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Bullys Rückkehr in den Wilden Westen

Neu im Kino: Mit „Das Kanu des Manitu“ macht Michael Herbig nahtlos da weiter, wo vor 24 Jahren „Der Schuh des Manitu“ aufgehört hat. Dabei reagiert er auf seine Weise auf die Wokeness-Debatte.
Neu im Kino: „Das Kanu des Manitu“ mit Rick Kavanian, Christian Tramitz und Bully Herbig
„Das Kanu des Manitu“ mit Rick Kavanian, Christian Tramitz und Bully Herbig © herbX film/Constantin Film/Luis Zeno Kuhn

So, jetzt geht noch einmal jeder aufs Klo, und dann reiten wir los.“ – „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ – „Grabt den Klappstuhl aus!“ – „Halt doch die Klappe, du Zipfelklatscher!“ Diese Filmzitate aus dem Jahr 2001 haben sich ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation eingebrannt. Nicht umsonst ist Michael Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“ bis heute mit 11,7 Millionen Kinobesucher*innen der erfolgreichste deutsche Kinofilm der Nachkriegszeit. Es war seine zweite große Regiearbeit nach „Erkan & Stefan“ und die erste gemeinsame Komödie mit Christian Tramitz und Rick Kavanian.

Das Trio infernale, das ab 1997 mit der „Bullyparade“ das deutsche Fernsehen eroberte, machte damals genau das, was es auch im zweiterfolgreichsten deutschen Film „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ (2004) und in einigen weiteren Kinofilmen tat: Es nahm ein bestimmtes Genre – hier die in den 1960ern von Harald Reinl gedrehten „Winnetou“-Filme und andere Western – und zog es erbarmungslos durch den Kakao. Kein neues Konzept (die britische Komikertruppe Carry On hatte das in den 1960ern und 1970ern schon auf die Spitze getrieben), aber sehr erfolgreich.

Der Witz bei „Der Schuh des Manitu“ liegt zum Teil darin, dass Reinl selbst schon einige komische Elemente benutzt hat, mit denen er die von ihm verfilmten Bücher von Karl May ein wenig verändert hat. Obwohl der deutsche Schriftsteller, der nie selbst im Wilden Westen war, in seinen Abenteuerromanen ein Bild von edlen Wilden zeichnete, waren diese in den Büchern viel wilder und brutaler als Pierre Brice (der weiße Franzose, der in den 1960ern den Apachen-Häuptling Winnetou spielte und „Der Schuh des Manitu“ nicht mochte) oder die anderen guten Figuren in Reinls Filmen.

24 Jahre später kehren Bully und seine Mit(st)reiter zurück in den Wilden Westen – allerdings haben sich die Vorzeichen geändert. Denn während im Jahr 2001 höchstens darüber diskutiert wurde, ob die Pointen in dieser Parodie auf Reinls „Winnetou“-Verfilmungen tiefsinnig-witzig oder doch bloß brachial-flach waren, wird heutzutage bereits vor dem Kinobesuch die schwerwiegende Grundsatzfrage gestellt: Darf man im Jahr 2025 überhaupt einen Film zeigen, in dem ein Native American als tuntiger Schwuler dargestellt wird? Und das noch von einem heterosexuellen Cis-Mann? Darf man überhaupt Witze über Native Americans und die Kolonialisierung Nordamerikas durch europäische Siedler und deren Nachkommen machen und dann auch noch das I-Wort in den Mund nehmen? Woher nimmt dieser Herr Herbig aus Bayern überhaupt die Frechheit, sich als Native American zu verkleiden? Rick Kavanians drollig-doofer Grieche Dimitri wurde in den meisten Artikeln zu diesem Thema bisher kaum erwähnt.

Nicht ohne Winnetouch

All diese Debatten prallen an Bully ab – so scheint es zumindest. Weil er von dem überzeugt ist, was er und seine Blutsbrüder hier tun. Deshalb hat der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller auch „keine Pointe, die wir alle drei genial fanden, gestrichen“. Er betont aber auch, dass es ihm rein um die Unterhaltung geht und nicht um die Provokation. „Wir wollen miteinander lachen und nicht übereinander.“ Das gilt auch für Abahachis schwulen Zwillingsbruder Winnetouch, den Bully als „die liebenswerteste und emanzipierteste Figur im ersten Teil“ beschreibt. Deshalb war klar, dass er im „Kanu des Manitu“ wieder diese Doppelrolle übernehmen würde. Genauso musste auch Rick Kavanians Figur Dimitri mit seinen lustigen, zusammengesetzten Wörtern auf jeden Fall wieder dabei sein. Wenn man „Der Schuh des Manitu“ nochmal genau anschaut, muss man Bully rechtgeben: Winnetouch ist zwar sehr übertrieben dargestellt, und es wäre verständlich, wenn es in der queeren Community Kritik gäbe. Trotzdem ist die Figur viel cleverer als Abahachi und Ranger zusammen. Das wird im „Kanu des Manitu“ noch stärker gezeigt – Winnetouch ist eine coole Persönlichkeit.

