Für ihr aktuelles Soloprogramm „Angenehm“ wird Antonia Stabinger (40) heuer zum zweiten Mal mit dem Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet, konkret mit dem Programmpreis. 2017 bekam sie bereits den Förderpreis, damals als Teil des Duos Flüsterzweieck mit Ulrike Haidacher (gegründet 2009). Neben Solo und Duo ist sie auch immer wieder in einem Quartett unterwegs, und zwar beim Pub Quiz Bizarre mit Elli Bauer, Magda Leeb und Sonja Pikart. Über die Auftritte, die ihr am meisten Spaß machen, hat die gebürtige Grazerin und studierte Germanistin Antonia Stabinger mit funk tank ebenso gesprochen wie über Feminismus, der in ihrem ausgezeichneten Programm eine wichtige Rolle spielt. Außerdem: Warum sie als Klitoris auftritt und warum sie einen Podcast über Pflegekinder macht …
Antonia Stabinger: Ein Kabarettprogramm ist immer ein Status quo der Zeit, in der es geschrieben wird. Und da Texte bei mir am besten funktionieren, wenn mich das Thema persönlich emotionalisiert, geht es in meinem Programm dementsprechend viel um Feminismus. Es ist unglaublich, dass wir immer noch über Themen wie Gender Pay Gap, Femizide, die angemessene Wertschätzung von Care-Arbeit und Ähnliches reden müssen. Aber in meinem Programm geht es auch um andere Themen wie zum Beispiel die Klimakrise, Mental Health, Queerness, Kinder, Hunde und wie man am besten einen Orgasmus hat. Es lohnt sich also zu kommen! (Lacht.)
Man braucht wohl ein gewisses Maß an Kraft, Zeit und wirtschaftlicher Sorglosigkeit, um sich beispielsweise Themen wie Diversität, Nachhaltigkeit oder Feminismus zu widmen – und die krisendurchwachsene Gegenwart hält gerade wenige Kapazitäten frei. Offenbar gehen Menschen genau dann wieder zurück zu konservativen Werten, wenn es am dringendsten ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen bräuchte. Wenn internationale Konflikte und Krisen brodeln, wenden wir uns deshalb zum Beispiel lieber den Tradwives zu, anstatt gerade jetzt offen zu sein für eine faire Gesellschaftsstruktur. Es ist großartig, dass Feminismus endlich in der Mitte der Gesellschaft und im Mainstream angekommen ist. Allerdings bringt das auch das Risiko mit sich, dass der Diskurs verwaschen oder nicht ernst genommen wird, wenn feministische Argumente manchmal leichtfertig oder falsch angewendet werden. Wir dürfen das große Ganze nicht aus den Augen verlieren!
Beides stimmt. Alice Schwarzer war wichtig, und sie hat wahnsinnig viel bewegt. Aber sie hat auch einen sehr exklusiven Feminismus vertreten – oft nicht intersektional, oft biologistisch und mit einem problematischen Verhältnis zu trans* Menschen. Das muss man benennen dürfen, ohne ihre historische Rolle kleinzureden. Wir können dankbar sein und trotzdem weitergehen.
Für mich war und ist die Clit/Doris mein Vehikel, um Leute mit wichtigen Themen zu erreichen. Abgesehen von meiner persönlichen Liebe zu Ganzkörperkostümen auf der Bühne war mir natürlich klar, dass ich mehr Reichweite mit einem Vulva-Kostüm bekomme, als wenn ich unkostümiert zu Feminismus referiere. Eigentlich war die Figur ja als Social-Media-Eyecatcher gedacht. Aber dann hat eines zum anderen und schließlich zu einem Solokabarettprogramm geführt. Für mich ist die Klitoris die Wurzel des Feminismus: Erst seit drei Jahren wird sie in Schulbüchern als Ganzes – und nicht nur ihre Spitze – abgedruckt. Bis dahin wurde also kommuniziert: Mädchen fehle etwas, sie hätten eine Lücke, eine Leerstelle, sie wären die unvollständige Ausgabe Mensch. Dabei haben auch wir alle Teile, die ein Penis hat – sie sind nur praktischer aufgeräumt.
Für mich ist die Klitoris die Wurzel des Feminismus: Erst seit drei Jahren wird sie in Schulbüchern als Ganzes – und nicht nur ihre Spitze – abgedruckt. Bis dahin wurde also kommuniziert: Mädchen fehle etwas, sie hätten eine Lücke, eine Leerstelle, sie wären die unvollständige Ausgabe Mensch. Dabei haben auch wir alle Teile, die ein Penis hat – sie sind nur praktischer aufgeräumt.
Es ist wie immer: Alles hat angenehme und unangenehme Aspekte. An einem Skript kann man mit Muße feilen, Impro darf man dafür immer neu erfinden. Wenn man die Bühne mit anderen teilt, hat man mehr Möglichkeiten in Dialogen und eindeutig mehr Spaß auf Touren. Dafür ist man allein in einer Liveshow unglaublich flexibel. Deshalb ist es am schönsten, alles davon zu machen.
Dieser Podcast hat sich für mich als eine absolute Win-Win-Situation herausgestellt. Einerseits bringe ich so das Thema Pflegekinder in mehr Ohren und damit Köpfe, andererseits lerne ich selbst auch viel über das Thema. Zu Gast sind Fachleute – Wissenschaftler*innen, die seit Jahrzehnten zu dem Thema forschen, das ist dann wie eine Privatvorlesung für mich, in der ich auch noch Fragen stellen darf. Und dann besuchen uns auch viele Pflegeeltern aus den unterschiedlichsten Konstellationen, die berührende Geschichten mitbringen und zeigen, was Familie alles sein kann. Und ich denke, da gibt es auch weiterhin noch viel zu besprechen!
Das Thema Kinder, ihre fantastischen Sichtweisen, Care-Arbeit und ihre Aufteilung in Familien wird bestimmt weiterhin mitschwingen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, ein komplett monothematisches Programm zu spielen. Das wäre mir zu langweilig – und ich muss es ja schließlich drei Jahre spielen, das Publikum ist ja meist jeweils nur einmal dabei. Also mache ich, was mir Spaß macht. Es darf aber gern mitgelacht werden.
Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:
- Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
- Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
- Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
- Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
- Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
- Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.
Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft von 11. bis 31. August auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.


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