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Kabarettpreis 2025 – Sieger*innen-Portrait Teil 2: Der Kuseng

Flüchtling, trans* Person, Kabarettpreisträger: Kian Kaiser, Gewinner des Förderpreises beim Österreichischen Kabarettpreis, über seinen Künstlernamen, Startnachteile, die Rolle von Sprache und die Sorgen queerer Menschen.
Kian Kaiser aka Der Kuseng – Gewinner Förderpreis Österr. Kabarettpreis 2025
© Christine Pichler

Du hast keine Chance – nutze sie. Das könnte das Motto der Künstlerkarriere von Kian Kaiser alias Der Kuseng sein, dem soeben der Förderpreis beim Österreichischen Kabarettpreis für sein Solodebüt „Hoamatland, Hoamatland“ zuerkannt wurde. Neben Berni Wagner (Hauptpreis) ist er heuer der zweite Preisträger aus Oberösterreich. Dabei, meint er im Gespräch mit funk tank, hatte er jede Menge Startnachteile: mit einer Iranerin als Mutter und einem Vater, der in der Türkei geboren wurde, dessen Eltern aber aus Georgien und Russland stammten.

„Ich glaube, jede Familie hat gewisse Traditionen – und unsere Familientradition ist es offenbar, auf der Flucht zu sein.“ Er sieht darin sogar etwas Positives, „weil es mir zeigt, dass meine Vorfahren optimistische Menschen waren, die sich nicht einfach ihrem Schicksal ergeben haben, sondern nach vorne geschaut haben, nach dem Motto: Hier ist es scheiße, schauen wir, wo es besser ist.“ Natürlich sind die Erfahrungen, die man dann macht, nicht immer positiv – vor allem, wenn man nicht nur Flüchtling, sondern auch noch eine trans* Person ist wie Kian. „Umso schöner fand ich dann den Moment, als ich angerufen und gefragt wurde, ob ich den Kabarettpreis annehmen möchte, weil ich nie wirklich die Zielgruppe für Erfolg war, sondern eher die Fußnote in irgendwelchen Integrationsstatistiken“, sagt der Autodidakt, der auf der Bühne steht – nicht weil, sondern obwohl er so ist, wie er ist. Und bei aller Freude schwingt auch ein bisschen Wehmut mit: „Viele andere mit ähnlich großem Talent werden vielleicht nie entdeckt und bekommen nie diese Chance.“

Vom Rap zum Kabarett

Der Kuseng jedenfalls hat seine Chance genutzt. Nach Poetry-Slam, Rap und einem Buch über die feministisch-queere Hip-Hop-Szene hat der 35-Jährige sich heuer auch auf die Kabarettbühne gewagt. Warum er sich dabei gerade diesen Künstlernamen ausgesucht hat? War es vielleicht gar ein größenwahnsinniger Vorgriff darauf, dass Kian auch gleich Deutschland erobern möchte – und das kann ein Kuseng halt besser als ein Cousin? Kian lacht und erklärt: „Ich bin tatsächlich sehr viel mit deutschem Fernsehen groß geworden, aber mir ging es eigentlich darum, einen Künstlernamen zu finden, der einer gewissen sozialen Klasse zugeordnet wird. Und mit ‚Der Kuseng‘ assoziiert man jetzt nicht unbedingt als Erstes Kabarett, das ja eine Kulturinstitution ist, die doch mittlerweile zur Hochkultur gezählt wird. Ich fand es schön, mit diesem Bruch zu spielen.“

Womit er auch gerne spielt, das ist die Sprache. Schließlich war Kian in der politischen Öffentlichkeitsarbeit tätig, „da waren Sprache und Sprechen immer Werkzeuge für mich“. Von daher war der Schritt zum Kabarett, in dem er eine gewisse Form der politischen Kommunikation sieht, dann gar nicht so ein großer. Es ist für ihn eine politische Waffe „mit einer Schaumstoffspitze – sie tut nicht weh, aber sie trifft trotzdem. Und im besten Fall bringt sie Menschen dazu, eigene Überzeugungen zu hinterfragen.“
„Wenn ich auf einer Bühne stehe, bin ich automatisch politisch“, meint Kian, der Menschen auch Lebensrealitäten zeigen möchte, mit denen sie sonst nichts zu tun haben – aber nicht belehrend, sondern verbindend.

