Asterix in Lusitanien: Melancholie trifft auf Turbokapitalismus

Nur weil ein Buch bunte Bilder und Sprechblasen hat, ist es noch lange kein Kinderbuch.

Es ist wieder Oktober in einem ungeraden Jahr. Seit 2001 bedeutet das für mich: Endlich kommt wieder ein neues Asterix-Album heraus! Und der Stapel in unserer Comic-Bibliothek wird wieder ein klein wenig höher. 41 reguläre Abenteuer sowie einige zusätzlich eingeschobene Sonderbände sind es mittlerweile. Und so halte ich nun endlich „Asterix in Lusitanien“ in Händen: Es geht also diesmal nach Portugal. Und es ist wie Heimkommen: Schon auf der ersten Seite treffen die Gallier einen alten Freund (den phönizischen Händler Epidemais), der gleich einen anderen alten Bekannten mit an Bord hat (den lusitanischen Ex-Sklaven Schnurres, der einst bei der Waldrodung für die Trabantenstadt im Einsatz war).

Und dann natürlich die unvermeidlichen Piraten – wo sich der woke Zeitgeist offenbart: Nach Dutzenden von Begegnungen, in denen der numidische Ausguck Baba mit seinen r-losen Kommentaren über „Gallie und Röme“ für Lacher beim Lesen sorgte, wurde sein chronischer Sprachfehler nun vom aktuellen Asterix-Autor Fabrice Caro alias Fabcaro beseitigt. Natürlich merken die anderen Piraten das sofort. Ja, natürlich ist es politisch unkorrekt und böse, sich Stereotypen und Klischees zu bedienen, und deshalb werde ich mich hier nicht in die Nesseln setzen und das kommentieren. Wobei: Ist es überhaupt Baba? Der dunkelhäutige Pirat sieht sich selbst eigentlich überhaupt nicht mehr ähnlich. Zeichner Didier Conrad hat ihm jedenfalls in Band 41 ein ganz neues, breiteres Gesicht verpasst.

Sprechende Namen, karikierte Gesichter

Ja, und sonst? Sonst bleibt tatsächlich alles beim Alten. Fabcaro erzählt eine solide Geschichte mit einer ausgefeilten Handlung, die Asterix einiges an Spürsinn abverlangt – ich fühle mich an detektivische Abenteuer wie „Die Goldene Sichel“ oder „Der Avernerschild“ erinnert. Diesmal geht es darum, dass ein Garum-Großhändler einen lokalen Erzeuger durch ein Komplott vom Markt verdrängt. (Das aus Fischsud hergestellte Gewürz Garum hatte bei den Römern in etwa den Stellenwert wie unser Maggi.)

Obelix hat wieder eine junge Dame zum Anhimmeln, ist wie immer gedanklich einen Schritt hinterher, stört sich daran aber gar nicht, sondern ist viel zu beschäftigt damit, seine Abneigung gegen Fisch auszuleben. Kein Wunder: Wer täglich mit der verfaulenden Ware von Verleihnix konfrontiert ist, kommt quasi vom Regen in die Traufe, wenn er sich plötzlich in einer Gegend wiederfindet, in Salz eingelegter Kabeljau als Delikatesse gilt. Und wenn Obelix „subtil“ vorgeht, dann weiß man genau, dass ein Zahnstocher zum Baumstamm wird.

Und die aktuellen Asterix-Macher halten sich an das Erfolgsrezept der Gründerväter René Goscinny und Albert Uderzo: Erstens greifen sie aktuelle Themen auf, die in die Antike verpflanzt werden – in diesem Fall den globalisierten Turbokapitalismus (der intrigante Garum-Konzernchef beliefert das gesamte römische Reich) und die Pensionsdebatte. Zweitens karikieren sie bekannte Gesichter – etwa jene des höchst umstrittenen italienischen Langzeit-Premiers Silvio Berlusconi und des britischen Starkomikers Ricky Gervais. Drittens setzen sie auf zahlreiche Wortspiele und sprechende Namen von Mandarfjanix über Schãoprozes bis Fetterbonus. Viertens tauchen sie ein in die jeweilige Landschaft und Mentalität der von ihren Helden besuchten Völker. In diesem Fall sind es die pittoreske Architektur eines beschaulichen portugiesischen Fischerdorfes und die im Fado so oft zum Ausdruck gebrachte Melancholie, die auch als Saudade bezeichnet wird: eine tiefe Sehnsucht nach etwas Verlorenem, um nicht zu sagen ein einziger großer Weltschmerz.

