Wir könnten darüber jammern, wie komplex selbst das Schenken wurde, wenn man darum bemüht ist, nachhaltig jemandem eine Freude zu machen. Oder aber wir sagen: Schön, dass wir die Entscheidungsfreiheit haben, nachhaltig schenken zu können. Wir wissen aber auch: Nicht alles, was grün scheint, ist es auch – Stichwort „Greenwashing“.
In den vergangenen Jahren fand viel Umdenken statt, Re- und Upcycling wurden aus der Nische geholt und wer Secondhand kauft, liegt im Trend. Organisationen wie Humana oder Caritas – erst kürzlich eröffnete ein carla-Shop am Wiener Stephansplatz – sind sozusagen Routiniers auf diesem Gebiet, Freitag kreiert seit 30 Jahren Taschen und Co. aus alten Lkw-Planen.
In dieser Story möchten wir ein paar jüngere und auch kleinere Unternehmen und Initiativen vorstellen, die alten Produkten ein neues Leben einhauchen bzw. Materialien verarbeiten, die andernfalls womöglich im Müll gelandet wären.
Einiges davon ist Handarbeit, nicht alle haben einen eigenen Shop, den man physisch besuchen kann. Wird’s mit der Bestellung für Weihnachten zu knapp, sind Wertgutscheine, die per Post zugestellt werden, die Lösung. Denn auch das ist nachhaltig: Treffen die Beschenkten selbst die finale Entscheidung, verstaubt das Geschenk mit ziemlicher Sicherheit nicht im Regal.
Viele Newcomer bei refurbed
2017 von Peter Windischhofer, Kilian Kaminski und Jürgen Riedl in Wien gegründet, avancierte refurbed bis heute zu einem Unternehmen mit rund 300 Mitarbeiter*innen, das in bereits elf Ländern präsent ist. Wer schon einmal clever in ein refurbishtes, also professionell erneuertes Smartphone oder Laptop investiert hat, dem ist der Name vermutlich längst ein Begriff. Weniger bekannt ist hingegen, dass zu den mehr als 18.000 Produkten auch Haushaltsgeräte zählen. Als strahlende Newcomer gelten etwa der Thermomix von Vorwerk oder Dyson-Geräte, und zwar vom Akkustaubsauger bis hin zu Haarpflegeprodukten, die vom Hersteller selbst refurbisht werden. Die refurbed-Pros kurz gefasst: Man kauft rundum erneuerte Ware um bis zu 40 Prozent günstiger und erhält dafür mindestens zwölf Monate Garantie.
Wie wär’s mit einer Tasche aus Omas Pelz?
Das Modesegment, in dem sich Giorgia Adam-Richter und Patrick Adam heimisch fühlen, ist ganz schön sensibel. Es geht um Pelz, um echten Pelz. Doch bevor hier jemand seine Farbkübel holt, muss ein essenzielles „Aber“ vorausgeschickt werden: Das Ehepaar verarbeitet ausschließlich Pelz von bestehenden Modellen; sie schenken sozusagen Mamas und Omas alten Jacken und Mänteln ein neues Leben.
Das Paar machte sich 2016 mit Refurried selbstständig; ihr Shop und ihre Werkstatt befinden sich in Tulln an der Donau. Das Upcyceln von Pelzen funktioniert bei ihnen so: Kund*innen kommen mit ihren Erbstücken oder suchen sich aus dem Lagerbestand der beiden ein Teil aus, das umgearbeitet werden soll. Ist der mitgebrachte Pelz „in Ordnung“, kann daraus ein stylisches neues Stück entstehen, aber auch etwa ein Rucksack, eine Haube oder ein wärmendes Futter für einen Parka, denn Giorgia Adam-Richter studierte Modedesign in München. „Pelz ist ein sehr gutes Material: Es wärmt und ist atmungsaktiv, Löcher können repariert werden und er hat eine Lebenszeit von Jahrzehnten“, erklärt das Paar. Neuen Pelz verwenden sie nicht, aber alten wegzuwerfen, halten die beiden für respektlos.
Kompromisslos: Unterwäsche von Ebenbild
Seit Jahren designen und nähen Jennifer und Sophie gemeinsam Unterwäsche. Mit einem kleinen Dachgeschoßatelier oberhalb einer Spenglerei legten sie los, mittlerweile betreiben die Freundinnen und Geschäftspartnerinnen einen zauberhaften Laden im siebten Wiener Gemeindebezirk. Einer ihrer Glaubenssätze: „Wir wissen, dass wir die perfekte Passform brauchen, um uns einen Platz in deinem Kleiderschrank zu verdienen.“
Ihre Idee entstand aus ihrer kritischen Auseinandersetzung damit, wie Körper bis heute gesehen oder dargestellt werden. Niemand sollte für Schönheit leiden müssen, finden sie, und ebenso, dass jeder Körper genauso schön ist, wie er ist: dünn und dick, mit kleinen und großen Brüsten, mit straffer Haut oder Cellulite.
