachwachsende Rohstoffe – diese Konzepte sind entscheidend für unsere Zukunft. Zahlreiche Ideen zeigen bereits, wie sie zu einer nachhaltigeren Welt beitragen könnten. Doch manche Unternehmen sind schon einige Schritte weiter: Sie setzen ihre Visionen bereits erfolgreich in die Praxis um und beweisen, dass selbst traditionelle Branchen neu gedacht werden können. Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass Lärmschutzwände auch als Insektenhotels dienen können? Aber lassen wir Österreichs innovativste Start-ups selbst erzählen, wie sie Nachhaltigkeit neu definieren.

Vom Marillenkern zum Superfood

Das Unternehmen Kern Tec beweist, dass selbst unscheinbare Nebenprodukte wahre Schätze sein können. Das Start-up verwandelt nämlich Kerne und Kernschalen von Obst wie Marillen und Pflaumen, die in der Saft- und Marmeladenproduktion als Abfall gelten, in hochwertige Produkte. Unter anderem sind das Snacks, Süßwaren, Peelings, Körperöle oder auch Mulch und Kies für die Garten- und Parkplanung. Sogar Milchalternativen lassen sich aus den ungewollten Kernen machen. „Der Marillenkern ist ein wertvolles Gut, mit hochwertigen und gesunden Ölen, einem hohen Anteil an Protein sowie Ballaststoffen und Vitaminen“, sagt Gründer Michael Beitl. „Deshalb können wir daraus Milchalternativen, wie zum Beispiel den Wunderkern-Kakao-Drink, Snacks, Nussmuse und Öle für Lebensmittel und Kosmetikprodukte gewinnen.“ Das ist gleich mehrfach sinnvoll, denn: Kerne sind ein Rohstoff, der in der Landwirtschaft nicht angebaut werden muss, deswegen entfällt dort auch der Wasser-, CO₂- und Landverbrauch. „Wenn wir derzeit an ein globales Populationswachstum denken und wir bereits jetzt zu viel Land- und CO₂-Emissionen benötigen, als der Planet verträgt, kann es nicht der richtige Weg sein, noch mehr Rohstoffe auf neuer Fläche anzubauen“, so Beitl. Der bessere Weg ist also, vorhandene Rohstoffe, die bislang ungenutzt blieben, zu Lebensmitteln zu verwerten. Ein echtes Paradebeispiel für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft.

Die Lärmschutzwand als Insektenhotel

Potenzial, um unsere Umwelt nicht unnötig zu belasten, steckt oft in ganz alltäglichen, wenn auch leicht übersehbaren Dingen. Lärmschutz beispielsweise ist wichtig für das Wohlbefinden der Menschen, die neben viel befahrenen Straßen wohnen – doch herkömmliche Lärmschutzwände verursachen hohe CO₂-Emissionen, giftige Abwässer und viel Sondermüll am Ende ihrer Lebenszeit. Hier setzt das Start-up REEDuce an: Die weltweit erste ökologische Lärmschutztechnologie nutzt Schilf aus dem Burgenland, Lehm und Thermoholz aus heimischen Quellen. „Die Idee zu dieser Technologie hatte man eigentlich schon vor ca. 20 Jahren durch ein EU-Forschungsprojekt“, erzählt Gründerin Birgit van Duyvenbode. „Seitdem gibt es auch eine Langzeitstudie, die sich bis heute sehr gut bewährt hat. Als ich vor ein paar Jahren durch Zufall davon erfuhr und das große Potenzial erkannte, die Welt ein Stück besser und nachhaltiger zu machen, hat mich das sehr motiviert.“ Die Vorteile sind enorm, wie van Duyvenbode erläutert: „Unsere Lärmschutzwände haben die fantastische Eigenschaft, CO₂ zu absorbieren, sind kreislauffähig und dienen gleichzeitig als Insektenhotel, was die Biodiversität fördert.“ Und neben dem nachhaltigen Aspekt hilft das Konzept auch noch, das Überwuchern von Schilf am Neusiedler See zu regulieren und so das Risiko von Bränden zu minimieren.

Sonja Zumpfe von BauKarussell
Sonja Zumpfe von BauKarussell © Daniel Hinterramskogler

