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Jede Kaffeetasse verändert die Welt

„Fairtrade“ feiert in Österreich heuer sein 30-jähriges Jubiläum. Grund genug, die Entwicklung der Organisation und deren Auswirkungen auf die Kaffeebauernfamilien genauer unter die Lupe zu nehmen und mit einer Expertin darüber zu sprechen.
Kaffeeröster im Einsatz
© Jonathan Farber / Unsplash

Dreißig Jahre „Fairtrade“ in Österreich. Was hat sich durch den Einsatz der Organisation für die Kaffeebäuerinnen und -bauern in den vergangenen Jahren geändert, was soll in den nächsten 30 Jahren geschehen? Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: Die Kaffeesommelière Alexandra Urban hat sich als Beraterin für Röstereien und als Ausbilderin für Kaffeefachleute einen Namen gemacht. Seit dem Frühjahr 2023 ist sie Kaffeemanagerin bei Fairtrade International.

funk tank: Vor 30 Jahren war Kaffee das erste Fairtrade Produkt in den österreichischen Regalen. Heute werden hierzulande täglich rund 1,5 Millionen Tassen Fairtrade Kaffee konsumiert. Was hat sich dadurch verändert?
Alexandra Urban: Konsument*innen haben durch ihre Kaufentscheidung Macht. Eine Tasse fair gehandelten Kaffee zu trinken, mag nach wenig aussehen. Aber es ist eine bewusste Kaufentscheidung, die – vor allem in der Masse – einen Unterschied macht! 1,5 Millionen dieser Kaufentscheidungen täglich sind gigantisch und haben in den vergangenen 30 Jahren bei den Fairtrade Kaffeebauernfamilien viel bewegt. Die Produzent*innen profitieren am meisten vom fairen Handel, wenn ihre Kooperationspartner*innen ihren Kaffee zu Fairtrade Bedingungen verkaufen können. Deshalb ist es ermutigend zu sehen, wie viele Menschen Wert darauf legen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen und dies zu einem Teil ihrer täglichen Routine machen.
Portrait Kaffeesommelière Alexandra Urban
© Anne Barth Photography
Was muss das Ziel von Fairtrade für die nächsten 30 Jahre sein?
Es gibt viele Entwicklungen, auf die wir auch kurzfristig reagieren müssen, wie bereits in der Vergangenheit getan. Die weltpolitische Lage, der Markt, die Anforderungen der Konsument*innen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen sind stets im Wandel. Wir beobachten, dass die Anforderungen an die Kaffeeproduzent*innen immer größer werden – in Bezug auf Transparenz und Rückverfolgbarkeit, Qualität und Weiterverarbeitungsprozesse, aber auch aufgrund der aktuellen Anforderungen an entwaldungsfreie Lieferketten und den ökologischen Landbau – und natürlich durch die Auswirkungen der Klimakrise. Studien haben vorausgesagt, dass etwa die Hälfte der derzeitigen Kaffeeanbauflächen bis 2050 aufgrund steigender Temperaturen für den Kaffeeanbau ungeeignet sein wird. In Anbetracht all dieser Entwicklungen ist es wichtig, dass die Produzent*innen die finanziellen Ressourcen haben, sich darauf einzustellen, nicht zuletzt durch einen fairen Preis für ihre Kaffeeernte. Aber auch Ertragssteigerungen, eine höhere Produktivität, ein leichterer Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und die Diversifizierung des Einkommens, um aus Abhängigkeiten herauszukommen, sind anzustrebende Ziele, um nur einige zu nennen. Wir wissen zwar nicht, was in den nächsten 30 Jahren alles passieren wird, aber wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Produzent*innen mit am Tisch sitzen, um Entscheidungen zu treffen und um gemeinsam die Zukunft von Fairtrade zu gestalten. Kurz gesagt: Wir sollten mehr vom Gleichen tun, aber intelligenter, gezielter und ressourcenschonender als je zuvor!
Kaffeefarmer Fairtrade
© Christoph Koestlin / Fairtrade
Die Teuerung war und ist noch immer ein globales Problem. Studien haben gezeigt, dass Fairtrade Kleinbauernfamilien Kostenschwankungen besser als Landwirt*innen verkraften, die nicht dem fairen System angehören. Warum?
Die Teuerung hat viele Kaffeeanbauländer stark betroffen. Die Inflationsrate ist zum Teil viel höher als bei uns. Auch haben sich die Kosten für die Kaffeeproduktion durch gestiegene Preise für Düngemittel, Arbeitskräfte, Transport und so weiter enorm erhöht. Der Fairtrade Mindestpreis ist ein wirksames Mittel, um diesem Trend Rechnung zu tragen, denn er gewährleistet Planungssicherheit. Durch dieses Sicherheitsnetz sind Kleinbauernfamilien der Organisation resilienter, da sie mit dem Wissen, dass der Verkaufspreis unabhängig vom schwankenden Weltmarktpreis eine bestimmte Marke nicht unterschreiten wird, planen können. Das ist enorm wichtig!

