Was bedeutet Drag im Jahr 2025? Heute ist es viel mehr als Entertainment, Glitzer und Inszenierung – es ist eine vielschichtige Kunstform mit gesellschaftlicher Strahlkraft. Für Tamara Mascara (alias Raphael Massaro) ist es all das und noch viel mehr. In unserem Gespräch erzählt sie, wie sich ihr Zugang zu Drag verändert hat, warum sie politische Verantwortung nie von sich weist und wieso sie die Magie im Spiegel heute noch feiert.
Tamara Mascara: Am Anfang ist es jedes Mal sehr aufregend, sich in eine Dragqueen zu verwandeln. Man saugt die Aufmerksamkeit förmlich auf, genießt es, sich völlig anders zu verhalten als im Alltag, und jeder Blick in den Spiegel ist ein Moment der Faszination. Nach 15 Jahren ändert sich das natürlich. Heute gehe ich mit mehr Gelassenheit und Routine an die Sache heran.
Meistens überwiegt der Wunsch, eine gute Show abzuliefern. Das kann man als Druck formulieren, aber auch als professionellen Zugang zur Kunstform Drag und der jeweiligen Performance, die man präsentieren will oder auch abliefern muss.
Natürlich macht es mir auch heute noch Spaß, aber genauso wie bei allen anderen Dingen schleicht sich eine gewisse Gewohnheit ein. Ich kämpfe dagegen an, indem ich mir neue Ziele setze. Neue Looks, die ich so noch nie getragen habe, oder wie bei meiner letzten Show nach der Pride im Praterdome – ich hatte noch nie eine so schwierige Choreografie zu tanzen und habe mich in einem Ring an die Decke ziehen lassen. Für diese Show habe ich zwei Monate trainiert und fünf Kilo abgenommen.
Der Prozess war, denke ich, organisch. Mode verändert sich mit der Gesellschaft und damit auch der Blick auf Formen, Farben und Ausdruck. Das Endprodukt ist eine stilisierte Form dessen oder eine Antwort auf das, was sich in der Welt um die Künstler*innen abspielt.

Wir sollten keinerlei Ungerechtigkeit auf uns sitzen lassen und uns mit aller Kraft dagegen wehren.
Hier würde ich zwei Dinge unterscheiden: kraftvoll für mich persönlich einerseits und kraftvoll für die LGBTIQ-Community andererseits. Wenn Tamara für die Community spricht, beispielsweise in einer TV-Diskussion gegen einen FPÖ-Politiker auftritt, der nichts Besseres zu tun weiß, als Dragqueens zu verteufeln, zeigt sich Drag von der politischen Stärke. Es ist aber auch kraftvoll, wenn Raphael mit der Malerei an Tamara fertig ist, die Verwandlung perfekt ist und diese ganz gewisse Magie passiert, die Drag so einzigartig macht. Man glaubt fast selbst an die Illusion, die man gemalt hat.
Durch Drag Race kamen sehr viele junge Talente in die Szene. Manche haben es nur kurz probiert, andere sind geblieben und haben sich etabliert. Der Blick auf Drag hat sich ebenfalls stark verändert. Früher war das nicht besonders beliebt, jetzt gibt es kaum ein LGBTIQ-Event ohne Drag-Show.
Es hat sich definitiv gebessert, aber wie wir an unserem Nachbarland Ungarn sehen, sind unsere Rechte nicht in Stein gemeißelt. Wir als LGBTIQ-Community müssen stärker zusammenstehen, immer wieder auf absolute Gleichberechtigung pochen und unser Recht darauf niemals vergessen. Wir sollten keinerlei Ungerechtigkeit auf uns sitzen lassen und uns mit aller Kraft dagegen wehren.
Ich bestehe darauf, dass es auch einfach nur unterhaltsam sein darf! Aber natürlich ist ein Mann in feminin gelesener Garderobe grundsätzlich ein Statement. Auch Frauen, die Drag machen, sind politisch. Sie nehmen sich ebenso eine Freiheit, die durchaus polarisiert.
Ich werde nächstes Jahr das Kostümbild für eine große Theaterproduktion machen.
Man vergisst das selbst zu oft. Wenn man dann beispielsweise alte Fotos anschaut und sieht, was man alles auf die Beine gestellt und geschafft hat, ist das schon ein sehr erfüllender Moment.
Da gibt es so viele! Miss Fame fragte mich, ob das meine echten Augenbrauen sind, und war begeistert. Oder der unglaubliche Mister Pearl, ein Couture-Korsettmacher, hat mir Feedback zu meinen selbstgenähten Korsetts gegeben. Durch meine Arbeit als Dragqueen durfte ich Designer*innen, Stars und Politiker*innen kennenlernen. Ich empfinde das als großes Privileg.
Das wurde mir erst bewusst, als mir jemand erklärte, er hätte sich vor seiner Familie geoutet, weil er mich immer wieder in Drag gesehen hat und das Selbstbewusstsein von Tamara ihm den Mut dazu gegeben hat. Ich versuche gleichzeitig eine Entertainmentfigur zu sein und trotzdem immer wieder gesellschaftspolitische Themen zu transportieren. Das ist nicht immer einfach. Insgesamt finde ich es unglaublich schön, anderen Mut zu machen und Kraft zu geben.
Koffer tragen, Schminke checken, Auftritt, Umziehen, Schminke checken, Auftritt, Umziehen, Koffer tragen. (Lacht.)
Dein Drag-Charakter ist eine Kunstfigur. Spiele eine Rolle, das ist Drag. Trainiert eure Unterschenkel, tragt keine zu kleinen Schuhe, überlegt euch, was ihr verkaufen wollt, und seid freundlich und professionell. Zickenterror wie bei Drag Race ist Reality-TV und nicht die Realität.
Schauspielerisches Talent, gute Bewegungen, ein großes Wissen über die LGBTIQ-Kultur und ihre Ursprünge. Man bemerkt es, wenn Tiefe fehlt.
Wenn der Zauber funktioniert und das Publikum vergisst, welches Geschlecht die Person auf der Bühne hat. Das ist ja auch wirklich ein überflüssiger Gedanke im Angesicht von freier Schönheit.
Tamara Mascara ist Dragqueen, DJ, Modedesignerin und eine der bekanntesten queeren Persönlichkeiten Österreichs. Seit über 15 Jahren steht sie auf Bühnen, legt in Clubs auf, moderiert Events und vereint Glamour und Haltung als Entertainerin. Sie ist Mitbegründerin von The Circus, der größten queeren Partyreihe des Landes, und war 2020 als erste Dragqueen im deutschsprachigen Raum bei Dancing Stars zu sehen. Tamara Mascara steht für Sichtbarkeit, Style und eine klare Botschaft: Drag darf glänzen, empowern und politisch sein.
Live-Termine:
- 13. September, 25. Oktober – Dragaholic Hosted by Tamara Mascara im Wiener Why Not, Party mit Drag-Auftritten, Free Shots und DJs
- 11. Oktober – Circus, Österreichs größte Gay Party in der Arena Wien
- 8., 16., 20., 31. Oktober – Tamara Mascaras Halloween Drag Dinnershows im Schloss Schönbrunn in Wien
- 8. November – Ay Caramba im Le Meridien Vienna, Latin Dance Party mit Ballroom und Disco Classics Floor
- 16., 20. November & 2., 22. Dezember – Tamara Mascaras Drag Weihnachtsdinnershow im Schloss Schönbrunn