Rückbau statt Abriss

Ist ein Haus recycelbar? Eine Frage, die man sich wohl selten stellt. Immerhin denkt man beim Hausbau nicht unbedingt daran, es irgendwann wieder abzureißen. Die Datenlage zeigt aber, dass es sinnvoll wäre, wenn Elemente eines Hauses wiederverwertbar wären: Allein in der Stadt Wien schätzt die Baupolizei MA 37, dass jährlich etwa 300 bis 400 Gebäude abgerissen werden, wobei die Dunkelziffer recht hoch sein dürfte. In alten Gebäuden steckt nämlich weit mehr als nur Bauschutt, sagt das österreichische Unternehmen BauKarussell. Das Team rund um Sonja Zumpfe hat sich auf den kreislauforientierten Rückbau spezialisiert, um verbaute Ressourcen bestmöglich weiterzunutzen. Geschäftsführerin Zumpfe erklärt das Konzept so: „Wir unterstützen Bauherr*innen und Planer*innen, um vorhandene Materialien eines alten Gebäudes sichtbar zu machen und in eine zweite Nutzung zu bringen.“ Statt Gebäude einfach abzureißen, werden Schadstoffe entfernt, Wertstoffe getrennt und Bauelemente sinnvoll weiterverwendet. „Ein Blick auf den Bausektor zeigt: Die Reserven nicht regenerativer Primärrohstoffe sind erschöpft und können den wachsenden Bedarf nicht auf Dauer decken. Auch das Nachwachsen von regenerativen Ressourcen braucht Zeit und sollte auf ein ökologisch verträgliches Maß reduziert werden. Gerade der Bausektor bietet dabei einen großen Hebel, immerhin ist er einer der größten Energie- und Ressourcenschlucker und produziert gleichzeitig über 75 % des heimischen Abfalls. Abfall, der keiner sein muss, wenn man ihn durchleuchtet und je nach Wiederverwendungsgrad weiter nützt“, so Sonja Zumpfe. Das Ergebnis ihres Einsatzes: Weniger Abfall, weniger Bedarf an neuen Rohstoffen und gleichzeitig neue Arbeitsplätze in der Kreislaufwirtschaft. Bislang hat BauKarussell 1.808 Tonnen Baumaterial bearbeitet, wovon 768 Tonnen direkt wiederverwendet wurden. Die beste Wiederverwendungsquote eines Projekts lag bisher bei 60 % – eine Zahl, die noch weiter steigen soll.

Grüne Abkühlung für heiße Städte

Grüne Dächer sehen nicht nur cool aus, sie entpuppen sich auch als echte Klimaheros. Im Sommer sind begrünte Dächer beispielsweise bis zu 70 % kühler als unbegrünte, reduzieren die Umgebungslautstärke um etwa 20 Dezibel und speichern pro Quadratmeter bis zu 30 Liter Wasser. Der Haken daran: Sie sind kompliziert anzubringen und nicht einfach zu warten. Das Wiener Unternehmen Plantika entwickelte dagegen modulare Gründach-Systeme, die auf nahezu jedem Dach angebracht werden können – egal ob Blech- oder Ziegeldach, Neubau oder Altbau. Das soll der Zahl der begrünten Dächer in Städten hoffentlich einen Wachstumsschub bescheren. Der Nutzen ist enorm: CO₂ wird gebunden, Feinstaub gefiltert und, wie schon erwähnt, städtische Hitzeinseln reduziert und damit den Stromverbrauch durch Klimaanlagen senken. Gleichzeitig wird das Dach vor extremen Wetterereignissen geschützt. „Durch ihre Fähigkeit, große Mengen Regenwasser zu speichern, entlasten begrünte Dächer zudem das Abwassersystem und sparen Abwassergebühren“, heißt es auch noch seitens des Unternehmens Plantika. Eine grüne Lösung also, die Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen nützt.

Plantika
© Plantika

Wo Fische fröhlich wandern

Auch in der Wasserkraft tut sich was in Sachen Kreislaufwirtschaft. Als überraschende Helfer hierbei fungieren Fische: Das österreichische Unternehmen Fishcon hat eine innovative Fischwanderhilfe entwickelt, die es den Tieren ermöglicht, Wasserkraftwerke sicher zu passieren. Während herkömmliche Fischtreppen nämlich oft ineffizient für die Tiere oder schwer zu warten für die Menschen sind, setzt Fishcon auf ein patentiertes Schleusensystem, das Fischen eine natürliche und sichere Aufwärts- und Abwärtsbewegung ermöglicht. Dabei handelt es sich um eine Schleuse, die sich automatisch an den Wasserstand anpasst und somit den Durchgang erleichtert. Diese Technologie sorgt nicht nur für eine bessere ökologische Durchgängigkeit der Flüsse, sondern auch für eine effizientere Energiegewinnung durch Wasserkraftwerke. Denn solche Schleusen stören nicht selten den natürlichen Flusslauf. Das System wurde so entwickelt, dass es wenig Wartung erfordert und sich in bestehende Anlagen integrieren lässt. Damit trägt das Unternehmen aus Linz aktiv zur Erhaltung der Biodiversität und gleichzeitig zur Nutzung erneuerbarer Energie bei. Klar, dass sich Geschäftsführer Bernhard Mayrhofer stolz zeigt: „Wir beweisen, dass sich ökologischer Gewässerschutz und Wasserkraftnutzung auf nachhaltige Weise vereinen lassen!“

Fishcon
© Fishcon

Diese heimischen Start-ups denken Klimaschutz neu:

Kern Tec: Verwandelt Obstkerne aus der Lebensmittelproduktion in nachhaltige Snacks, Öle und Milchalternativen. Kern Tec

REEDuce: Entwickelt ökologische Lärmschutzwände aus Schilf, die CO₂ binden, Lärm reduzieren und als Insektenhotel dienen. REEDuce

BauKarussell: Setzt auf kreislauforientierten Rückbau, um Baumaterialien wiederzuverwenden und Abfall im Bausektor drastisch zu reduzieren. BauKarussell

Plantika: Bietet modulare Gründach-Systeme an, die Städte kühlen, CO₂ binden und Regenwasser speichern – einfach installiert und pflegeleicht. Plantika

Fishcon: Entwickelt innovative Fischwanderhilfen, die Wasserkraftwerke durchlässiger machen und zur Erhaltung der Biodiversität beitragen. Fishcon

Redakteurin Jenni Koutni
Jenni Koutni
sieht sich als Sprachrohr für jene, die etwas Gutes bewirken wollen und darf dabei ihre Leidenschaft fürs Schreiben ausleben.

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