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Eine Burg, die nichts erschüttert

Christina Stürmer ist die erste Musikerin im deutschsprachigen Raum, die von MTV eingeladen wurde, die legendären Unplugged Konzerte zu spielen. Ihre Natürlichkeit hat die Künstlerin dennoch behalten. Ein Gespräch über das wahre Glück.
Musikerin Christina Stürmer
© Ingo Pertramer

Gerade hat Christina Stürmer einen Teil ihrer MTV Unplugged Tour hinter sich, im kommenden Sommer spielt die 42-Jährige mit ihrer Band in Österreich und Deutschland weitere Konzerte. Der Fokus der zweifachen Mama hat sich in den vergangenen Jahren verschoben, denn für sie bedeutet Familie alles. Wie sie ihre Musikkarriere mit dem Mama-Sein vereint und wer die Sängerin dabei unterstützt, hat sie uns im Interview via Videocall während der Tour erzählt:

funk tank: Guten Morgen, liebe Christina, danke, dass du dir Zeit nimmst für unser Interview, du bist ja gerade auf Tour und sicher noch müde vom gestrigen Auftritt …

Christina Stürmer: Guten Morgen, wir kommen gerade vom Frühstück und langsam wieder in die Gänge. Früher haben wir immer bis 1 Uhr mittags geschlafen, mittlerweile ist das nicht mehr so, da merkt man, dass wir in die Jahre gekommen sind (lacht). Normalerweise stehe ich zu Hause um 06:30 Uhr auf, weil meine große Tochter schon in die Schule geht und die Vorbereitungen mit Jause usw. dauern. Jetzt auf Tour hat sich das verschoben, es wird abends später, dafür habe ich den Luxus, dass der Wecker erst um 10 Uhr läutet. Sobald die Tour zu Ende ist, bin ich dann wieder in der anderen Welt. Ich mache jetzt schon Playdates für meine Töchter aus …

Deine beiden Töchter sind 8 und 3,5 Jahre alt. Wie sieht so ein Tourleben aktuell aus? Sind die Kids dabei?

Früher war die Große mit auf Tour, heuer ist Oliver (Oliver Varga, Partner und Bandmitglied, Anm. d. R.) zum ersten Mal überhaupt in all den 22 Jahren nicht mit uns mit und passt auf unsere Kinder auf. Gerade spüre ich, dass diese Tour allen gut tut, nicht nur mir, sondern auch Oliver und den Kindern, das schweißt sie noch mehr zusammen, wenn die Mama mal nicht da ist.

Ich habe es sehr genossen, dass mein Partner bisher immer an meiner Seite war auf Tour, er spielt ja von Beginn an Gitarre in der Band. Bei den heurigen Unplugged Konzerten haben wir es so gelegt, dass es nicht so viele Konzerte am Stück sind und wenn wir getrennt sind, telefoniere ich sehr oft und lange mit meinen Töchtern. Wir hören und sehen uns dank Videotelefonie täglich, es ist okay für sie, aber sie machen sich einen Kalender zu Hause, wo sie Tag für Tag abschneiden, bis ich wiederkomme. Die Tour ist immer überschaubar und ich stimme das mit dem Familienleben ab. Ich hätte so gerne, dass beide einmal mitkommen, bisher hat das aber von den Locations her nicht so gepasst oder wegen der Schule der Großen.

Kommendes Jahr gibt es ein paar Termine, wo es klappen könnte, z. B. in Finkenstein in Kärnten. Da kommen dann sicher auch Oma und Opa mit. Bei uns hält die gesamte Familie zusammen, da unterstützen auch die Großeltern, um Oliver zu entlasten, während ich weg bin.

War es für dich schwierig, deine Arbeit und die Anfänge vom Mama-Sein unter einen Hut zu bringen? Ich meine nicht nur organisatorisch, sondern auch psychisch. Man muss als Frau doch irgendwie alles sein, liebevolle Mama, erfolgreiche Businessfrau, ausgeglichene Partnerin …

Definitiv. Der Vorteil bei mir ist, dass Oliver von Anfang an in der Band gespielt hat und weiß, was auf Tour abgeht, wie eine Albumproduktion abläuft und generell das Business rennt. Manchmal habe ich echt viel zu tun, manchmal bin ich dann aber auch voll und ganz zu Hause.

Eine Schwangerschaft und das Mama-Sein laufen bei jeder Frau anders ab. Ich war zwar nahe am Wasser gebaut und oft gerührt und habe nach wie vor sehr viel Respekt davor, was der weibliche Körper alles kann. Aber ich hatte das große Glück, dass sowohl meine Schwangerschaften als auch die Geburten gut verlaufen sind, auch danach war das Überforderungsgefühl nie da. Sicher auch dank meiner Hebamme, die mich vor, während und nach der Geburt unterstützt hat. Das kann ich jeder Frau nur empfehlen. Und ich habe eine gute Veranlagung, das spielt sicher auch eine Rolle.