Asterix in Lusitanien: Melancholie trifft auf Turbokapitalismus
Der neue Band 41 © ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY-UDERZO

Für Kinder nicht mehr ganz so lustig

All dies haben Conrad in seinem siebenten und Fabcaro in seinem zweiten Asterix-Band wieder zu einem großen Abenteuer verwoben, bei dem sich auch die deutsche Übersetzung nach Kräften bemüht hat, auf dem Weg nichts vom originalen französischen Humor zu verlieren. Allerdings ist genau dieser Humor erwachsener geworden. Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind die Asterix-Alben im Besitz meines Vaters eines nach dem anderen verschlungen habe, wobei man die Hefte mehrmals durchblättern musste: Im ersten Durchgang las man die Geschichte, im zweiten Goscinnys sprachliche Feinheiten und im dritten die vielen Details, mit denen Uderzo seine Bilder gespickt hatte.

Und auch mein inzwischen zwölfjähriger Sohn verkriecht sich immer mal wieder stundenlang mit Asterix-Comics oder lacht sich über die Filme schlapp. Jedoch die neueren Hefte nimmt er nur selten in die Hand. Mit „Asterix in Lusitanien“ war er nach nicht einmal fünf Minuten durch und hat es fast schon desinteressiert wieder weggelegt. Dabei hat dieses neue Album 48 Seiten und gar nicht so wenig Text. Aber während Goscinny offenbar die Kunst beherrschte, bei aller zeitgenössischer Gesellschaftskritik, die er in seine Sprechblasen hineinpackte, trotzdem auch mehr oder weniger subtile Gags für ganz junge Leser*innen unterzubringen, hat sich spätestens mit Fabcaro – zumindest in der deutschen Übersetzung – eine gewisse akademische Schwere eingeschlichen.

Klar, insbesondere die Namen sind ebenso selbsterklärend wie ein Gag mit einem Passwort, das Asterix in der Unternehmenszentrale des Garum-Oligarchen wählen muss. Aber Szenen wie jene in der Marketing-Sitzung, die unsere beiden Gallier crashen, sind tatsächlich nur für gebildete Erwachsene unterhaltsam. Weil man das Bullshit-Bingo, das dort gespielt wird, irgendwann zumindest peripher mitbekommen haben muss, um zu verstehen, warum diese Anspielungen lustig sind. Einmal mehr wird hier deutlich: Nur weil ein Buch bunte Bilder und Sprechblasen hat, ist es noch lange kein Kinderbuch. Einen Vorteil hat es für mich zumindest: Bis mein Sohn alt genug ist, um „Asterix in Lusitanien“ entsprechend würdigen zu können, bleibt mir mehr Zeit, dieses neue Abenteuer in Ruhe zu lesen.

Asterix in Lusitanien: Melancholie trifft auf Turbokapitalismus
Was bei den Avernern Wein und Kohlen waren, sind bei den Lusitaniern Kacheln und Kabaljau © ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY-UDERZO

Im 41. Asterix-Band „Asterix in Lusitanien“ (Veröffentlichung 23.10.2025 bei Egmont Ehapa Media) schicken Fabcaro und Didier Conrad die Gallier nach Portugal, wo sie auf Kapitalismus, Melancholie und alte Bekannte treffen. Der Humor ist erwachsener und gesellschaftskritischer geworden – weniger kindlich, aber sprachlich brillant.

Asterix in Lusitanien

Wald4tler Hoftheater: Vom Bauernhof zur Kulturinstitution

Eigentlich war es fast ein kleiner Unfall“, meint Moritz Hierländer, „zumindest war es damals so nicht geplant, dass mein Vater hier ein dauerhaftes Theater gründen würde.“ Inzwischen geht im Wald4tler Hoftheater in Pürbach bei Gmünd die 40. Saison über die Bühne. Das war 1986 definitiv nicht abzusehen, als der Musiker Harry Gugenberger und seine Frau, die Schauspielerin Stella Hierländer, ein bisschen Kultur in den alten Bauernhof bringen wollten, den sie als privaten Rückzugsort im tiefsten Waldviertel, keine zehn Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, erworben hatten.

„Es war eine Art bunter Abend, was sie damals veranstaltet haben. Die Familie war da, viele Leute aus dem Dorf waren eingeladen und saßen auf Heurigenbänken im Stadl, den meine Eltern gemeinsam mit dem Schauspieler Wolfgang Böck und dem Grafiker Reinhold Hartl-Gobl hergerichtet haben“, erzählt Moritz Hierländer, der als Zweijähriger mit großen Augen auf der improvisierten Bühne neben Böck stand, der Texte von Karl Valentin vortrug. „Ich bin um meinen Vater herumgelaufen, der mit seiner Band gespielt hat“, erinnert er sich. Seine Mutter und auch seine Großeltern steuerten schauspielerische Beiträge bei.

120 Kinosessel im Stadl

Weil diese erste Veranstaltung ein so großer Erfolg war, beschloss Gugenberger, sie im folgenden Jahr zu wiederholen – und kaufte dafür gleich 120 alte Kinosessel, die er statt der Heurigenbänke im Stadl aufstellte. Das Waldviertel hatte einen neuen kulturellen Veranstaltungsort, an dem ab 1988 auch die ersten Eigenproduktionen inszeniert wurden. Heute gibt es hier das ganze Jahr über ein Programm mit rund 10.000 verkauften Karten pro Saison.

