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Von Flohmärkten zu Sotheby’s: Kunsthandel Pichler

Die Sonnenstrahlen brechen sich in der antiken Glasvitrine direkt beim Eingang vom Kunsthandel Pichler und reflektieren in schönen Vintage-Kristallgläsern. Der Familienbetrieb im 3. Wiener Gemeindebezirk bietet einzigartige Flohmarktfundstücke, nützliche Gebrauchsgegenstände aus vergangenen Jahren und wertvollen Schmuck. Wir haben mit der Besitzerin Verena Barth über Vintage-Trends, wahre Schätze und ihr Familienbusiness gesprochen …
Verena Barth vom Kunsthandel Pichler in Wien
© Kunsthandel Pichler

Der Familienladen in zweiter Generation ist ein Sammelsurium handverlesener, kuratierter Stücke, die allesamt und einzeln für sich eine Geschichte erzählen. Inmitten sitzt Verena Barth, die das Familiengeschäft 2023 von ihrer Mutter übernommen hat. „Der Kunsthandel Pichler ist mehr als ein Geschäft – er ist eine Ode an die Schönheit vergangener Zeiten, verknüpft mit einem modernen Sinn für Stil und Nachhaltigkeit.“ So beginnt unser Gespräch, in dem die geschäftstüchtige Vintage-Expertin mir einen Einblick in die Welt der Antiquitäten, die besondere Dynamik zwischen Mutter und Tochter und die Freude am Sammeln und Restaurieren gibt.

funk tank: Wie hat alles begonnen und welche Entwicklung hat das Geschäft seitdem durchlaufen?

Verena Barth: Die Gründung geht auf meine Mutter Eva zurück, die 1992 nach ihrer Zeit als Stewardess ihren Traum verwirklichte und in den ehemaligen Räumlichkeiten einer Wäscherei unseren Kunsthandel hier in der Marokkanergasse eröffnete. Ihre Vision war es, ihre Leidenschaft für Kunst zum Beruf zu machen. Was als reines Möbel- und Interieurgeschäft begann, entwickelte sich durch ihr persönliches Interesse weiter und schloss schließlich auch Echtschmuck sowie Modeschmuck aus den Bereichen Vintage und Antiquitäten mit ein.

Wie haben sich die Vorlieben und Ansprüche der Kund*innen im Laufe der Zeit verändert?

Anfangs standen vor allem Möbel im Fokus. Es gab sogar einen eigenen Restaurator und Tapezierer. Heute kann man beobachten, dass andere Stilrichtungen gefragt sind als damals. Zum Beispiel verkaufte meine Mutter viele Biedermeiermöbel, die wir heutzutage kaum noch im Geschäft anbieten. Früher war es auch üblich, dass die Kund*innen ihre Möbel restaurieren oder neu tapezieren ließen. Heute sind viele nicht mehr bereit, in eine aufwändige Restauration zu investieren und stellen ihre Möbel nicht mehr „auf Hochglanz“ in die Wohnung.

Was hat es mit der Entwicklung des Schmuckangebots auf sich?

Im Laufe der Zeit nahm der Schmuck immer mehr Raum im Sortiment ein und ist mittlerweile fast der größte Bestandteil unseres Angebots. Neben Modeschmuck haben wir auch den Bereich Echtschmuck erweitert. Bevor ich 2016 für fünf Jahre ins Ausland ging, arbeitete ich bereits bei meiner Mutter und machte eine Ausbildung zur Gemmologin. In dieser Zeit vertiefte ich mein Wissen über signierten Vintage-Modeschmuck, ein absolutes Lieblingsthema von mir. Während meines Aufenthalts in der Schweiz konnte ich mit antikem und Vintage-Echtschmuck arbeiten und mein Wissen über Diamanten erweitern. Diese Erfahrungen bringe ich jetzt in das Geschäft ein.

Kunsthandel Pichler
© Kunsthandel Pichler
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Mutter und Tochter in einem so kreativen Umfeld?

Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter, was die beste Grundlage für eine Zusammenarbeit ist. Wir haben uns schon immer gut verstanden, auch wenn wir gelegentlich unterschiedlicher Meinung sind. Besonders wichtig war, dass Eva bei der Geschäftsübergabe 2023 offen für Neues war, wie Social Media und den Onlineshop. Natürlich fiel es ihr nach drei Jahrzehnten nicht immer leicht, loszulassen. Ein Beispiel ist das Umstellen des Schreibtisches, der immer an derselben Stelle stand und nach etwa 30 Anläufen schließlich umgestellt wurde. Ich konnte das gut nachvollziehen, und letztendlich haben wir es geschafft.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Stücke für euer Sortiment aus?

