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„In jedem Song steckt meine ganze Liebe“

Julia Kautz traf als Chefreporterin der Jugendzeitschrift „Bravo“ die größten Popstars der Welt. Bis ihr ein wiederkehrender Albtraum die Augen öffnete und sie sich auf ihre wahre Bestimmung konzentrierte. Jetzt zählt die Niederösterreicherin zu den gefragtesten Songwriterinnen in Deutschland und Österreich.
Songwriterin und Sängerin Julia Kautz
© Sebastian Back

Was haben Popstars wie Wincent Weiss, Tina Naderer, Max Mutzke, Ina Regen, Luca Hänni, Gregor Hägele, Vanessa Mai, Cassandra Steen und Thorsteinn Einarsson gemeinsam? Sie vertrauen auf Songs aus der Feder von Julia Kautz, die das Musikbusiness wie kaum eine Zweite kennt. Denn die gebürtige Wienerin interviewte jahrelang die größten Stars der Welt: „Die Karriere als Journalistin ist mir irgendwie passiert – und ich habe es geliebt! Und doch hat mich diese Karriere letztendlich unglücklich gemacht.“ So riskierte sie mit Anfang 30 alles und kündigte ihren gut bezahlten und höchst spannenden Job beim Jugendmagazin „Bravo“: „Ich wusste, dass ich mich nicht mit meinem Plan B zufriedengeben durfte!“

Erste Lieder mit vier Jahren

Julia Kautz, Jahrgang 1981, hat ihre Liebe zur Musik schon sehr früh entdeckt. Nein, mehr noch: „Ich habe meine Bestimmung gefunden“, sagt Julia Kautz: „Schon als Vierjährige habe ich Lieder über Themen zu schreiben begonnen, die mir wichtig waren – zum Beispiel über meine Katze. Der erste Song, den ich aufgenommen habe, heißt ‚Mein schöner bunter Luftballon‘ – irgendwo am Dachboden meiner Eltern müsste diese Kassette sogar noch liegen.“

Von einer Karriere als Sängerin habe sie damals aber noch nicht geträumt, gesteht Julia Kautz: „Ich bin am Land, in Maiersdorf, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Wiener Neustadt, aufgewachsen. Ich hatte lange Zeit gar keine Ahnung, dass Musikerin überhaupt ein Beruf sein kann. Aber es war mir schon sehr früh ein Bedürfnis, Geschichten mithilfe der Musik zu erzählen und die Menschen in meinem Umfeld zu unterhalten.“

Parallel zur Ausbildung in einem Wiener Neustädter Gymnasium mit Musikschwerpunkt („inklusive Kompositionslehre und tausend Chören“) sang und spielte sie in ganz unterschiedlichen Bands. „Die erste, mit 11 Jahren, hieß Shark Attack und war eine Nirvana-Coverband. Danach war ich in einer Punk-Band, einer Metal-Band, einer Jazz-Band und einer Reggae-Band. Das Genre selbst war nicht so wichtig. Entscheidend war, dass ich Musik machen konnte.“

Servus Rihanna, Hallo Beyoncé

Doch nach der Matura eröffnete sich ein etwas anderer Karriereweg: „In den Journalismus bin ich zufällig hineingerutscht. Meine Schwester Verena hat bei den ‚Niederösterreichischen Nachrichten‘ gearbeitet. Deshalb habe ich dort auch angefangen und durfte kleine Geschichten über lokale Schulbands schreiben.“ Über das (mittlerweile eingestellte) Jugend- und Musikmagazin Rennbahn Express und das Nachrichtenmagazin News führte sie ihr Weg binnen weniger Monate von Wien nach München – mitten hinein in die große Pop-Welt.

„Ich war Anfang 20 und bin für ‚Bravo‘, das damals größte Jugendmagazin Europas, Woche für Woche zu Interviews mit den heißesten Superstars gejettet“, erinnert sich Julia Kautz. Sie traf Beyoncé und Rihanna, Justin Bieber und Bruno Mars, One Direction und Tokio Hotel (und alle anderen namhaften Popstars des 21. Jahrhunderts): „Ich habe 80 Stunden pro Woche gearbeitet und hatte praktisch kein Privatleben mehr. Dennoch war ich nachts noch oft im Studio, um nebenbei eigene Lieder zu schreiben …“

Haarscharf am Leben vorbei

Irgendwann, erinnert sich Julia Kautz, kam dieser Albtraum – der sich in folgenden Monaten nicht nur wiederholte, sondern jedes Mal intensiver wurde: „Ich habe mich als alte Frau am Sterbebett gesehen, die in den Spiegel blickt und mein junges Ich erkennt. Und diese alte Frau hat es so krass bereut, dass ich nicht mutig genug war, meine ganze Kraft und Energie in die eigene Musik zu investieren.“