Theaterleitung in zweiter Generation


Das Publikum im alten Bauernhof ist ein bisschen gemischter als in Wien, meint Intendant Moritz Hierländer, der im Jahr 2016 nach dem Tod seiner Eltern die Leitung des Wald4tler Hoftheaters übernommen hat. „Eigentlich wollte ich mich auf meine Musik fokussieren, aber als mein Vater gestorben ist, war es überhaupt keine Frage, dass ich das Projekt weiterführe“, betont er. „Weil es einfach ein Juwel hier im Waldviertel ist. Der Theatersaal und das ganze Areal sind wunderschön, die Akustik ein Traum. Und meine Eltern haben es geschafft, dass wir gute Förderungen bekommen.“

Die idyllische Landschaft des Waldviertels sowie die Zwanglosigkeit und Gemütlichkeit des Spielorts helfen ihm durchaus, Künstler*innen nach Pürbach zu locken, meint er.

40 Jahre Wald4tler Hoftheater: Vom Bauernhof zur Kulturinstitution – mit Moritz und Caro Hierländer
Moritz und Caro Hierländer © Wald4tler Hoftheater

Ich will nicht nur Komödien machen, sondern jedes Genre bedienen. Wir sehen uns ein bisschen als kleines Landestheater im Waldviertel.

Einzugsgebiet von Linz bis Wien


Im Sommer kommen vor allem Urlauber*innen, übers Jahr gesehen verortet Hierländer sein Publikum zu etwa 60 bis 70 Prozent aus der Umgebung – also aus den Bezirken Gmünd, Waidhofen und Zwettl. Das Einzugsgebiet des Theaters reicht aber von Linz bis Wien. „Auf unserem Parkplatz stehen oft Wohnmobile aus Oberösterreich.“ Dass Pürbach trotz der Nähe zu Tschechien nur eineinhalb Autostunden von Wien entfernt ist und der Bahnhof in zehn Minuten Gehweite liegt, war für seinen Vater einst ein Grund, sich hier anzusiedeln – und kam in der Folge dem Wald4tler Hoftheater zugute.

„Ein bisschen ein kleines Landestheater im Waldviertel“


Gerade in der tiefsten Provinz, wie es so schön heißt, ganzjährig eine Kulturbühne zu führen, ist freilich eine Herausforderung, sagt Hierländer. „Wenn ich ein lustiges Stück mit zwei aus dem Fernsehen bekannten Gesichtern habe, zieht das natürlich mehr Leute an als ein Problemstück, bei dem vielleicht nur 80 der 180 Plätze besetzt sind.“

Aber Hierländer nimmt das bewusst in Kauf und programmiert so, „dass für alle etwas dabei ist. Ich will nicht nur Komödien machen, sondern jedes Genre bedienen. Wir sehen uns ein bisschen als kleines Landestheater im Waldviertel.“

Wie schon seinem Vater steht auch dem Sohn Schauspieler Wolfgang Böck treu zur Seite – er wird die fünfte Dekade des Wald4tler Hoftheaters als eine Art Mentor begleiten. Zwar kommt er nicht mehr so oft nach Pürbach, aber jedes Jahr machen Böck und Hierländer eine gemeinsame Weihnachtsshow: Der Schauspieler liest Weihnachtsgedichte, der Musiker spielt mit seiner Band. „Ich würde ihn gerne auch einmal für ein Theaterstück gewinnen“, sagt Hierländer. Aber der Terminkalender des Intendanten der Kobersdorfer Sommerspiele hat das bisher noch nicht zugelassen. Vielleicht wird es ja was in der 41. Saison …

Das Wald4tler Hoftheater ist seit 40 Jahren eine feste Größe in der niederösterreichischen Kulturszene. Mehr als 400.000 Besucher*innen haben über 3.300 Vorstellungen erlebt. Als Theater in zweiter Generation verbindet der Hof regionale Verwurzelung mit zeitgenössischem Anspruch. 

Am 26. September startet das immersive OFF-Theaterstück „Freibier“. Es folgt Kabarett mit Edi Jäger am 27. und das Bilderbuchkino für Kinder „Glanz. Stücke“ am 28. September. Im Oktober stehen „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ (3.–5. Oktober), Kabarett mit Sigi Zimmerschied (9. Oktober) und das Solo-Stück „Prima Facie“ (11. Oktober) auf dem Programm. Ab 23. Oktober läuft die Uraufführung von „Die Tragik mit der Komik“. Im Dezember sorgen „Die große Weihnachtsshow“ (5. Dezember) und die „Jubiläumsshow – 40 Jahre Hoftheater“ (13. Dezember) für einen festlichen Abschluss des Jahres.