Der eigentliche Held im „Schuh des Manitu“ war aber der große Bösewicht. Denn wie Sky du Mont seine Rolle als Santa Maria anlegte, war wirklich ganz großes Kino. Allein die Szene, in der sich der müde John kurz vor dem Aufbruch gegen seinen Bandenführer stellte, und die Gags, die daraus entstanden, machten die Genialität des Drehbuchs deutlich. Umso gespannter durfte man nun sein, wie Bully seinen alten Freund Sky (78) jetzt im „Kanu des Manitu“ einbauen würde, war doch Santa Maria im „Schuh des Manitu“ ja scheinbar verunglückt. Aber wie es halt so ist: Totgesagte leben länger, und der Wilde Westen ist voller Überraschungen.

Wildwest- statt Weihnachtsfilm

Die größte Überraschung ist freilich der Film selbst. Denn dass er jemals eine Fortsetzung drehen würde, damit hatte Bully eigentlich nicht mehr gerechnet – bis zu jenem 11. August 2022, an dem er mit Tramitz und Kavanian einen geplanten Weihnachtsfilm besprechen wollte. Irgendwann im Verlauf des Gesprächs meinte Tramitz, es sei eigentlich schade, dass sie nie einen zweiten Apachen-Film gedreht hätten. Es war eigentlich eine eher beiläufige Bemerkung, „als wenn man sagt: Lasst uns eine Pizza bestellen“, sagt der Ranger-Darsteller im Rückblick. Aber Bully bereitete er damit eine schlaflose Nacht, an deren Ende feststand: Es wird eine Fortsetzung geben, und sie wird „Das Kanu des Manitu“ heißen, weil sich der Titel auf jeden Fall reimen soll. Und neben einem fahrenden Zug und einer Postkutsche spielt eben auch das Wasser eine wichtige Rolle. Aber bis die Idee filmreif war, vereinbarten die drei absolutes Stillschweigen über das Projekt, sodass der Start der Dreharbeiten im vorigen Jahr dann doch eine echte Überraschung war.

Schließlich war dem Trio klar: Wenn sie im Jahr 2025 noch so einen Klamaukfilm bringen wie 2001, dann ist es erstens nicht weit zum woken Shitstorm, und zweitens – was wohl schwerer wog – erwarten ihre Fans etwas wirklich Großes und keinen müden Abklatsch. Das ist ja immer das Risiko bei Fortsetzungen, zumal mit so viel zeitlichem Abstand.

Wir wollen miteinander lachen und nicht übereinander.

Gewohnte Parodien und Referenzen

Diese Gefahr besteht allerdings nicht, weil auch im neuen Film Bullys Liebe zu Zucker-Abrahams-Zucker-Komödien auf Tramitz’ tiefschwarzen Humor und Kavanians Hang zur Stand-up-Comedy trifft. Wer den alten Film mochte, wird auch den neuen mögen. Wenn zwei Bayern in den Weiten der amerikanischen Prärie jodeln, ein Lokomotivführer Lukas heißt und Blutsbrüder mitten im Feuergefecht zanken wie ein altes Ehepaar, dann sind wir mitten in einem Bully-Film. Und zwischen den vielen kleinen und großen Gags sind auch manche Easter Eggs aus anderen Bully-Komödien versteckt. Nur in Sachen Anspielungen auf Native Americans halten sich Bully und sein Team diesmal tatsächlich zurück und parodieren stattdessen lieber einzelne Szenen aus ganz verschiedensten alten und neuen Filmklassikern. Man muss den Film mehrmals sehen, um alle zu erkennen, die Bandbreite reicht von „Hasch mich, ich bin der Mörder“ bis „Ocean’s Eleven“. Natürlich kommen aber auch die Reinl-Vorlagen nicht zu kurz. Und ja, es ist eine Wildwest-Komödie, aber in Wahrheit würde sie auch in einem anderen Genre genauso funktionieren.

Dazwischen ist „Das Kanu des Manitu“ voller Referenzen auf den „Schuh des Manitu“, seitdem sich die Figuren weiterentwickelt haben. Wir erfahren zum Beispiel, was aus Rangers Kind geworden ist, und Dimitri erlebt einen sozialen Aufstieg: Er hat jetzt eine neue, größere Taverne, fährt eine Kutsche statt einen störrischen Esel hinter sich herzuziehen, und kriegt sogar das Mädchen – Jasmin Schwiers drückt als Nachfolgerin von Marie Bäumer dem Film ihren Stempel auf, indem sie so gut wie jede Situation rettet. Und diesmal gibt es noch eine zweite starke Frau: Jessica Schwarz spielt die Anführerin einer aufstrebenden, aber noch namenlosen Bande, die Abahachi und Ranger eine Falle stellt, um selbst endlich zum erhofften Reichtum zu kommen.

