Er zählt zu den beliebtesten Kabarettisten des Landes und ist neben Josef Hader der einzige Komiker in Österreich, der auch im gesamten deutschsprachigen Raum humoristisch verstanden und verehrt wird. Alfred Dorfer steht seit den 80ern erfolgreich auf der Bühne und hat spätestens mit den Produktionen „Indien“ (1993) und „Muttertag“ (1993) sowie mit der TV-Serie „MA 2412“ (1998–2003) auch im Film- und Fernsehbusiness für Aufsehen gesorgt. Mit der Late-Night-Show „Dorfers Donnerstalk“ (2004–2010) hat Dorfer sein satirisches Talent bewiesen. Es folgten zahlreiche Produktionen und Programme. Bis heute schafft Alfred Dorfer die perfekte Balance zwischen befreiender Unterhaltung und scharfsinnigem Humor, der auch einmal wehtut, weil er so treffend unsere Zeit und Gesellschaft behandelt.
Anlässlich des neuen Programms „GLEICH“, das ab 18. Oktober im Wiener Stadtsaal zu sehen ist, hat Alfred Dorfer mit uns im Wiener Café Prückel über Berufliches wie Privates gesprochen …
Alfred Dorfer: Ja, manchmal entstehen in Kaffeehäusern auch meine Texte. Weil ich Gott sei Dank die Eigenschaft habe, dass ich Umgebungen akustisch ausblenden kann. Das haben sehr viele ja nicht, ich kenne Leute, die hören, was die ganz hinten im Raum reden.
Genau. Ich will es nicht wissen und ich höre es auch nicht.
Früher war das Drechsler mein Stammcafé, das hat aber jetzt ein neues Konzept. Das Prückel mag ich sehr, liegt für mich jedoch aus der Hand, weil ich im 4. Bezirk wohne. Ansonsten im Sperl. Im ehrwürdigen Café Jelinek war ich gerne mit meinem Sohn, als er klein war. Dem habe ich versucht anzutrainieren, dass Kaffeehäuser großartig sind.
Generell ist es so, dass ein Tag ohne Kaffee-Beginn nicht geht. Kennen Sie diese Dreher? Das ist meine Art des Kaffees. Ich habe keine Maschine. Jeden Tag schraube ich mir den Kaffee zusammen und trinke ihn. In Kaffeehäusern bevorzuge ich dann Espresso.
Was für ein Fehlschluss (lacht).
Nein, es war so, dass ich in den 80er-Jahren das Studium fertig gemacht habe, damals war es ein Doktoratsstudium. Ich bin mit dem Diss-Thema in der Hand rausgegangen und habe mir gedacht, dass ich das nicht packe. Ich war 23 Jahre alt. Dann ist es auch geruht, 20 Jahre lang. Irgendwann wurde ich auf Tournee gefragt, warum ich aufgehört habe, obwohl ich doch schon so weit war und nur mehr die Arbeit gefehlt hat. Und ich wusste keine Antwort darauf. Da mich das universitäre Umfeld immer interessiert hat, habe ich dann meine damalige Doktormutter Hilde Haider angerufen und gesagt: „Hier spricht Alfred Dorfer, ich würde jetzt gerne die Diss machen.“ Und sie meinte: „Ich warte schon 20 Jahre auf Sie.“ Zu der Zeit wurde ja das System umgestellt, also musste ich zuerst das Magisterium abschließen und habe danach die Diss geschrieben.
Ja, wunderschön. Da ich damals parallel Schauspiel gemacht habe, war ich der Meinung, dass du auch die Theorie kennen solltest, wenn du einen künstlerischen Beruf ausübst. Du solltest über Theatergeschichte Bescheid wissen und Stilfragen beurteilen können. Für mich ist Theaterwissenschaften ja ein Bildungsstudium, das war z. B. auch der Stil in der DDR, dass sie ihre Künstler*innen theoretisch ausgebildet haben.
Da mein Sohn dann schon groß war, hatte ich wieder die Zeit dafür und habe das Studium dann nach vier Jahren abgeschlossen. Mir ging es eher darum, eine Lücke zu füllen und eine ungelöste Frage in meiner Biografie zu beantworten. Bei der Promotionsfeier war ich z. B. nicht, ich unterschreibe auch nicht mit Dr. Alfred Dorfer …
Das Studium hat mir zudem noch etwas gebracht, denn aufgrund dieser Tätigkeit habe ich dann einen Lehrauftrag in Graz und Klagenfurt auf der Uni bekommen und rund acht Semester lang gelesen, was toll war.
Ich denke, dass die Tendenz, die Leute gegeneinander aufzubringen, aufspaltend ist. Damit meine ich nicht nur die FPÖ, sondern auch die andere Seite. Eine schlechte Migrationspolitik und eine schlechte Bildungspolitik spaltet alle.