Wald4rtler Hoftheater

Kabarettpreis 2025: Sieger*innen-Portrait Teil 4: Berni Wagner

Dreimal Preisträger beim Österreichischen Kabarettpreis binnen vier Jahren – damit ist Berni Wagner zwar nicht der Einzige, aber in so kurzem Zeitabstand hat es noch niemand sonst geschafft. Die Fachjury aus 13 Kulturjournalist*innen und zwei Bühnenleiter*innen würdigt mit dem Hauptpreis 2025 seinen „scharfen Blick auf die Ausstülpungen unserer Gesellschaft“ und lobt seine „enorme Energie, starke Bühnenpräsenz und hohe Wuchteldichte“, mit denen er sich an aktuellen Themen abarbeitet.

Die Bühne als Ventil

Vor allem die enorme Energie ist es, die in seinem aktuellen Programm „Monster“ besonders stark zu spüren ist. Und je wilder Berni Wagner auf der Bühne agiert, „desto ruhiger und erträglicher werde ich privat“, meint der Kabarettist schmunzelnd im Gespräch mit funk tank. „Da ist etwas, was aus mir raus muss. Mein Umfeld hat festgestellt, dass ich viel nerviger war, bevor ich dieses Ventil bekommen hab – alle paar Tage auf der Bühne zu stehen.“ Früher wollte er das Zentrum jeder Party sein, „jetzt steh ich in der Ecke und hör zu.“

Fünf Soloprogramme hat er bisher auf die Bühne gebracht, von denen „Galápagos“ im Jahr 2022 mit dem Programmpreis ausgezeichnet wurde. Nur zwei Jahre später folgte der zweite Programmpreis, diesmal für „GHÖST – Eine Halloweenshow“. Im Trio mit Sonja Pikart und Christoph Fritz wurden dabei Österreich und seine Bewohner*innen aufs Korn genommen.

Und jetzt eben der vorläufige Höhepunkt: der Hauptpreis für „Monster“. In der Jurybegründung ist nicht nur die Rede von der Dynamik, mit der Berni Wagner „seine Abende über Stand-up weit hinaus hebt“, sondern auch vom Männerbild des gelernten Biologen, das sich von „Schwammerl“ (seinem ersten Solo im Jahr 2013, das ihm gleich einmal den Grazer Kleinkunstvogel bescherte – damals noch ohne wilde Mähne) bis zu „Monster“ gewandelt hat. Zitat der Jury: „Ein von patriarchalen Strukturen und diffusen Ängsten toxisch genährtes Monster! Wie er mit dem Thema Männlichkeit umgeht, lässt einen schaudern, lachen und gelegentlich den Mund offenstehen. Wie es sich für ein gutes Kabarett gehört, verlässt man gut gelaunt das Theater, aber in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten fällt einem immer wieder etwas auf – und ein –, was dieser Berni Wagner offengelegt hat.“

„Die Arbeit ist bei weitem noch nicht getan“

Und was sagt der Künstler selbst? Nun, er sieht positive Entwicklungen, gleichzeitig aber auch Strömungen, die immer noch ein problematisches Männlichkeitsbild vermitteln. „Und die Boys werden damit alleine gelassen. Aber es bemühen sich mehr Männer, darauf zu achten, was problematische Verhaltensweisen sein können, was Frauen Angst macht oder sie in unangenehme Situationen bringt.“

Berni Wagner spricht von „extrem reflektierten jungen Burschen, die fähig sind zu emotionaler Regulation, Sanftheit und Zärtlichkeit“, und auch von älteren Männern, die dazulernen wollen. „Ich glaube, da ist schon sehr viel Interesse da. Aber die Arbeit ist bei weitem noch nicht getan.“ Um es kurz zu fassen: „Es ist kompliziert. Aber das ist vielleicht nicht so knackig als Antwort“, meint er schmunzelnd.

In „Monster“ jedenfalls spielt er von Beginn an mit Geschlechterklischees und ergeht sich in hochphilosophischen Betrachtungen, die rasch ins Absurde abgleiten – und doch enorm intelligent und tiefsinnig sind. Zum Beispiel die Frage: Was ist ein echter Mann? Eine letztgültige Antwort findet er nicht, aber auf dem Weg dorthin nimmt er viele Erkenntnisse und Wortspiele mit, wenn er sich über echte Männer lustig macht. Aber nicht nur über die. Berni Wagner spart auch sich selbst nicht aus und schwelgt in Selbstironie.

Der 34-jährige Oberösterreicher Berni Wagner bekommt heuer den Hauptpreis beim Österreichischen Kabarettpreis.
© Ernesto Gelles

Da ist etwas, was aus mir raus muss. Mein Umfeld hat festgestellt, dass ich viel nerviger war, bevor ich dieses Ventil bekommen hab – alle paar Tage auf der Bühne zu stehen.

Lieber Weichei als Hodenkrebs

Es hat hohen Unterhaltungswert, wenn er sich im Geiste einen brutalen Fantasie-Infight mit dem Papst liefert (der – pazifistischer Jesuit hin oder her – jeden schlagen würde, der seine Mutter beleidigt), oder – ganz „Fight Club“-mäßig – eine Kampfsportschule besucht, wo das innere Monster befreit werden soll.