Der mentale Zusammenbruch kam nach einem Treffen mit Lady Gaga in Berlin: „Es war ein tolles Interview, aber am Rückflug habe ich einen Heulkrampf bekommen: ‚Fuck!‘, habe ich mir gedacht, ‚ich lebe haarscharf an meinem echten Leben vorbei.‘“ Daran konnte selbst ihre eigene Prominenz nichts ändern: „Ich hatte als Journalistin auch eine Karriere. Ich war Chefreporterin, mein Bild war tausendmal im Magazin abgedruckt, ich habe ‚Bravo‘-Web-TV im Internet moderiert und bin auf der Straße angesprochen und um Autogramme gebeten worden.“

Lady Gaga und Julia Kautz
Lady Gaga und Julia Kautz © Julia Kautz

300 Sessions pro Jahr

Aber eben aus den falschen Gründen. „Das Absurde damals war: Ich war beruflich umgeben von Superstars, von Menschen, die mit ihrer Musik unglaublich erfolgreich waren – und damit quasi meinen Traum gelebt haben.“ Dennoch hadert Julia Kautz, die nach ihrem ‚Bravo‘-Abschied weiterhin in München lebt, heute nicht mit den Entscheidungen, die sie als junge Frau getroffen hat: „Ich wollte ursprünglich maximal zwei Jahre als Journalistin arbeiten, daraus sind aber mehr als acht Jahre geworden. Mittlerweile habe ich verstanden, dass ich meine Zeit nicht verschwendet habe. Im Gegenteil: Ich habe sehr viel gelernt und profitiere heute von meinen Erfahrungen.“

Und zwar auf mehreren Ebenen. Denn einerseits wendet sich Popmusik ja oftmals an eine sehr junge Zielgruppe, „und ich habe mich als Reporterin ganz intensiv in die Seelen und Gefühlswelten von Teenagern hineinversetzt.“ Zum anderen hatte sie bei vielen ihrer Interviews nur sehr wenig Zeit, mit ihrem Gegenüber ins Gespräch zu kommen: „All diese Superstars sind extrem verplant. Du bekommst selten mehr als zehn, 15 Minuten für ein Interview. Ich musste also nicht nur die richtigen Fragen stellen, sondern musste auch rasch eine vertrauensvolle Gesprächsbasis aufbauen.“

Und diese Skills, sagt Julia Kautz, sind in ihrem Job als Songwriterin heute mindestens so wichtig wie als Interviewerin der Superstars: „Ich hatte in den vergangenen beiden Jahren jeweils gut 300 Songwriting-Sessions mit ganz unterschiedlichen Musikerinnen und Musikern.“ Und am Beginn einer Session steht immer ein möglichst offenes, tiefgehendes Gespräch: „So können wir herausfinden, was für die Künstlerin oder den Künstler jetzt gerade wichtig ist. Und so können wir ihr oder ihm einen Song auf den Leib schneidern, der sich einfach richtig anfühlt.“

Ein guter Song muss authentisch sein, er benötigt eine Essenz. Und er muss mich berühren, egal, ob er mich zu Tränen rührt oder vor Freude tanzen lässt.

Aufregung um Lucas Fendrich

Was einen guten Song ausmacht, lässt sich wohl kaum allgemeingültig definieren. „Aber ich bin eine große Verfechterin von Emotionen. Von echten Emotionen. Und deshalb sind mir meine ‚Psychotalks‘ zu Beginn der Session so wichtig. Ich weiß nicht, wie viele tausend neue Songs jede Woche auf Spotify veröffentlicht werden – da braucht doch niemand mehr irgendwelches oberflächliches Larifari“, sagt Julia Kautz. Im Gegenteil: „Ein guter Song muss authentisch sein, er benötigt eine Essenz. Und er muss mich berühren, egal, ob er mich zu Tränen rührt oder vor Freude tanzen lässt.“

Ein aktuelles Beispiel für einen dieser authentischen, berührenden Songs ist Lucas Fendrichs „Feuer über Wien“, den Julia Kautz gemeinsam mit Lukas Hillebrand (der – unter anderem – als Co-Komponist und Produzent für mehrere Hits von Julian LePlay verantwortlich ist) und dem Sänger selbst komponiert hat. „Wir haben diese Nummer vergangenen Winter zwischen Weihnachten und Neujahr unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine, der Auseinandersetzung in Israel und des Klimawandels geschrieben. Wir haben viel über unsere Ängste angesichts all dieser Katastrophen gesprochen. Daraus hat sich die Frage ergeben, wie denn die morbide Wiener Seele mit dem Weltuntergang umgehen würde. Mit dem Ergebnis bin ich hundertprozentig zufrieden, der Song hat sehr viel Tiefgang und gleichzeitig sehr viel Schmäh.“

Dass der Song und das dazugehörige Video eine umfangreiche Diskussion auf Facebook auslöste, amüsiert Julia Kautz: „Lucas wollte eigentlich nie auf Deutsch singen, weil er dann klingt wie sein Vater (Anm.: Austropop-Superstar Reinhard Fendrich). Aber er hat sich dann doch drauf eingelassen.“ Dass die Nummer musikalisch an Fendrich senior ebenso erinnert wie an Falco, Wanda und Bilderbuch, sei natürlich pure Absicht: „Wir haben ‚Feuer über Wien‘ bewusst ironisch auf die Spitze getrieben und deshalb sogar Anleihen beim Wiener Lied und beim Walzer genommen.“

Keine „Quotenfrau“!