Bei meiner ersten Tochter Marina war ich auf Tour, als sie ein dreiviertel Jahr alt war, rückblickend denke ich mir: Wow, krass, wie ich das gemacht habe. Da ziehe ich den Hut vor mir selber. Das Schöne war damals, dass Oliver dabei war, Mama und Papa waren also beim Kind und meine Schwester war als Nanny mit, wenn wir Soundcheck hatten oder das Konzert. Bei der zweiten Tour waren dann Oma und Opa mit und haben aufgepasst. Es ist so toll, dass wir das bisher immer so geschafft haben. Wir haben eine gute Beziehung zu unseren Eltern und Schwiegereltern. Ich habe es selbst als Kind geliebt, mit meinen Großeltern zusammen zu sein, Oliver ebenso, da hat man als Kind ja andere Regeln und Möglichkeiten und darf viel mehr. Und so führen wir das jetzt weiter.

Das klingt idyllisch und schön.

Im Nachhinein denke ich schon an die Zeit, als ich Marina gestillt habe während der Tour. Das Stillen raubt ja viel Kraft und ich musste vor den Konzerten timen, wann ich stille und abpumpe, das war heftig, sie war da ja noch ganz klein.

Mental war da sicher die größte Herausforderung die Öffentlichkeit. Damit hatte ich zu kämpfen. Die Leute haben mich via Social Media als Rabenmutter beschimpft. Und wenn sie beim Papa war, haben die Menschen geschrieben, dass das Kind zur Mutter muss.

Oft bashen ja Frauen andere Frauen …

Ja, es waren eigentlich nur Frauen. Auch da hat mir die Hebamme sehr geholfen. Und die Familie, die mir immer das Gefühl gab, dass alles gut ist. Sowie Marinas gutes Befinden. Sie hatte ja das beste Leben. Sie war immer bei uns und musste im Gegensatz zu anderen Kindern nicht zur Tagesmutter, während die Eltern arbeiten. Ich habe bei der Kleinen gemerkt, dass sie entspannt war, wenn wir entspannt waren. Sie liebt es bis heute, unterwegs zu sein. Es gibt so viele schöne Fotos, wo sie aus dem Bus schaut und die Städte und Landschaft sieht. Das wirkt bis heute.

Es gibt genug weibliche Talente. Es muss die Leistung passen, nicht jede Position muss von einer Frau besetzt werden, aber fähige Frauen gehören gefördert.

Wie finden deine Töchter deine Musik? Versucht ihr als musikalische Eltern, euer Interesse und Talent auch bei ihnen zu fördern?

Wir hören viel Musik zu Hause. Sie sind sehr musikalisch, haben ein Taktgefühl und treffen die richtigen Töne beim Singen, das bewundern wir als Eltern immer wieder. Beide haben noch kein Instrument gelernt, aber natürlich die Möglichkeit, bei uns Instrumente auszuprobieren. Ich bin der Meinung, dass das von selbst kommen und Spaß machen muss, wir zwingen ihnen da nichts auf. Sie lieben es einfach zu tanzen und zu singen und haben ein gutes Rhythmusgefühl, das ist eh schon die halbe Miete.

Die beiden hören gerne Christina Stürmer, die Große war auch schon bei Konzerten. Besonders angetan hat es ihnen die „Wintasun“ mit Wolfgang Ambros. Da sitzen diese zwei jungen Mädchen oft da und singen und feiern Wolfgang Ambros, das finde ich so cool. Jetzt wo die Aufnahmen zu den Unplugged Konzerten vorbei sind, hören wir privat meistens anderes.

Was hörst du privat?

Ich höre sehr gerne X Ambassadors. Marina hat eine Zeit lang Harry Styles gemocht, das finde ich auch spitze. Deine Freunde höre ich nach MTV Unplugged auch ohne Kinder im Auto, es zeigt so schön, wie wir als Eltern Dinge tun, die schon unsere Eltern bei uns getan haben. Z. B. das doofe Zählen, das erstaunlicherweise funktioniert (lacht). Gregory Alan Isakov feiere ich so richtig ab, das habe ich auch bei beiden Geburten gehört, das beruhigt mich. Und ansonsten Mac Miller, der ist leider schon gestorben, sein letztes Album „Circle“ liebe ich.

Ich glaube, dass alles so stabil in mir ist, weil ich meine Kinder habe, die mir so viel Kraft geben und ich dadurch nie das Gefühl habe, abzuheben.

Du bist die erste deutschsprachige Musikerin, die zum MTV Unplugged Format eingeladen wurde. Ein Hinweis darauf, wie ungerecht verteilt es zugeht in der Musikbranche. Musstest du mehr abliefern, weil du eine Frau bist?