Neben manchen billigen Witzen gibt es auch die oben erwähnten wirklich guten Wuchteln, die eigentlich gar nicht lustig, sondern tief ernst sind: etwa, wenn Berni Wagner genüsslich das Schimpfwort-Repertoire echter Männer zerlegt und schlüssig erläutert, warum er lieber ein Schlappschwanz und Weichei ist, als an Priapismus oder Hodenkrebs zu leiden.

In seinem aktuellen Programm „Monster“ geht es aber nicht bloß um Männlichkeit – das Thema, das er damit eigentlich beleuchten wollte, war das Thema Gewalt. „Aber es hat sich schnell herausgestellt, dass man das nicht behandeln kann, ohne über Männer und Männlichkeit zu sprechen.“

Am Anfang der Entwicklung des Stücks stand ein realer Vorfall, den er auf der Bühne erzählt: Berni Wagner, der 1991 in Oberösterreich geboren wurde, aber seit 2010 in Wien lebt, wurde mitten in Linz auf offener Straße von jemandem ansatzlos in den Rücken getreten. Eine prägende Erfahrung, die ihn einerseits in einen Selbstverteidigungskurs und andererseits zum Schreiben des neuen Solos gebracht hat.

Die Boxhandschuhe benutzt er wirklich

Beides verbindet er in „Monster“, weil er die Boxhandschuhe und die Boxershorts, die er auf der Bühne anhat, tatsächlich auch privat benutzt. „Entsprechend verschwitzt sind sie schon.“

Dazu trägt er ein schwarzes Leoparden-Leibchen unter einem Seidenmantel, der ursprünglich ein Boxermantel war, aber von seiner Schwester umgenäht und mit perchtenhaftem Plüsch versehen wurde – insgesamt ein schrilles, skurriles Bühnen-Outfit, das gerade deshalb zu Berni Wagners Performance passt.

Dass er nicht unbedingt die klassische Boxerstatur hat, auch damit spielt er. Und erzählt im Gespräch mit funk tank die Anekdote, wie er den Mantel gekauft hat: „Die Dame an der Kassa hat mich von oben bis unten angeschaut und gesagt: ‚Viel Glück!‘“

Das braucht er nun auf der Bühne nicht. Da genügt sein Können – das er nun mit „Monster“ eben ein weiteres Mal unter Beweis stellt. Den Hauptpreis beim Österreichischen Kabarettpreis bekommt man schließlich nicht von ungefähr.

Berni Wagner wurde 1991 in Oberösterreich geboren. 2013 gewann er mit Auszügen aus seinem ersten Programm „Schwammerl“ den Grazer Kleinkunstvogel. Beim Österreichischen Kabarettpreis erhielt er zweimal den Programmpreis: 2022 für „Galápagos“ und 2024 für „GHÖST“. Im Februar 2025 hatte sein fünftes Solo „Monster“ im Wiener Stadtsaal Premiere, mit dem er nun auf seine bisher größte Tournee geht.


Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:

  • Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
  • Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
  • Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
  • Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
  • Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
  • Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.

Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft bis 13. September (Frist verlängert!) auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.

Berni Wagner

„Das Kanu des Manitu“: Bullys Rückkehr in den Wilden Westen

So, jetzt geht noch einmal jeder aufs Klo, und dann reiten wir los.“ – „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ – „Grabt den Klappstuhl aus!“ – „Halt doch die Klappe, du Zipfelklatscher!“ Diese Filmzitate aus dem Jahr 2001 haben sich ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation eingebrannt. Nicht umsonst ist Michael Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“ bis heute mit 11,7 Millionen Kinobesucher*innen der erfolgreichste deutsche Kinofilm der Nachkriegszeit. Es war seine zweite große Regiearbeit nach „Erkan & Stefan“ und die erste gemeinsame Komödie mit Christian Tramitz und Rick Kavanian.

Das Trio infernale, das ab 1997 mit der „Bullyparade“ das deutsche Fernsehen eroberte, machte damals genau das, was es auch im zweiterfolgreichsten deutschen Film „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ (2004) und in einigen weiteren Kinofilmen tat: Es nahm ein bestimmtes Genre – hier die in den 1960ern von Harald Reinl gedrehten „Winnetou“-Filme und andere Western – und zog es erbarmungslos durch den Kakao. Kein neues Konzept (die britische Komikertruppe Carry On hatte das in den 1960ern und 1970ern schon auf die Spitze getrieben), aber sehr erfolgreich.

Der Witz bei „Der Schuh des Manitu“ liegt zum Teil darin, dass Reinl selbst schon einige komische Elemente benutzt hat, mit denen er die von ihm verfilmten Bücher von Karl May ein wenig verändert hat. Obwohl der deutsche Schriftsteller, der nie selbst im Wilden Westen war, in seinen Abenteuerromanen ein Bild von edlen Wilden zeichnete, waren diese in den Büchern viel wilder und brutaler als Pierre Brice (der weiße Franzose, der in den 1960ern den Apachen-Häuptling Winnetou spielte und „Der Schuh des Manitu“ nicht mochte) oder die anderen guten Figuren in Reinls Filmen.

