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Geschmeidig wie ein Lächeln

Ihr „Aponcho“ passt am Strand genau so perfekt wie in der Therme oder auf der Couch. Mit einem ebenso gemütlichen wie lässigen Kleidungsstück hat die junge Modedesignerin Clarissa Fritzsche eine Marktlücke entdeckt, die sie weit über die Grenzen Österreichs bekannt macht.
Portrait vor dem Wiener Store Aponcho von Besitzerin Clarissa Fritzsche
© Viola Jagl

Wohlig weich schmeichelt sich der Baumwollstoff an die nasse, kalte Haut. Übergroß, gemütlich und praktisch. Die Kapuze bedeckt die Stirn und lädt dazu ein, durchzuatmen und zu chillen. „Aponcho“ nennt die Wiener Unternehmerin Clarissa Fritzsche ihre Kreation, die dem Poncho indigener südamerikanischer Völker nachempfunden ist und sich nicht zuletzt unter Windsurfer*innen, Wellenreiter*innen und anderen Wasserratten größter Beliebtheit erfreut. „Die Grundidee und wichtigste Funktion ist tatsächlich, dass man sich am Strand darin ganz einfach umziehen und abtrocknen kann“, verrät die leidenschaftliche Surferin.

Letztendlich geht es aber vor allem darum, sich frei zu fühlen – egal, wo man gerade ist. „Natürlich muss man kein Sportler oder keine Sportlerin sein, um eine Freude mit dem Aponcho zu haben. Du kannst ihn zum Beispiel in der Sauna tragen, in der Therme – oder einfach zu Hause. Wenn ich mich nach einem anstrengenden Tag mit meinem Aponcho auf die Couch lege, ist die Welt gleich eine bessere …“

Model Aponcho
© Miriam Joanna

Kreativ muss es sein

Clarissa Fritzsche, 32, ist in einer Familie aufgewachsen, in der traditionsbewusstes Handwerk zum Alltag gehört; ihr Vater Clemens führt bereits in siebenter Generation den 1794 gegründeten Hafner-Betrieb E. Fessler und setzt exquisite Kamine und Kachelöfen. „Ich kann mich erinnern, dass ich schon als kleines Kind in unserer Töpferwerkstatt herumgebastelt habe. Für mich war immer klar, dass ich irgendeinen kreativen Beruf erlernen würde. Ein Jus- oder Wirtschaftsstudium wäre nichts für mich gewesen.“

Schon in der Schule, dem Evangelischen Gymnasium & Werkschulheim, absolvierte Clarissa Fritzsche eine Ausbildung zur Goldschmiedegesellin, danach studierte sie in Hetzendorf Modedesign. Das Nähen, sagt sie, habe sie nämlich schon früh fasziniert: „Meine Oma mütterlicherseits hatte ein eigenes Nähzimmer. Stell dir das vor: Du konntest dich dort kreativ total entfalten, dich ausbreiten und musstest nicht jedes Mal alles wegräumen, wenn du am nächsten Tag weiter nähen wolltest – ein Traum.“

Der glücklichste Mensch

Neben der Begeisterung fürs Handwerk spielt die Liebe zum Wasser eine wesentliche Rolle in Clarissas Leben – und in der Geschichte des Aponchos. „Im See oder im Meer“, sagt sie, „bin ich der glücklichste Mensch. Egal, ob beim Schwimmen, Segeln oder Surfen. Ich liebe das Wasser über alles.“ Lachender Nachsatz: „Deswegen haben mir meine Freunde den Spitznamen ‚Quaxi‘ verpasst.“ Besonders erfüllend ist das Surfen und dieses unbeschreibliche Gefühl, eine Welle erwischt zu haben: „Dann habe ich den größten Grinser im Gesicht, den man sich nur vorstellen kann. Ich fühle mich leicht und frei und habe das Gefühl, ich könnte alles schaffen.“

Im See oder im Meer bin ich der glücklichste Mensch. Egal, ob beim Schwimmen, Segeln oder Surfen. Ich liebe das Wasser über alles.

Die Idee zu ihrem Poncho ist ihr an Portugals rauer Westküste gekommen. Ein zweiwöchiger Roadtrip hatte Clarissa mit zwei Freundinnen unter anderem in ein Surfcamp in Ericeira geführt – „und dort habe ich einen Schnupperkurs absolviert. Ich war vom Wellenreiten sofort so begeistert, dass dieser Sport seither einfach nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken ist.“ Zwei Jahre danach war sie wieder in Portugal und sah, wie sich Surfer*innen vor dem Auto umziehen: „Sie hatten Polyester-Umhänge an. Mit einem riesigen, hässlichen Logo vorne drauf. Ich dachte mir: ‚Das ist natürlich praktisch, aber überhaupt nicht schön.‘“ Ein Besuch in einem lokalen Surfshop bestätigte ein erstes Gefühl: „Diese Dinge waren gar nicht so billig, das Material unangenehm und die Farben uncool. Ich wusste: Das kann man besser machen.“

Surferinnen mit der Aponcho Labelchefin im Meer
© Miriam Joanna

Plötzlich Unternehmerin

„Man“ im Sinne von: Sie selbst würde es besser machen! Noch am selben Abend skizzierte Clarissa ihre ersten Ideen auf eine Serviette, zurück in Wien kaufte sie verschiedene Frotteestoffe und begann zu nähen. „Und dann kam im Sommer 2016 die ‚City Wave‘ nach Wien, und ich habe dort als Surflehrerin zu arbeiten begonnen.“ Clarissa trug zwischen den Sessions einen Prototypen ihres Aponchos, grau und altgrün, lässig und praktisch zugleich: „Und vielleicht ein kleines bisschen mit dem Hintergedanken, Werbung in eigener Sache zu machen …“

