Am 6. November hatte Katie La Folles neues Kabarettsolo „Rettet die Teetassen“ Premiere. Darin verarbeitet die 37-Jährige, die bürgerlich Katrin Immervoll heißt, nicht nur all das, was sie beschäftigt, seit sie vor zwei Jahren Mutter geworden ist, sondern widmet sich ganz grundsätzlich dem Thema Feminismus, aber auch ihrer Generation, die so zerbrechlich wie Teetassen ist. Das Ganze tut sie auf höchst melodramatische Weise, gleichzeitig aber doch auch unaufdringlich selbstironisch und immer authentisch – wie in den Programmen davor ist das Pariser Showgirl Katie La Folle ihr Alter Ego. Wir haben mit der Künstlerin über die Zeit der Entstehung ihres neuen Programms im Speziellen und ihr Leben als Frau im Allgemeinen gesprochen.
Katie La Folle: Es war für mich klar, dass ich diesen Vulva-Song mache, weil ich das Thema immer noch so spannend finde. Allein, wenn ich mit meiner Tochter oder meiner Stieftochter darüber spreche, wie man „das da unten“ nennt. Eigentlich sollte es ganz normal sein, das zu benennen – und es heißt eben nicht Mumu, Fifi, Möse oder Schlitzchen, sondern einfach Vulva. Und ich fand es ganz cool, mich mit meinem Vulva-Song den Schambereichen der Frau zu widmen: Es gibt ja Schamlippen, Schamhaar – aber den Schamstängel beim Mann gibt es zum Beispiel nicht (lacht). Also die Scham ist weiblich. Leider.
Ich glaube, den gibt es definitiv, sonst hätte ich kein feministisches Programm gemacht. Aber ich fände es schön, das nicht als Neid zu betiteln, sondern als Penisvorteile. Und diese Vorteile könnten genauso gut zur Vulva herüberwandern, sodass alle Vorteile haben.
Als meine Tochter zwei Monate alt war, war ich körperlich wahnsinnig erschöpft, aber geistig so wahnsinnig unterfordert, dass ich im Wochenbett zu schreiben begonnen habe. Das waren einfach einmal so meine ersten Gedanken zum Thema Geburt, Schwangerschaft, die Plazenta-Geschichte, die im Programm vorkommt, die Hebammen-Gespräche, … . Dann habe ich das Ganze wieder ruhen lassen, weil ich doch sehr beschäftigt war mit dem Baby, habe aber schon gewusst: Wenn ich nach der Karenz voll zurückkomme, dann mit einem neuen Programm. Also habe ich den Stoff weiter gesammelt und das Ganze auch für das Kabarettstipendium des Bundesministeriums für Kunst und Kultur eingereicht. Das Programm ist im Sommer 2023 entstanden, also gut ein Jahr vor der Premiere. Das große Überthema dabei war die Erschöpfung der Frau, die Suche nach Sicherheit in einer fragilen Welt.
Ich glaube schon. Sie fanden aber auch die Idee mit dem Bunker im Kleingarten und den Dörr-Ratzen, die darin hängen, sehr lustig. Das kommt alles im Programm vor.
Es sollte kritisch sein. Und wenn man was dazulernt, ist es ja nicht schlecht.
Natürlich ist es immer ein bisschen überzeichnet. Aber zu 95 Prozent muss ich sagen: It’s just me, in einer outrierten Version.
Ich war überrascht. Ich war mir nicht sicher, ob es auch beim älteren Publikum gut ankommt, aber es dürfte auch dieses abholen, was ich so an Feedback bekomme. Ich versuche halt nicht mit dem Hammer draufzuschlagen, sondern das irgendwie ein bisschen charmant zu lösen. Beim Schreiben hatte ich die Schwierigkeit, dass mich so viele Themen bewegt haben und auch zur Verzweiflung gebracht haben, was da alles in der Welt passiert – wie bringt man diese Gedanken lustig auf die Bühne? Genau deshalb hat auch die Vulva diesen Song gekriegt, weil mit Musik alles ein bisschen leichter zu verdauen ist. Es gefällt offenbar Jung wie Alt und Frauen wie Männern. Gerade vorhin hat ein alter weißer Mann zu mir gesagt, dass er es richtig toll fand.
Ich glaube schon. Allein, wie sich Geschichten in Büchern und Fernsehserien verändert haben. Natürlich nicht alles, Grimms Märchen mit der bösen Stiefmutter lesen wir ja trotzdem immer noch. Aber es ist alles doch irgendwie ein bisschen – ich hasse dieses Wort, aber – empowernd geworden. Mädchen können heute auch die Dinge machen, die früher als typisch männlich gesehen wurden. Ich glaube schon, dass sich da in den Medien und auch in der Gesellschaft etwas ändert. Aber dann gibt es auch so schöne Gegenbewegungen wie die Herdprämie der FPÖ, die uns doch wieder in alte Rollenbilder treiben möchte. Sowas bringt mich zur Weißglut.
Es gibt ja Schamlippen, Schamhaar – aber den Schamstängel beim Mann gibt es zum Beispiel nicht. Also die Scham ist weiblich. Leider.