„Gute und schlechte Sprachen“

Sprache ist für ihn ein Schlüssel – und gleichzeitig auch ein Schloss, weil man damit Menschen aussperren kann. Das betrifft nicht nur Nationalsprachen, sondern auch das Niveau, in dem gesprochen wird, „etwa in akademischen Texten oder auch in Kabarettprogrammen“. Darauf versucht Der Kuseng in seinem Bühnenprogramm Rücksicht zu nehmen und benutzt deshalb „kein Vokabular, das nur Migras oder Queere verstehen“, damit sich wirklich alle abgeholt fühlen – auch die, denen die Welt, um die es gerade geht, fremd ist. „Das ist ein zentraler Aspekt meines Stücks: Ich will wirklich Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten zusammenbringen – und wenn die gemeinsam in einem Raum sitzen und gemeinsam lachen können, dann verstehen sie auch einander.“

Geprägt haben ihn dabei seine eigenen Erfahrungen als Ausländerkind: „Es gibt bei uns in den Köpfen der Menschen gute und schlechte Fremdsprachen und gute und schlechte Ausländer*innen – zu Letzteren werden Menschen mit meiner Herkunft eher gezählt. Und wenn ich sage, dass ich Französisch spreche, wird das anders aufgenommen, als wenn ich sage, dass ich Türkisch kann.“
Dazu muss man wissen: Kian, der seit seinem zehnten Lebensjahr die österreichische Staatsbürgerschaft hat, beherrscht insgesamt fünf Sprachen: Persisch, Türkisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Die ersten beiden bekam er von daheim mit, die dritte im Kindergarten und die letzten beiden in der Schule. „Verschiedene Sprachen zu sprechen“, ist er überzeugt, „ist der größte Schatz, den man haben kann, weil man damit die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann.“

Ich war nie die Zielgruppe für Erfolg – eher die Fußnote in Integrationsstatistiken.

Ein emotionales Gastspiel

Eine neue Perspektive hat sich Kian auch bei der Suche nach seinem Lebensmittelpunkt gesucht, den er fürs Erste in Wien gefunden hat. Wobei er klarstellt, dass das „Hoamatland“ Oberösterreich ihm sehr oft den Rücken zugekehrt hat. „Ich verbinde damit sehr viel Schönes: die Natur, ich habe mich dort zum ersten Mal verliebt, aber ich habe dort auch zum ersten Mal Rassismus erlebt, als ich ein paar Jahre alt war.“
Er kommt aber immer wieder nach Oberösterreich zurück und hat etwa sein Programm auch in Vöcklabruck in jenem Flüchtlingsheim gespielt, in dem er einst mit seinen Eltern angekommen war. „Das war ein sehr bewegender Auftritt, weil es ein Zurückkommen war, wieder mit einem Koffer in der Hand – aber diesmal haben Menschen dafür bezahlt, dass sie mich sehen. Das war schon sehr emotional.“

Sichere Orte für queere Personen

Und dann ist da noch das zweite große Thema neben Heimat, Integration und Rassismus, dem Der Kuseng in seinem Kabarettprogramm Raum gibt: Dass Kian trans* ist, spricht er nicht nur offen an, sondern er widmet diesem Umstand auch gleich mehrere bissige Pointen. Wer davon irritiert ist, sollte den Kabarettisten fragen, was im Vergleich dazu trans* Personen an Schamlosigkeit serviert bekommen – und zwar nicht auf der Bühne, sondern ganz im Privaten.
Kian macht jedenfalls die Situation queerer Menschen Sorgen, die immer mehr Anfeindungen und Gewalttaten ausgesetzt sind – und zwar nicht nur im Nachbarland Ungarn, wo jüngst die Pride vom Budapester Bürgermeister gegen den autokratischen Premier durchgesetzt wurde und extrem großen Zulauf erfuhr.
„Es braucht solche Veranstaltungen, um aufzuzeigen, dass es sonst keine Räume gibt, in denen sich queere Menschen sicher fühlen können, wenn sie feiern, oder wo sie nicht blöd angeschaut werden, wenn sie Händchen halten und sich küssen. Selbst in der Landeshauptstadt Linz gibt es mittlerweile kein queeres Lokal mehr.“ Und von der Anfeindung ist es kein langer Weg mehr zur Beschneidung der Rechte queerer Personen. „Und wenn ein Menschenrecht für eine Personengruppe verrückbar ist“, warnt Kian, „dann ist es für jeden verrückbar.“

Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:

  • Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
  • Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
  • Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
  • Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
  • Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
  • Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.

Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft von 11. bis 31. August auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.

Der Kuseng

Portrait Redakteur Mathias Ziegler
Mathias Ziegler
ist seit seiner Jugend Stammgast im Kabarett. Der versierte Redakteur und Podcast-Host baute bei der Wiener Zeitung die Kabarettberichterstattung mit auf und ist der Szene stark verbunden geblieben.

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