Der Gedanke ging auf. Und zwar so, dass sich der gemütliche Sommer in eine erstaunlich stressige Zeit verwandelte: „Es hat sich rasch herumgesprochen, was ich mache. Die Nachfrage war so riesig, dass ich tagsüber als Surflehrerin gearbeitet habe und am Abend und in der Nacht in meinem alten Kinderzimmer gesessen bin, Stoffe zugeschnitten und Ponchos genäht habe.“

Diesen einen, diesen magischen Moment, sagt sie, habe es aber nicht gegeben: „Es war nicht so, dass ich plötzlich gesagt hätte: ‚Mit dieser Idee mache ich mich jetzt selbständig‘. Aber irgendwann haben einfach alle Teile perfekt zusammengepasst. Ich habe damals eigentlich in der Kostümbranche beim Film und beim Fernsehen gearbeitet“, erinnert sich Clarissa. Für die Serie „Cop Stories“ zum Beispiel oder für „Ein Leben für die Musik“, einen kitschigen „Heidi“-Verschnitt mit Yvonne Catterfeld und jeder Menge traditioneller Dirndln: „Eine Zeit lang hat mir diese Arbeit ja getaugt, aber sie war mir langfristig zu wenig kreativ. Und mir ist klar geworden, dass ich lieber meine eigene Chefin sein möchte.“

Models mit Aponchos am Strand
© Miriam Joanna

Ein Lächeln auf dem Weg

Clarissa, die sich selbst als „freiheitsliebende Genießerin“ versteht, fühlt sich in ihrem Berufsleben mittlerweile „extrem gut angekommen“ – nicht zuletzt wegen ihrer Kundschaft, von der sie in höchsten Tönen schwärmt: „Die Leute, mit denen ich zu tun habe, sind so unglaublich nett. Selbst, wenn bei einer Lieferung einmal etwas schief gehen sollte und ein Umtausch notwendig wird, reagieren sie freundlich und verständnisvoll.“ Was wohl daran liegen könnte, dass sie ihren Kund*innen – speziell im direkten Kontakt – ihre eigene Freude an der Arbeit und ein Lächeln auf den Lippen mit auf den Weg gibt. „Ich bin generell ein sehr positiver Mensch und trage dieses Gefühl wohl unbewusst nach außen …“

Aktuell lässt Clarissa ihre Ware in einer kleinen Näherei in Tschechien fertigen, maßgeschneiderte Sonderanfertigungen werden in Wien genäht. Die regulären Ponchos, die es in verschiedenen Längen und Größen nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder gibt, sind zweifärbig – „weil ich von Anfang bewusst ein einfaches Design gestalten wollte. Der untere Teil ist grau, die Kundinnen und Kunden müssen nur entscheiden, welche andere Farbe ihnen bei den Schultern und der Kapuze am besten gefällt.“

Doch die qualitäts- und umweltbewusste Unternehmerin weiß, wo sie ihr Produkt noch verbessern könnte. „An der Produktion gefällt mir, dass die Transportwege vergleichsweise kurz sind. Aber die Baumwolle, die aus der Türkei kommt, stammt nicht aus biologischem Anbau. Und weil Nachhaltigkeit natürlich ein wichtiges Thema ist, habe ich bereits eine neue Firma in Portugal gefunden, die in Bio-Qualität arbeitet.“

Kind mit Aponcho im Kinderzimmer zeigt seine Zunge
© Miriam Joanna

California dreamin‘

Den Großteil ihres Geschäftes – nach eigenen Angaben rund 80 Prozent – macht Clarissa Fritzsche über ihren Online-Shop www.aponcho.com. „Ich verschicke meine Stücke nicht nur innerhalb von Österreich, sondern auch nach Deutschland, Italien und in die Schweiz, und sogar nach Australien und in die USA. Ich lese bei den Bestellungen oft, dass die Käufer*innen das Internet nach solchen Ponchos durchforsten und meine am schönsten fanden. Das freut mich sehr.“

Im Februar 2023 hat sie ihren eigenen, 25 m² großen Store in Wien-Wieden eröffnet – in ihrer alten Nachbarschaft. „Ich wohne seit ein paar Jahren mit meinem Freund im 19. Bezirk. Aber der Shop ist drei Minuten von meinem Elternhaus entfernt, in dem auch das Geschäft meines Vaters liegt. Und mein Bruder Constantin verkauft auf der anderen Straßenseite Maßanzüge und Maßhemden. Es ist schön, in einem Grätzel zu arbeiten, wo man praktisch alle Menschen von klein auf kennt.“

Trotzdem ist die Welt von Clarissa Fritzsche natürlich wesentlich größer als nur der 4. Wiener Gemeindebezirk es ist. Die Frage, was denn gegen einen Aponcho-Shop am mondänen Sunset Boulevard in Los Angeles sprechen würde, beantwortet sie deshalb ganz trocken: „Oder in Santa Cruz oder Malibu. Ja, in diese Richtung habe ich tatsächlich schon gedacht. Ich kann mich nicht aufteilen und fühle mich in Wien sehr wohl. Aber ein Franchise-System könnte ich mir gut vorstellen.“

Clarissa Fritzsche, 32, ist gelernte Modedesignerin und betreibt in Wien den „Aponcho“-Store, in dem sie „ein Stück Freiheit für deinen Alltag“ verkauft. Genauer gesagt: lässige Baumwoll-Ponchos für Wasserratten und andere Menschen, die es gern gemütlich haben.

Aponcho

Portrait Hannes Kropik
Hannes Kropik
vergöttert Katzen und arbeitet als freier Journalist und Autor. Geplanter Pensionsantritt: 2034.

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