Ihre Modelle schneidern sie mit hohem Anspruch an Ästhetik und Komfort und auch unserem Planeten möchten sie Leid ersparen: Die Ebenbild-Teile werden in Wien handgemacht und zwar aus nachhaltigen Materialien; dazu zählen etwa Spitze aus recyceltem Garn oder Jersey aus österreichischer Tencel-Faser. Schnelllebige Kollektionen kommen für Jennifer und Sophie nicht in Frage, manchmal macht der Stoff, den sie bekommen, die Musik. Ein Beispiel ist die Leo-Unterwäsche von ihnen: „Diese Teile haben wir aus Deadstock-Material genäht“, beschreibt Jennifer. Das bedeutet: Die beiden kaufen und verarbeiten auch Restbestände, mit denen große Unternehmen nichts anfangen könnten. Selbst das Thema Verpackung beackerten sie akribisch: Verschickt werden die Ebenbild-Teile in Graspapier und Papier aus Zuckerrohr.
Wir wissen, dass wir die perfekte Passform brauchen, um uns einen Platz in deinem Kleiderschrank zu verdienen.
Robuste Unikate
Quasi mehrfach grün ist Mišo Čurčić de Jongs Label Beware of Mainstream: Seine Modelle haben die Farbe grün, weil sie aus Militärseesäcken hergestellt werden und sie eben aufgrund des robusten Materials nahezu unzerstörbar sind. Der in Perchtoldsdorf lebende zweifache Vater zäumte das Pferd sozusagen von hinten auf: Vor mehr als zehn Jahren entwickelte er mit dem Blink-Werbeagentur-Chef Michi Braun „Beware of Mainstream“ als Kampagnentitel für ein Unternehmen, das sich schließlich nicht drübertraute. Also ließ Mišo zunächst spaßhalber Sticker drucken, die sich mithilfe von Social Media verbreiteten, und lernte so die deutsche Kostümdesignerin Ulrike Janich kennen, die mit altem Militärstoff arbeitete. Als er sich von ihr einen Parka nach seinen Ideen schneidern ließ, legte er damit den Grundstein zu seinem heutigen Label „Beware of Mainstream“. Heute umfasst seine Kollektion Jacken, Röcke, Taschen und Hüte. Auch wagt sich Mišo immer wieder über neue Wege; so entstanden im vergangenen Sommer etwa Röcke und Kleider aus alten Hemden. Schnellentschlossene Schenker*innen könnten Glück haben: Zwar wird für gewöhnlich jedes Teil auf Anfrage handgeschneidert, die aktuelle Kollektion aus Militärseesäcken ist aber derzeit tatsächlich in einer kleinen Stückzahl vorrätig.
Forever blue
Mehr als 100 Jahre hat die Indigofärberei Koó im burgenländischen Steinberg bereits auf dem Buckel; Joseph Koó führt sie in dritter Generation gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Miriam Schwack. Der sogenannte Handblaudruck, den das Paar praktiziert, wurde kürzlich sogar in die internationale UNESCO-Liste für Immaterielles Weltkulturerbe aufgenommen. Eine Vielzahl an außergewöhnlichen Kooperationen bereichern die Erfolgsgeschichte und den idyllischen Shop neben der Werkstatt: mit Designerinnen wie Susanne Bisovsky und Lena Hoschek, der Hutmanufaktur Mühlbauer und mehreren Modeschulen. Parallel dazu blieben die Koós aber auch ihren Klassikern treu: Zum Sortiment gehören heute stets Schürzen, Dirndl, Tischtücher, Einkaufstaschen und Hemden. Wie langlebig ihre Produkte sind, erfahren die Koós beispielsweise auch dann, wenn nach vielen Jahren etwa das eine oder andere Hemd „zur Reparatur“ kommt. „Die Farbe und unsere Stoffe halten, da tauschen wir gerne den Kragen oder die Manschetten aus“, erklärt Joseph Koó.
Neue Chancen für Menschen und Produkte
Möbel, Taschen, Schmuck und mehr entstehen in den Werkstätten von gabarage, einer bemerkenswerten Initiative, die sich aufs Upcyceln spezialisiert hat, und Menschen beschäftigt, die es am Arbeitsmarkt schwerer haben: Menschen mit chronischen (Sucht)Erkrankungen, mit psychischen Erkrankungen, mit Migrationshintergrund und junge Menschen, die aufgrund ihrer herausfordernden Vergangenheit eine neue Perspektive brauchen.
Spektakulär ist die Vielfalt, die gabarage sowohl online als auch in den Stores in Wien, Neusiedl am See und St. Pölten anbietet: Man findet blitzblau-gelbe Sitzmöbel aus fehlerhaften Mülltonnen, eine Lampe aus ehemaligen Verkehrslichtern, ein Collier aus Zifferblättern alter Armbanduhren oder zeitlose Deko, die sich auch aktuell gut auf dem Weihnachtsbaum macht.
Feurige Idee
Als der Begriff Upcyceln noch kaum bekannt war, nämlich bereits 2005, gründeten die Brüder Robert und Marin Klüsener in Köln ihr Label Feuerwear: Gebrauchte Feuerwehrschläuche werden zu Taschen, Rucksäcken und Accessoires verarbeitet. Der Online-Versand aus Deutschland könnte vor Weihnachten zeitlich knapp werden, über die Händlersuche auf der Website findet ihr aber auch einige Shops in Österreich, die „Feuerwear“ direkt zum Verkauf anbieten.
Nachhaltige Geschenke finden sich u. a. bei den Unternehmen und Initiativen Humana, Caritas, carla, Freitag, refurbed, Refurried, Ebenbild, Beware of Mainstream, Koó, gabarage und Feuerwear.
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