Dafür kommt ihnen Friedrich Mücke als einäugiger, aber scharfsinniger Sheriff gerade recht. Wie ernsthaft Bully bei aller Blödelei an seinen Film heranging, wird deutlich, wenn er erzählt, welche Gedanken er sich über Mückes Outfit machte. Er wollte nämlich verhindern, dass dessen Rolle im DDR-Flüchtlingsdrama „Ballon“ (2018) in irgendeiner Form durch den Auftritt im „Kanu des Manitu“ leiden könnte. Ebenso holte er sich erst von der Witwe deren Einverständnis, ehe er die Stimme des 2011 verstorbenen Erzählers von 2001, Friedrich Schoenfelder, mittels KI auch in der Fortsetzung zu Wort kommen ließ. Apropos Produktion: Bemerkenswert ist, dass die Schieß-Spezialeffekte just Dirk Lange beaufsichtigte. Sein Großvater Erwin Lange war der Pyrotechniker der hier persiflierten Reinl-Produktionen, in denen Revolver, Silberbüchse und Henry-Stutzen knallten.

Neu im Kino: „Das Kanu des Manitu“ mit Jessica Schwarz
„Das Kanu des Manitu“ mit Jessica Schwarz © herbX film/Constantin Film/Luis Zeno Kuhn

Ein echter Apachen-Stamm

Genauso kam Redfacing für Bully nicht in Frage. Maskenbildner Georg Korpás sorgte lediglich dafür, dass Tramitz mit seinem ohnehin sonnengegerbten Teint nicht dunkler wirkt als Bully in seinen Apachen-Kostümen. Viel zu tun hatte Korpás auch bei Kavanian, der ebenfalls eine Doppelrolle spielt: Neben Dimitri gibt er auch den sächselnden Deputy des Sheriffs auf einem eigenwillig gebauten Pferd, das eigentlich durch Zufall bei ihm landete, weil es für Bully nicht passte. „Es ist klein, sieht aus wie ein Dackel, aber es passt zu mir.“ Viel reiten muss er darauf aber nicht, im Gegensatz zu Bully und Tramitz. Dass sie es mit ihren 57 beziehungsweise 70 Jahren beide noch draufhaben, beweisen sie in rund 60 Reitszenen. Wenn Bully nicht gerade über einen fahrenden Zug springt.

Die meisten Szenen haben sie im spanischen Almería absolviert (dem Hauptdrehort neben den Münchner Bavaria-Studios), einige aber auch in den USA, konkret im Norden von New Mexico. Denn Bully wollte eine Schlüsselszene unbedingt dort drehen, und zwar mit echten Native Americans. Weil er die kroatischen Komparsen aus den Reinl-Filmen eben nicht mit spanischen Komparsen parodieren wollte. Und so stand in seinem Apachen-Film tatsächlich im Finale ein authentischer Apachen-Stamm vor der Kamera, während Bully einen Weg fand, bei seinen eigenen Filmfiguren den Vorwurf der kulturellen Aneignung zu entkräften. Weil er die Wokeness-Debatte offenbar doch auf seine Weise ernst genommen hat – z. B. wenn ein Bandenmitglied mit Holzprothese Inklusion erfährt, die Bandenchefin um Emanzipation kämpft und Abahachi nicht nur einmal fordert: „Sagen S’ bitte net Indianer!“

Übrigens: Der inoffizielle erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten war „Otto – Der Film“ mit knapp 14 Millionen Kinobesucher*innen. Allerdings wurden jene in der DDR im offiziellen Ranking nicht berücksichtigt. Was Otto Waalkes’ Komödie aus dem Jahr 1985 mit dem „Schuh des Manitu“ und dem „Kanu des Manitu“ verbindet: In allen drei ist Sky du Mont zu sehen. Und Bully wie Otto sind ihrem Humor über die Jahrzehnte treu geblieben. Egal, was ihre Kritiker*innen daran auszusetzen haben.

„Das Kanu des Manitu“ (2025) ist die Fortsetzung von „Der Schuh des Manitu“ (2001), dem erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilm, und vereint erneut Michael Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian. Abahachi, Ranger, Winnetouch und Dimitri kehren in ein neues Wildwest-Abenteuer zurück, in dem eine mysteriöse Bande, eine Falle am Fluss und ein Kanu voller Geheimnisse für Chaos sorgen – und am Ende sogar ein echter Apachen-Stamm eine Schlüsselrolle spielt.

Kinostart: 14. August 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das Kanu des Manitu

Portrait Redakteur Mathias Ziegler
Mathias Ziegler
ist seit seiner Jugend Stammgast im Kabarett. Der versierte Redakteur und Podcast-Host baute bei der Wiener Zeitung die Kabarettberichterstattung mit auf und ist der Szene stark verbunden geblieben.

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