Bei uns gibt es keine bestimmte Stilrichtung oder Epoche, die wir bevorzugt verkaufen. Wir wählen Stücke aus, die uns gefallen und die wir uns selbst in unser Zuhause stellen oder tragen würden. Oft geben wir uns gegenseitig Tipps, was dem anderen gefallen könnte. Zudem gehen wir auch auf spezielle Kund*innenanfragen nach bestimmten Schmuckstücken, Interieur oder Accessoires ein.

Woher bezieht ihr eure Sachen?

Der Großteil unserer Dinge stammt aus Wohnungsauflösungen oder von Kund*innen, die uns ihre Stücke direkt anbieten. Diese Angebote erfolgen meist per E-Mail, WhatsApp oder Telefon. Bei größeren Auflösungen kommen wir auch persönlich vorbei. Zudem besuchen wir regelmäßig Flohmärkte im In- und Ausland. Nahezu jede Reise ist mit einem Flohmarktbesuch verbunden. Das sorgt dafür, dass unser Sortiment bunt und abwechslungsreich bleibt.

Wie wichtig sind euch die Restaurierung und Pflege der Stücke, die ihr verkauft?

Jedes neue Stück wird gründlich gereinigt, gepflegt, kontrolliert und bestimmt. Verschiedene Materialien erfordern unterschiedliche Pflege. Bei Reparaturen haben wir nicht nur umfangreiches Wissen und ein großes Netzwerk an Partner*innen, sondern auch die ganze Familie hilft immer wieder mit.

Wie lässt sich die Geschichte bzw. Herkunft eines Stückes eruieren?

Der Stil, das Material und das äußere Erscheinungsbild spielen dabei eine entscheidende Rolle. Besonders hilfreich sind Punzierungen, Marken oder Stempel, die sich vor allem im Schmuckbereich oder bei Edelmetallen finden. Diese erlauben es, Herkunft und Alter des Stücks genau zu bestimmen. Hierfür haben wir eine umfassende Bibliothek zur Hand.

Eva Pichler und Verena Barth vom Kunsthandel Pichler
Eva Pichler und Verena Barth © Kunsthandel Pichler

Meine Mutter hat mir gezeigt, dass Kunsthandel mehr als ein Beruf ist – es ist eine Lebensphilosophie.

Oft entwickelt man eine emotionale Verbindung zu den einzelnen Stücken. Wie trefft ihr die Entscheidung, ob ein Objekt verkauft wird oder ob es in euer privates Sortiment fließt?

Da wir begeisterte Sammlerinnen sind, müssen wir uns manchmal zurückhalten, um nicht alles selbst zu behalten. Oft lege ich mir ein Stück für ein bis zwei Tage zur Seite und schlafe darüber, um zu entscheiden, ob ich es wirklich brauche. Wenn es dann doch in den Verkauf geht, freue ich mich, wenn es jemandem gefällt, der es zu schätzen weiß. Wichtig ist, sich daran zu erinnern, dass es ein Geschäft ist und die Stücke verkauft werden sollen – sonst ist man am Ende seine eigene beste Kundin!

Was war das aufregendste Stück, das ihr jemals verkauft oder erworben habt?

Ein besonders aufregendes Stück, an das wir uns erinnern, ist ein Panther aus Bronze, den meine Mutter vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt entdeckte. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein dekoratives Objekt, aber sie spürte, dass mehr dahintersteckte. Erst zu Hause, beim genaueren Betrachten, fiel ihr die feine Punzierung auf, die den Panther als Werk eines namhaften Künstlers auswies. Die Überraschung und Freude waren groß, und nach weiterer Recherche entschieden wir, das Stück bei Sotheby’s in London versteigern zu lassen. Es war ein unvergesslicher Moment, der uns zeigte, dass wahre Schätze manchmal im Verborgenen liegen.

Welche Trends im Bereich Vintage und Antiquitäten beobachtet ihr?