24 Jahre später kehren Bully und seine Mit(st)reiter zurück in den Wilden Westen – allerdings haben sich die Vorzeichen geändert. Denn während im Jahr 2001 höchstens darüber diskutiert wurde, ob die Pointen in dieser Parodie auf Reinls „Winnetou“-Verfilmungen tiefsinnig-witzig oder doch bloß brachial-flach waren, wird heutzutage bereits vor dem Kinobesuch die schwerwiegende Grundsatzfrage gestellt: Darf man im Jahr 2025 überhaupt einen Film zeigen, in dem ein Native American als tuntiger Schwuler dargestellt wird? Und das noch von einem heterosexuellen Cis-Mann? Darf man überhaupt Witze über Native Americans und die Kolonialisierung Nordamerikas durch europäische Siedler und deren Nachkommen machen und dann auch noch das I-Wort in den Mund nehmen? Woher nimmt dieser Herr Herbig aus Bayern überhaupt die Frechheit, sich als Native American zu verkleiden? Rick Kavanians drollig-doofer Grieche Dimitri wurde in den meisten Artikeln zu diesem Thema bisher kaum erwähnt.

Nicht ohne Winnetouch

All diese Debatten prallen an Bully ab – so scheint es zumindest. Weil er von dem überzeugt ist, was er und seine Blutsbrüder hier tun. Deshalb hat der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller auch „keine Pointe, die wir alle drei genial fanden, gestrichen“. Er betont aber auch, dass es ihm rein um die Unterhaltung geht und nicht um die Provokation. „Wir wollen miteinander lachen und nicht übereinander.“ Das gilt auch für Abahachis schwulen Zwillingsbruder Winnetouch, den Bully als „die liebenswerteste und emanzipierteste Figur im ersten Teil“ beschreibt. Deshalb war klar, dass er im „Kanu des Manitu“ wieder diese Doppelrolle übernehmen würde. Genauso musste auch Rick Kavanians Figur Dimitri mit seinen lustigen, zusammengesetzten Wörtern auf jeden Fall wieder dabei sein. Wenn man „Der Schuh des Manitu“ nochmal genau anschaut, muss man Bully rechtgeben: Winnetouch ist zwar sehr übertrieben dargestellt, und es wäre verständlich, wenn es in der queeren Community Kritik gäbe. Trotzdem ist die Figur viel cleverer als Abahachi und Ranger zusammen. Das wird im „Kanu des Manitu“ noch stärker gezeigt – Winnetouch ist eine coole Persönlichkeit.

Der eigentliche Held im „Schuh des Manitu“ war aber der große Bösewicht. Denn wie Sky du Mont seine Rolle als Santa Maria anlegte, war wirklich ganz großes Kino. Allein die Szene, in der sich der müde John kurz vor dem Aufbruch gegen seinen Bandenführer stellte, und die Gags, die daraus entstanden, machten die Genialität des Drehbuchs deutlich. Umso gespannter durfte man nun sein, wie Bully seinen alten Freund Sky (78) jetzt im „Kanu des Manitu“ einbauen würde, war doch Santa Maria im „Schuh des Manitu“ ja scheinbar verunglückt. Aber wie es halt so ist: Totgesagte leben länger, und der Wilde Westen ist voller Überraschungen.

Wildwest- statt Weihnachtsfilm

Die größte Überraschung ist freilich der Film selbst. Denn dass er jemals eine Fortsetzung drehen würde, damit hatte Bully eigentlich nicht mehr gerechnet – bis zu jenem 11. August 2022, an dem er mit Tramitz und Kavanian einen geplanten Weihnachtsfilm besprechen wollte. Irgendwann im Verlauf des Gesprächs meinte Tramitz, es sei eigentlich schade, dass sie nie einen zweiten Apachen-Film gedreht hätten. Es war eigentlich eine eher beiläufige Bemerkung, „als wenn man sagt: Lasst uns eine Pizza bestellen“, sagt der Ranger-Darsteller im Rückblick. Aber Bully bereitete er damit eine schlaflose Nacht, an deren Ende feststand: Es wird eine Fortsetzung geben, und sie wird „Das Kanu des Manitu“ heißen, weil sich der Titel auf jeden Fall reimen soll. Und neben einem fahrenden Zug und einer Postkutsche spielt eben auch das Wasser eine wichtige Rolle. Aber bis die Idee filmreif war, vereinbarten die drei absolutes Stillschweigen über das Projekt, sodass der Start der Dreharbeiten im vorigen Jahr dann doch eine echte Überraschung war.