Ich verstehe das auch total. Das hat mich bei mir selbst so erschreckt, dass ich da so schnell in diese alte Rolle zurückgefallen bin, vor der es mir eigentlich gegraust hat: Mein Mann hat zwar einen Papamonat gemacht, aber er war dann der, der die Brötchen nach Hause bringt. Immerhin gibt es Karenzgeld, aber von dem eine Wohnung zu bezahlen ist in Wien unmöglich. Es hat mich ziemlich gewurmt, dass ich nicht gleich wieder so viel arbeiten konnte, wie ich eigentlich wollte. Auch jetzt ist es so, man hat einfach nicht so viele zeitliche Ressourcen, vor allem, wenn man gern Mama ist und gern Zeit mit seinem Kind verbringt. Es ist immer ein Widerspruch. Und man kann es auch nie jemandem recht machen. Wenn man das Kind zu früh in die Betreuung schickt, ist es falsch, aber man soll ganz schnell wieder arbeiten gehen, und zwar am besten Vollzeit, weil Teilzeit schlecht für die Pension und für das System ist. Und die große Debatte dreht sich zu Recht darum, dass die Care-Arbeit daheim nicht so honoriert wird wie Berufstätigkeit. Und deshalb zahlen wir in keine Pensionskasse ein und stehen dann in der Altersarmut da. Wenn man das Glück hat, dass eine Beziehung bis zur Pension hält, dann passt alles – aber die Hälfte der Ehen wird vorher geschieden. Deshalb haben Alleinerzieherinnen einfach die ärgsten Existenzängste.
Der Papa natürlich. Am Vormittag ist sie im Kindergarten, da versuche ich so viel wie möglich zu arbeiten, und am Nachmittag bin ich dann für sie da oder mein Mann oder beide. Jetzt in der Vorbereitung aufs Programm hat oft er das Kind ins Bett gebracht, und ich habe noch geschrieben oder geprobt bis nach Mitternacht. Das sind schon arge Tage, die man da meistert.
Ja, aktuell schon, weil er gerade in Bildungskarenz ist. Aber wenn er als Angestellter Vollzeit arbeitet, geht es sich leider nicht aus.
Familiär ist es auf jeden Fall erfüllend, ein Kind zu haben. Ich muss zeitliche Abstriche machen. Ich realisiere auch, dass ich nicht mehr die zeitlichen Möglichkeiten wie früher habe. So viel zu unterrichten wie vorher, geht sich zum Beispiel jetzt nicht mehr aus. Natürlich kann man sich absprechen, aber man muss immer organisieren – das hört ja nicht auf, bis die Kinder selbstständiger werden. Man gibt sehr viel, da bleibt dann nicht mehr sehr viel Zeit und Energie für andere Dinge. Wenn man arbeiten möchte, muss man die restliche Energie, die man hat, dorthin kanalisieren. Das funktioniert bei mir ganz gut, aber auch nur mit Unterstützung von Papa, Großeltern, Babysitterin.
Das stimmt absolut. Es gibt nichts Gefährlicheres, als wenn man nur noch zu Hause ist in diesem Dreiergespann Vater-Mutter-Kind und sich gar niemanden dazuholt. Ich war echt eine Mama, die viel unternommen hat, aber du bist trotzdem sehr viel allein mit dem Baby – und geistig bist du dann echt unterfordert. Da ist es ganz wichtig, sich mit anderen Eltern zusammenzutun, um einen Austausch zu haben. Ich habe auch oft meine Eltern besucht, einfach damit auch einmal wer anderer das Baby hält. Weil es wird schnell einmal zu viel, und man vergisst sich selbst.
Mein Fokus war damals klarerweise ein anderer, aber ich habe immer noch französische Freund*innen. Und was ich so mitbekomme, leben die das ganz anders, die sind von Grund auf feministischer eingestellt. Da ist es eher schon fast ein Stress, dass man rasch wieder in den Job zurück muss, dort gibt es auch nur drei Monate Karenzgeld. Nach drei Monaten mein Kind abzugeben, wäre mir zu früh gewesen. Aber es ist auch okay, wenn man es tut – ich bin absolut pro Kinderbetreuungseinrichtungen. Man muss es sich halt auch leisten können.
Ja, weil es scheinbar immer noch nicht angekommen ist, dass Gleichberechtigung wichtig ist. Und es ist ein wahnsinnig abgedroschener Satz, aber es braucht feministische Themen auf der Bühne, damit sie normal wird. Es ist zum Beispiel immer noch so, dass jede*r eine Meinung zum weiblichen Körper hat. Frauen werden objektiviert und sollen einem gewissen Bild entsprechen. Das löst sich eh zum Glück langsam und normalisiert sich. Da spielen auch die sozialen Medien eine Rolle. Zum Beispiel gibt es jetzt diesen „Women in male fields“-Trend, bei dem typische patriarchale Aussagen ins Weibliche umgedreht werden. Zum Beispiel: „Sorry, meine Vulva braucht Platz. Deshalb mache ich Womanspreading.“ Oder: „Wenn er so viel Haut zeigt, dann braucht er sich nicht zu wundern.“ Aber es ist immer noch so, dass man als Frau kritischer betrachtet wird.
Laut zu sein und kontern zu lernen. Und drauf zu scheißen.
Katrin Immervoll wurde 1987 in Wien geboren und hat eine internationale Karriere hinter sich. Anfang der 2010er-Jahre war sie als Tänzerin in Frankreich, Deutschland und Großbritannien engagiert und kam sogar bis in die Ukraine und nach Russland. Zurück in Österreich startete die Absolventin des Wiener Konservatoriums, die auch in zahlreichen Musicals wie „Evita“, „Kiss me, Kate“ und „Sound of Music“ aufgetreten ist, eine Karriere als Kabarettistin. Ihrem ersten Soloprogramm „Die folle Wahrheit“, das bereits 2012 in einem Cabaret in Paris entstanden war, folgten „Finden“ (2017), „Folle vertont“ (2019) und „Furios“ (2020). Immer mit dabei war und ist ihr Alter Ego Katie La Folle, das Pariser Showgirl, das allen Programmen der 37-Jährigen seinen sympathischen Stempel aufdrückt, so auch bei ihrem neuen Programm „Rettet die Teetassen“, das momentan in Wien zu sehen ist.
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