Wir sollten mehr vom Gleichen tun, aber intelligenter, gezielter und ressourcenschonender als je zuvor.

Stichwort global: Auch die Klimakrise ist ein Problem, das vor niemandem haltmacht. Kaffee ist eine sehr klimasensible Pflanze. Wie begegnen Fairtrade Kaffeebauernfamilien dem Klimawandel?
Fairtrade Kaffeebauernfamilien stehen in punkto Klimawandel an der vordersten Front. Für sie sind die Auswirkungen der Klimakrise tägliche Realität. Einige leiden bereits unter dem Verlust von Land und Ernten und kämpfen um ihre finanzielle Lebensgrundlage. Denn extreme Wetterbedingungen, steigende Temperaturen und die damit verbundenen Veränderungen im Ökosystem beeinträchtigen ihren Ernteertrag und manchmal auch die Qualität des Kaffees. Die Fairtrade Prämie, die zusätzlich zum Fairtrade Mindestpreis gezahlt wird, kann für Projekte eingesetzt werden, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dies können Baumpflanzungen zur Vermeidung von Bodenerosionen, Bewässerungsprojekte, die Diversifizierung von Anbauprodukten und die Verjüngung der Kaffeebäume sein, abhängig von den lokalen Gegebenheiten und Bedürfnissen.
Kaffeebauern Fairtrade bei der Arbeit
© Rosa Panggabean / Fairpicture Fairtrade
Fairtrade Kaffee wird mittlerweile international geschätzt und nachgefragt, und die Spezialitätenkaffees nehmen regelmäßig an Wettbewerben teil. Wie unterstützt die Organisation das Qualitätsbewusstsein der kooperativen Mitglieder?
Wir haben beispielsweise auf der SCA-Messe in Portland und der World-of-Coffee-Messe in Athen zwei öffentliche Verkostungen der Gewinner der nationalen Golden-Cup-Wettbewerbe organisiert. Das war eine schöne Möglichkeit, um die Vertreter*innen der Kooperationspartner*innen und potenzielle Käufer*innen zusammenzubringen und auch einfach „die Tasse sprechen zu lassen“. Die Besucher*innen der Messe konnten Kaffees verkosten und sich selbst ein Bild von der überragenden Qualität machen. Zu sehen, wie so hochwertige Qualitäten angenommen werden und dass man dafür auch eine zusätzliche Qualitätsprämie erhalten kann, ist natürlich für die Produzent*innen ein enormer Anreiz. Auch dadurch wird ihr Qualitätsbewusstsein gefördert.
Kaffeebohnen mit Hand
Milo Miloezger / Unsplash
Gibt es neue internationale Kaffeetrends, die auch für die Konsument*innen in Österreich spannend sind?
Vielleicht nicht das, was Sie unter einem Trend verstehen. Doch die Entwicklung, die wir derzeit beobachten, ist die weitere Verbreitung von vermeintlichen Nachhaltigkeitssiegeln, die keine wirksamen Standards mit sich bringen. Das ist für viele Konsument*innen ein Problem, da es oft schwer zu wissen ist, worauf sie vertrauen können. Umso wichtiger wird zukünftig das Fairtrade Siegel mit seinen hohen Bekanntheits- und Vertrauenswerten sein, gestützt durch umfangreiche Standards sowie regelmäßige und unabhängige Kontrollen. Aber auch neue gesetzliche Bestimmungen wie das geplante EU-Lieferkettengesetz werden hoffentlich dazu beitragen, die Wettbewerbsbedingungen anzugleichen. So kann sichergestellt werden, dass beim Kauf von fairen Produkten die Produzent*innen wirklich profitieren und die Konsument*innen nicht in die Irre geführt werden. Bei Qualitätswettbewerben wie bei der Taza Dorada („Goldene Tasse“) schicken Fairtrade zertifizierte Kooperationspartner*innen ihre besten Kaffees ins Rennen – ein großer Ansporn für die Produzent*innen, höchste Qualitäten anzubauen und eine tolle Wertschätzung ihrer Arbeit.

Alexandra Urban ist diplomierte Politologin und Wirtschaftsgeographin mit Schwerpunkt Lateinamerika und seit über zehn Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der Fairtrade Kaffeewelt zu Hause. Sie hat Erfahrung in der Qualitätskontrolle, im Rohkaffeeeinkauf sowie in der Abwicklung von Direktimporten für verschiedene Röstereien und schult Kaffeefarmer*innen, -röster*innen und -händler*innen. Seit Anfang des Jahres arbeitet sie als Kaffeemanagerin im Team Global Products, Programs & Policy von Fairtrade International.

Fairtrade

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Stefanie Borchardt
Stefanie Borchardt arbeitet als Redakteurin bei Fairtrade Österreich.

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