Julia Kautz hat eine Gesangsausbildung und spielt Gitarre, Klavier, Ukulele „und im Fendrich-Video sogar Geige – allerdings wirklich nur vor der Kamera“. Sie hat sich ihren Traum erfüllt und kann von der Musik leben: Sie hat einen Vertrag bei einem Musikverlag, dazu kommen regelmäßig Tantiemen, wenn von ihr geschriebene Songs im Radio oder bei Live-Konzerten gespielt werden: „Aber Plays bei Spotify und anderen Streaming-Plattformen kannst du vergessen, da bekommst du für einen Hit vielleicht 20 Euro.“

Einfach war es aber gerade am Anfang nicht, erinnert sich Julia Kautz: „Ich war Anfang 30, und hatte als Journalistin nie das Gefühl gehabt, als Frau im Business benachteiligt zu sein. Ich war Chefreporterin, habe eine krasse Karriere gemacht und sogar mehr verdient als meine männlichen Kollegen.“ Als Sängerin musste sie aber erkennen, dass die Musikbranche sehr wohl männerdominiert ist: „Ich habe mich sehr oft falsch behandelt gefühlt.“

Es beginnt mit Sätzen wie „Schade, dass du keine 21 mehr bist“ und Einladungen als einzige Frau, „als Quotenfrau“, zu Veranstaltungen. „Ich kann mich nicht beschweren, denn viele der Songs, die ich geschrieben habe, laufen gut im Radio. Aber ich habe auf meine eigenen Nummern nicht nur einmal das Feedback bekommen: ‚Frauenstimmen nerven im Radio, sie erinnern uns an unsere Mutter, die uns früher zu Hausaufgaben ermahnt hat. Und deshalb spielen wir nur eine Frau pro Stunde – und das ist halt Katy Perry …‘“

Wunderschön, kunterbunt, verrückt

Entmutigen lässt sie sich von solchen Ansagen jedoch nicht: „Ich bin dadurch zur Kämpferin geworden, zur Amazone.“ Und natürlich verfolgt Julia Kautz, die 2015 als Songwriterin von „Music Of My Life“ der koreanischen Boyband My Name einen Nummer-1-Hit in Japan feiern durfte, immer noch das Ziel einer Solokarriere. Nach zwei EPs (zuletzt 2022 „Immer die Musik“) und einer Vielzahl an Singles (darunter „Bin ich verrückt oder die andern?“ und „Ziemlich beste Freunde – feat. Nico Gomez“, beide 2024) erscheint Anfang 2025 ihr erstes Soloalbum: „Es wird wunderschön, kunterbunt und verrückt. Ich bin jetzt schon sehr stolz auf jeden einzelnen Song.“

Am Tag nach dem Interview mit funk tank flog Julia Kautz übrigens nach Dubai, um mit der dort lebenden deutschen Schauspielerin und Influencerin Fiona Erdmann ein Video zu drehen: „Fiona ist eine meiner allerbesten Freundinnen. Wir haben gemeinsam einen Song über unsere ganz besondere Freundschaft für mein kommendes Album geschrieben und eingesungen. Es sind aber auch noch andere, überraschende Features zu hören.“ Zum Album soll es eine Serie von Auftritten geben, denn natürlich sucht – und liebt – Julia Kautz das Rampenlicht: „Aber ich feiere Songs, die ich für andere geschrieben habe, genauso intensiv wie meine eigenen. Es ist egal, ob ich ihn selbst singe oder jemand anderer: Jeder dieser Songs ist mein Baby, darin stecken meine Worte, meine Melodie – und meine ganze Liebe!“

Katy Perry und Julia Kautz
Katy Perry und Julia Kautz © Julia Kautz

Julia Kautz, 43, traf als Chefreporterin der Jugendzeitschrift „Bravo“ die größten Popstars der Welt. Mittlerweile fokussiert sich die in München lebende Niederösterreicherin auf ihre eigene Karriere als Sängerin, Musikerin und Songwriterin. Anfang 2025 erscheint ihr erstes Soloalbum.

Julia Kautz – Website

Julia Kautz – Instagram

Portrait Hannes Kropik
Hannes Kropik
vergöttert Katzen und arbeitet als freier Journalist und Autor. Geplanter Pensionsantritt: 2034.

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