Schließlich war dem Trio klar: Wenn sie im Jahr 2025 noch so einen Klamaukfilm bringen wie 2001, dann ist es erstens nicht weit zum woken Shitstorm, und zweitens – was wohl schwerer wog – erwarten ihre Fans etwas wirklich Großes und keinen müden Abklatsch. Das ist ja immer das Risiko bei Fortsetzungen, zumal mit so viel zeitlichem Abstand.

Wir wollen miteinander lachen und nicht übereinander.

Gewohnte Parodien und Referenzen

Diese Gefahr besteht allerdings nicht, weil auch im neuen Film Bullys Liebe zu Zucker-Abrahams-Zucker-Komödien auf Tramitz’ tiefschwarzen Humor und Kavanians Hang zur Stand-up-Comedy trifft. Wer den alten Film mochte, wird auch den neuen mögen. Wenn zwei Bayern in den Weiten der amerikanischen Prärie jodeln, ein Lokomotivführer Lukas heißt und Blutsbrüder mitten im Feuergefecht zanken wie ein altes Ehepaar, dann sind wir mitten in einem Bully-Film. Und zwischen den vielen kleinen und großen Gags sind auch manche Easter Eggs aus anderen Bully-Komödien versteckt. Nur in Sachen Anspielungen auf Native Americans halten sich Bully und sein Team diesmal tatsächlich zurück und parodieren stattdessen lieber einzelne Szenen aus ganz verschiedensten alten und neuen Filmklassikern. Man muss den Film mehrmals sehen, um alle zu erkennen, die Bandbreite reicht von „Hasch mich, ich bin der Mörder“ bis „Ocean’s Eleven“. Natürlich kommen aber auch die Reinl-Vorlagen nicht zu kurz. Und ja, es ist eine Wildwest-Komödie, aber in Wahrheit würde sie auch in einem anderen Genre genauso funktionieren.

Dazwischen ist „Das Kanu des Manitu“ voller Referenzen auf den „Schuh des Manitu“, seitdem sich die Figuren weiterentwickelt haben. Wir erfahren zum Beispiel, was aus Rangers Kind geworden ist, und Dimitri erlebt einen sozialen Aufstieg: Er hat jetzt eine neue, größere Taverne, fährt eine Kutsche statt einen störrischen Esel hinter sich herzuziehen, und kriegt sogar das Mädchen – Jasmin Schwiers drückt als Nachfolgerin von Marie Bäumer dem Film ihren Stempel auf, indem sie so gut wie jede Situation rettet. Und diesmal gibt es noch eine zweite starke Frau: Jessica Schwarz spielt die Anführerin einer aufstrebenden, aber noch namenlosen Bande, die Abahachi und Ranger eine Falle stellt, um selbst endlich zum erhofften Reichtum zu kommen.

Dafür kommt ihnen Friedrich Mücke als einäugiger, aber scharfsinniger Sheriff gerade recht. Wie ernsthaft Bully bei aller Blödelei an seinen Film heranging, wird deutlich, wenn er erzählt, welche Gedanken er sich über Mückes Outfit machte. Er wollte nämlich verhindern, dass dessen Rolle im DDR-Flüchtlingsdrama „Ballon“ (2018) in irgendeiner Form durch den Auftritt im „Kanu des Manitu“ leiden könnte. Ebenso holte er sich erst von der Witwe deren Einverständnis, ehe er die Stimme des 2011 verstorbenen Erzählers von 2001, Friedrich Schoenfelder, mittels KI auch in der Fortsetzung zu Wort kommen ließ. Apropos Produktion: Bemerkenswert ist, dass die Schieß-Spezialeffekte just Dirk Lange beaufsichtigte. Sein Großvater Erwin Lange war der Pyrotechniker der hier persiflierten Reinl-Produktionen, in denen Revolver, Silberbüchse und Henry-Stutzen knallten.

Neu im Kino: „Das Kanu des Manitu“ mit Jessica Schwarz
„Das Kanu des Manitu“ mit Jessica Schwarz © herbX film/Constantin Film/Luis Zeno Kuhn

Ein echter Apachen-Stamm

Genauso kam Redfacing für Bully nicht in Frage. Maskenbildner Georg Korpás sorgte lediglich dafür, dass Tramitz mit seinem ohnehin sonnengegerbten Teint nicht dunkler wirkt als Bully in seinen Apachen-Kostümen. Viel zu tun hatte Korpás auch bei Kavanian, der ebenfalls eine Doppelrolle spielt: Neben Dimitri gibt er auch den sächselnden Deputy des Sheriffs auf einem eigenwillig gebauten Pferd, das eigentlich durch Zufall bei ihm landete, weil es für Bully nicht passte. „Es ist klein, sieht aus wie ein Dackel, aber es passt zu mir.“ Viel reiten muss er darauf aber nicht, im Gegensatz zu Bully und Tramitz. Dass sie es mit ihren 57 beziehungsweise 70 Jahren beide noch draufhaben, beweisen sie in rund 60 Reitszenen. Wenn Bully nicht gerade über einen fahrenden Zug springt.