Ich hatte nie das Gefühl, dass ich extra abliefern muss in unserer Gruppe, weil ich zwar lange die einzige Frau war, aber eben auch die Chefin. Jetzt auf Tour ist unsere Pianistin Maria mit, das bereichert die Band und bringt eine neue Energie mit.

In der Branche ernte ich viel Respekt, das liegt daran, dass ich das seit 22 Jahren mache.

Generell sitzen schon viele Männer am Hebel im Musikbusiness, das finde ich schwierig. Aber auch hier gibt es Veränderungen, Wanda z. B. haben eine Managerin und bei mir macht das jetzt Barbara Stilke. Auf Tour war es mir wichtig, dass die Vorbands größtenteils weiblich sind und ich so meinen Beitrag dazu leiste. Es gibt genug weibliche Talente. Es muss die Leistung passen, nicht jede Position muss von einer Frau besetzt werden, aber fähige Frauen gehören gefördert. Ich bemerke, dass es noch nicht so üblich ist, dass Frauen andere Frauen unterstützen, es wird besser, aber da gibt es sicher noch Nachholbedarf.

Wir sind geschlechtertechnisch noch lange nicht bei der Gleichberechtigung angelangt. Wie vermittelst du deinen Kindern die Notwendigkeit dieser?

Was meine Kinder betrifft, wollen wir ihnen mitgeben, dass alle gleich sind, unabhängig vom Geschlecht, von der Herkunft oder vom Aussehen her. Das fruchtet auch. Ich lese viel mit meinen Töchtern – es gibt immer mehr Bücher über starke Mädchen und Frauen, Emotionen, Mut, wichtige Werte.

Deine Songs behandeln manchmal traurige Themen. Wie erklärst du deinen Töchtern deine Texte?

Die kleine Lotta bekommt das noch nicht mit, aber Marina mit 8 schon, die weint immer wieder bei meinen Liedern, z. B. bei „Mama“. Wichtig ist, dass man den Kindern das Gefühl von Sicherheit gibt, mit ihnen darüber spricht und auch vermittelt, dass sie bei uns so sein können, wie sie sind. Es ist gut, die Schleusen zu öffnen. Manchmal weiß man gar nicht, warum man weint, das habe ich oft. Aber mir geht es danach immer besser, es ist eine Art von Reinweinen …

Du warst sehr jung schon sehr erfolgreich und wirkst nach wie vor so angenehm bodenständig und gefestigt — wie machst du das?

Das ist schwierig zu sagen, ich überlege ja nicht, warum ich wie bin. Es hat sicher auch was mit der Familie zu tun. Seit der Geburt meiner Kinder hat sich was verschoben, weil sich der Fokus geändert hat, ich bin immer mit einem Fuß zu Hause. Es kann sein, dass das Interview von uns jetzt zu Ende ist und mich meine Tochter gleich danach anruft und fragt, wo ihre Clip-Ohrringe sind (lacht).

Ich glaube, dass alles so stabil in mir ist, weil ich meine Kinder habe, die mir so viel Kraft geben und ich dadurch nie das Gefühl habe, abzuheben. Ich mache wahnsinnig gerne Musik und weiß es zu schätzen, aber das Größte sind meine Töchter.

Ich mache regelmäßig Shiatsu und meditiere, um den Körper richtig zu spüren und zu merken, was einem guttut und was nicht. Ich fühle mich seit den Kindern wie eine Burg, die nichts und niemand erschüttern kann. Weil mein Körper das alles leisten konnte und leistet als Mama. Ich bin davon überzeugt, dass wir das gut machen als Eltern und als Paar. Das macht mich innerlich so stark.

Christina Stürmer
© Ingo Pertramer

Christina Stürmer zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen in Österreich. Die 42-Jährige startete ihre Karriere bei der TV-Show Starmania (2003), mit den nachfolgenden Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum hat sie über 1,9 Millionen Tonträger verkauft. Kommendes Jahr geht Christina Stürmer mit ihrer Band weiter auf MTV Unplugged Tour in Deutschland und Österreich:

26.06.2025 – Erlangen – E-Werk
27.06.2025 – Dresden – Weisser Hirsch
28.06.2025 – Dachau – Musiksommer
29.06.2025 – Graz – Kasematten
04.07.2025 – Wien – Arena Open Air
17.07.2025 – Deggendorf – Donaufest 2025
19.07.2025 – Tuttlingen – Ruine Honberg
20.07.2025 – Finkenstein – Burgarena
25.07.2025 – Linz – Domplatz
01.08.2025 – Immenstadt – Immenstädter Sommer

Christina Stürmer

Das Interview ist mit freundlicher Zusammenarbeit mit !ticket Eventmagazin entstanden.

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Alicia Weyrich
arbeitet als Journalistin, Texterin und PR-Beraterin in Wien. Neben dem geschriebenen Wort liebt sie die Musik, das Meer, gutes Essen sowie Zeit mit ihren Lieblingsmenschen.

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