Das Problem ist, dass ich mich sehr damit beschäftige, aber es nicht weiß. In dieser Geschichte bin ich ratlos. Wir haben ja praktisch nur zwei Optionen. Und beide stehen für mich nicht dafür, dass wir die großen Probleme, die wir haben und in Zukunft noch mehr haben werden, lösen können. Daher fürchte ich, dass bei uns bald italienischer Wind wehen wird mit Wahlen alle zwei Jahre. Zumindest war das dort früher üblich. Ich denke, dass die Tendenz, die Leute gegeneinander aufzubringen, aufspaltend ist. Damit meine ich nicht nur die FPÖ, sondern auch die andere Seite. Eine schlechte Migrationspolitik und eine schlechte Bildungspolitik spaltet alle. Hätten wir funktionierende andere Parteien, wäre das nicht so ausgegangen. Die personelle Ausdünnung sollte man auch einmal besprechen, das ist zwar kein österreichisches Problem, aber bei uns ist es schlagend. Wo sind die Persönlichkeiten und die Programme? Es fehlt auch, dass die Politiker*innen sagen: „Wir haben einen Fehler gemacht und uns geirrt. Gehen wir es an und ändern das.“
Ich bin kein Politiker und würde es auch nie machen. Ich könnte es gar nicht, alleine von meiner Psychostruktur her. Du stellst als Politiker*in nur mehr dar, durch die ständige Beobachtung kann alles gegen dich verwendet werden, du verlierst dein Leben.
Ich bin grundsätzlich jemand, der immer versucht, konstruktiv zu sein. Das ist noch lange nicht optimistisch (lacht).
Es hat aktuell tatsächlich was gegeben, wo mir das Herz übergegangen ist vor Freude. Die Reaktionen der Menschen auf das Hochwasser waren so positiv. Unter Einsatz der eigenen Gesundheit, ganz egal ob Rot, Blau oder Grün, haben Menschen gratis und in großer Zahl geholfen. Das ist das wirkliche Gesicht des Landes, noch, das finde ich großartig und das gilt es auch zu betonen und daraus Ressourcen zu ziehen. Ich werde Benefiz-Veranstaltungen für die Leute machen, die geholfen haben, die Bergrettung, die Feuerwehr, die Freiwilligen, … Das kann ich dazu beitragen.
Um aus der Schule zu plaudern: Du brauchst einen Titel, bevor du weißt, was du machst. Weil die Programmhefte viel früher gedruckt werden und der Vorlauf der Theater lange ist. Du brauchst auch einen Pressetext, bevor du genau weißt, was du machst. Daher ist es super, wenn du einen Titel hast, wo du danach was dazu sagen kannst (lacht). Da kann quasi nix falsch sein an „GLEICH“, „Trotzdem“, … Bei „GLEICH“ kann man immer noch sagen: „Es hat drei Bedeutungen. 1. Damit ist gleichartig gemeint; 2. Es passiert gleich; 3. Alles ist mir gleich.“ Die Wahrheit ist: Der Titel hat mir gefallen, bevor ich wusste, wohin die Reise geht. Und ein kurzer Titel ist immer gut, weil man da relativ wenig falsch schreiben kann und es sich jede*r merkt.
Mittlerweile weiß ich, worum es geht. Es geht um einen sehr losen Rahmen, wie immer bei meinen Programmen. Beim Programm „und …“ war es die Situation Umzug; jetzt geht es um eine Parabel und zwar darum, dass die zu teuren, alten Menschen im Weg sind und sie daher ausgesiedelt werden sollen. Da sie die kaufkräftigste Generation sind und wichtig für die Gesellschaft, weil sie zu den Reichsten gehören, die Wahlen entscheiden usw., kann man sie nicht einfach wegräumen oder sie umbringen. Aber sie stören. Sie wohnen in viel zu großen Wohnungen und werden daher alle zusammengelegt und gemeinsam betreut. Ich werde engagiert, um in diesem Ghetto im Theater aufzutreten und dort der Bezirkskasperl zu sein. Es geht darin überhaupt nicht um die Diskriminierung der Alten, sondern eher um den Umgang mit dem Alten, in dem wir noch stecken. Das bietet wunderbare Gelegenheiten, um u. a. über Migration, Bildung, Generationskonflikte zu sprechen. Aber eben auf meine Art, ohne gegen jemanden oder etwas zu wettern.
Ich bin grundsätzlich jemand, der immer versucht, konstruktiv zu sein. Das ist noch lange nicht optimistisch.
Das mache ich selten. Manchmal tue ich das, damit es nicht zu Missverständnissen führt. Ironie kann man ja immer so oder so deuten, die einen fühlen sich bestätigt, die anderen angegriffen. Aber im Prinzip ist es keine Predigt.