Die Objekte haben bereits viele Jahre überdauert, befinden sich oft in ausgezeichnetem Zustand und sind – abgesehen vom Nichtkonsum – die beste Alternative. Früher wurde vieles in höherer Qualität gefertigt, und es war üblich, sorgfältig auf die Dinge zu achten. Diese hochwertige Herstellung wirkt sich positiv auf die Langlebigkeit der heutigen Vintage- und Antiquitätenstücke aus und ist ein Gewinn für Käufer*innen. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass diese Stücke bereits existieren und nicht neu produziert werden müssen, was nachhaltig ist. Zudem kehren viele Trends immer wieder, sodass man im Vintage- und Antiquitätenbereich oft moderne Akzente findet.

Wie kann ich als Laie erkennen, ob es sich um ein „gutes“ Secondhand-Stück handelt?

Besonders wichtig ist die Verarbeitung und die Materialien. Hochwertige Materialien wie echtes Leder oder Massivholz deuten auf Qualität hin. Auch kleine Details wie saubere Nähte oder solide Verschlüsse sprechen für Langlebigkeit. Im Schmuckbereich sollte man auf Stempel oder Punzierungen achten, die Aufschluss über das Material und die Herkunft geben. Die Patina eines Stücks erzählt ebenfalls eine Geschichte – sie zeigt, dass das Objekt gelebt hat und die Zeit gut überdauert hat.

Hochwertige Verarbeitung und kleine Details verraten oft mehr über die Geschichte eines Objekts, als man denkt.

Was sind häufige Fehler, die Käufer*innen beim Einkauf von Secondhand-Objekten machen?

Ein häufiger Fehler ist es, sich zu sehr auf Perfektion zu versteifen. Kleine Gebrauchsspuren sind normal und verleihen einem Stück Charakter. Es ist wichtig, nicht nur auf den Preis zu achten und dabei die Qualität zu übersehen. Viele Käufer*innen neigen dazu, Dinge zu kaufen, die sie letztlich nicht nutzen werden. Frage dich, ob das Stück zu deinem Stil passt und im Alltag verwendet wird. Ein bewusster Kauf sorgt dafür, dass du lange Freude an deinem Vintage-Stück hast.

Was sind eure Pläne für die Zukunft des Geschäfts?

Seit meiner Übernahme konnte ich bereits viele Meilensteine erreichen. Dazu gehören der Aufbau eines Onlineshops und verschiedene Kooperationen, wie das Kunstprojekt Wand.Solo, das ich gemeinsam mit der Kuratorin Barbara Steininger leite. Wir haben dieses Jahr auch einige Events mit Kooperationspartner*innen veranstaltet. Ein weiterer Schwerpunkt war die Weiterentwicklung unserer Social-Media-Kanäle, um das Geschäft und die Produkte vorzustellen. Ich zeige auch gerne, wie ich Vintage- und Antikstücke in meinen Alltag integriere – sei es durch Outfit-Ideen oder Einrichtungstipps. In Zukunft möchte ich meiner Community noch mehr Input geben, wie sie Vintage-Stücke in ihr Leben einbauen können, und mehr Hintergrundwissen vermitteln. Weitere Kollaborationen und Events, insbesondere mit Frauen, stehen ebenfalls auf dem Plan. Ein spannendes Projekt mit meinem Mann, das meine Leidenschaft für besondere Stücke mit einer kreativen Einrichtung in einem neuen Kontext außerhalb Österreichs am Meer verbindet, ist ebenfalls in Arbeit. Mehr Details dazu werden bald verraten, aber es wird einen besonderen Touch vom Kunsthandel Pichler haben.

Kunsthandel Pichler
© Kunsthandel Pichler

Verena Barth vom Kunsthandel Pichler ist ausgebildete Gemmologin und verfügt über umfassendes Fachwissen zu Edel- und Schmucksteinen. In der Schweiz sammelte sie wertvolle Erfahrungen, indem sie für einen Antiquitätenhändler mit Schwerpunkt auf antiken Schmuck tätig war. Seit 32 Jahren ist der Familienbetrieb Kunsthandel Pichler im 3. Bezirk in Wien ein beliebter Treffpunkt für Vintage- und Antiquitätenliebhaber*innen, die nach einzigartigen Stücken aus vergangenen Zeiten suchen. Mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und der Wertschätzung des Wiederverwendens bietet das Geschäft eine charmante Alternative zum Massenkonsum.

Kunsthandel Pichler

Portraitfoto Mio Paternoss
Mio Paternoss
Mio Paternoss arbeitet seit 2011 als Journalist und Stylist in Wien. Mode und Diversität liegen ihm besonders am Herzen.

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