Ich wollte deswegen nach Deutschland gehen, um herauszufinden, ob das, was ich mir ausdenke, nicht nur ein Lokalkolorit ist. Und es hat in Deutschland und der Schweiz funktioniert und tut es noch. Im Laufe der 20 Jahre habe ich aber begonnen, die Orte so auszusuchen, wo ich das Gefühl hatte, dass man es humoristisch gut versteht und die wegzulassen, wo man sowieso anrennt. Z. B. Köln. Ich bin viel zu alt und es ist viel zu weit weg, um meine Abende damit zu verbringen, dort Humorbotschafter zu sein. Die Karnevalshochburg hat einfach einen anderen Zugang zu Humor.
Mich interessiert an Social Media etwas: Mich interessiert, wie man in diesem ganzen Müll und Sumpf mit Bild oder Text etwas herstellen kann. Etwas, das was aussagt, auch in der Kürze der Aufnahmefähigkeit. Ich bin noch in der Versuchsphase. Ich glaube, dass das eine Möglichkeit ist, eine Kolumne zu haben. Wie ich sie damals in der Zeit hatte, wo ich 14 Jahre lang jede Woche versucht habe, politische Themen aus satirischer Sicht darzustellen. Die noch offene Frage, ob das auf Social Media auch geht, möchte ich klären. Und ich will herausfinden, ob ich so jüngeres Publikum ansprechen kann.
Diese von Ihnen angesprochene Spanne bildet sehr gut ab, was ich bin. Weil ich finde, dass Unterhaltung, wo es rein um das Entladende geht, eine große Kunst ist. Ich kenne nicht viele Leute, die das können. Also Unterhaltung, die nicht unter der Gürtellinie ist, aber auch nicht belastet mit Themen wie Krieg usw. Ich blödle privat unheimlich gern. Ich gehöre nicht zu der Kategorie, die besagt, dass der klassische Komiker privat mieselsüchtig oder depressiv ist.
Genau. Diese Verkrampfung im Gesäß habe ich nicht.
Ich gehöre nicht zu der Kategorie, die besagt, dass der klassische Komiker privat mieselsüchtig oder depressiv ist.
Mit 60 Jahren dämmert dir schon was, was mit 58 Jahren noch kein Thema ist. Plötzlich kriegst du fast einen Aktivitätsstress: Das wollte ich noch. Und das wollte ich noch. Und das wollte ich noch.
Ich wollte z. B. ein Lokal eröffnen. Ich fand die Idee einer Mischung aus Buch und Kaffee oder Buch und Wein eine lange Zeit sehr faszinierend. Das habe ich mittlerweile verworfen. Jetzt sind es kleinere Geschichten, die ich vorhabe. Also nicht so was Großes wie das Studium.
Ich war sehr viel in Südamerika und in Mittelamerika unterwegs. Dort kommst du mit Englisch nicht durch. Da ich gut Latein kann, habe ich dann bei meinen Trips vor Ort Spanisch gelernt. Und dort die Leute wie ein kleines Kind gefragt, was was heißt. Die Menschen waren sehr freundlich, ich hatte also über 100 Lehrer*innen. Irgendwann habe ich diese Leidenschaft nicht mehr ausgeübt, daher kann ich Spanisch bis heute nicht gut genug. Solche Pläne habe ich. Also kleine Geschichten, keine großen Konzepte, wie das Erlernen eines neuen Berufs.
Wobei, in der Corona-Zeit habe ich einen neuen Beruf gelernt. Ich habe zwei Jahre lang als Gemüseverkäufer am Naschmarkt gearbeitet, weil ich die damaligen Betreiber einer der Geschäfte dort gut kannte. Ich kenne mich jetzt sehr gut aus mit Gemüse und der Zubereitung von beispielsweise Schwarzkohl, das ist übrigens der absolute Trend momentan.
Natürlich, wie jeder Kohl. Jedenfalls habe ich so mit 60 noch einen neuen Beruf gelernt. Ich könnte jetzt überall anfangen als Gemüseverkäufer. Das Leben am Markt war für mich eine schöne Zeit. Ein Teil dieser Erfahrungen kommt auch im neuen Programm vor.
Ich bin länger damit unterwegs. Rein geografisch gesehen dauert die Runde mit Österreich, Deutschland und der Schweiz sicher zweieinhalb Jahre. Rechnen wir den Ausfall der Pandemie dazu und wenn ich dann noch zwei Mal mein Programm spiele pro Stadt, sind wir schon bei sieben Jahren. Also werde ich das jetzt mindestens drei bis vier Jahre machen …
Alfred Dorfer zählt zu den beliebtesten Kabarettisten im deutschsprachigen Raum. Der Wiener steht seit den 80ern erfolgreich auf der Bühne und hat spätestens mit den Produktionen Indien (1993) und Muttertag (1993) sowie mit der TV-Serie MA 2412 (1998–2003) auch im Film- und Fernsehbusiness für Aufsehen gesorgt. Sein neues Kabarett-Programm „GLEICH“ feiert am 18. Oktober 2024 im Wiener Stadtsaal Premiere. Einige Abende sind schon ausverkauft, für die Termine ab Dezember sind noch Karten erhältlich.
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Fotos Interview: Stefan Csáky
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