Die meisten Szenen haben sie im spanischen Almería absolviert (dem Hauptdrehort neben den Münchner Bavaria-Studios), einige aber auch in den USA, konkret im Norden von New Mexico. Denn Bully wollte eine Schlüsselszene unbedingt dort drehen, und zwar mit echten Native Americans. Weil er die kroatischen Komparsen aus den Reinl-Filmen eben nicht mit spanischen Komparsen parodieren wollte. Und so stand in seinem Apachen-Film tatsächlich im Finale ein authentischer Apachen-Stamm vor der Kamera, während Bully einen Weg fand, bei seinen eigenen Filmfiguren den Vorwurf der kulturellen Aneignung zu entkräften. Weil er die Wokeness-Debatte offenbar doch auf seine Weise ernst genommen hat – z. B. wenn ein Bandenmitglied mit Holzprothese Inklusion erfährt, die Bandenchefin um Emanzipation kämpft und Abahachi nicht nur einmal fordert: „Sagen S’ bitte net Indianer!“

Übrigens: Der inoffizielle erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten war „Otto – Der Film“ mit knapp 14 Millionen Kinobesucher*innen. Allerdings wurden jene in der DDR im offiziellen Ranking nicht berücksichtigt. Was Otto Waalkes’ Komödie aus dem Jahr 1985 mit dem „Schuh des Manitu“ und dem „Kanu des Manitu“ verbindet: In allen drei ist Sky du Mont zu sehen. Und Bully wie Otto sind ihrem Humor über die Jahrzehnte treu geblieben. Egal, was ihre Kritiker*innen daran auszusetzen haben.

„Das Kanu des Manitu“ (2025) ist die Fortsetzung von „Der Schuh des Manitu“ (2001), dem erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilm, und vereint erneut Michael Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian. Abahachi, Ranger, Winnetouch und Dimitri kehren in ein neues Wildwest-Abenteuer zurück, in dem eine mysteriöse Bande, eine Falle am Fluss und ein Kanu voller Geheimnisse für Chaos sorgen – und am Ende sogar ein echter Apachen-Stamm eine Schlüsselrolle spielt.

Kinostart: 14. August 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das Kanu des Manitu

Kabarettpreis 2025: Sieger*innen-Portrait Teil 2: Der Kuseng

Du hast keine Chance – nutze sie. Das könnte das Motto der Künstlerkarriere von Kian Kaiser alias Der Kuseng sein, dem soeben der Förderpreis beim Österreichischen Kabarettpreis für sein Solodebüt „Hoamatland, Hoamatland“ zuerkannt wurde. Neben Berni Wagner (Hauptpreis) ist er heuer der zweite Preisträger aus Oberösterreich. Dabei, meint er im Gespräch mit funk tank, hatte er jede Menge Startnachteile: mit einer Iranerin als Mutter und einem Vater, der in der Türkei geboren wurde, dessen Eltern aber aus Georgien und Russland stammten.

„Ich glaube, jede Familie hat gewisse Traditionen – und unsere Familientradition ist es offenbar, auf der Flucht zu sein.“ Er sieht darin sogar etwas Positives, „weil es mir zeigt, dass meine Vorfahren optimistische Menschen waren, die sich nicht einfach ihrem Schicksal ergeben haben, sondern nach vorne geschaut haben, nach dem Motto: Hier ist es scheiße, schauen wir, wo es besser ist.“ Natürlich sind die Erfahrungen, die man dann macht, nicht immer positiv – vor allem, wenn man nicht nur Flüchtling, sondern auch noch eine trans* Person ist wie Kian. „Umso schöner fand ich dann den Moment, als ich angerufen und gefragt wurde, ob ich den Kabarettpreis annehmen möchte, weil ich nie wirklich die Zielgruppe für Erfolg war, sondern eher die Fußnote in irgendwelchen Integrationsstatistiken“, sagt der Autodidakt, der auf der Bühne steht – nicht weil, sondern obwohl er so ist, wie er ist. Und bei aller Freude schwingt auch ein bisschen Wehmut mit: „Viele andere mit ähnlich großem Talent werden vielleicht nie entdeckt und bekommen nie diese Chance.“

Vom Rap zum Kabarett

Der Kuseng jedenfalls hat seine Chance genutzt. Nach Poetry-Slam, Rap und einem Buch über die feministisch-queere Hip-Hop-Szene hat der 35-Jährige sich heuer auch auf die Kabarettbühne gewagt. Warum er sich dabei gerade diesen Künstlernamen ausgesucht hat? War es vielleicht gar ein größenwahnsinniger Vorgriff darauf, dass Kian auch gleich Deutschland erobern möchte – und das kann ein Kuseng halt besser als ein Cousin? Kian lacht und erklärt: „Ich bin tatsächlich sehr viel mit deutschem Fernsehen groß geworden, aber mir ging es eigentlich darum, einen Künstlernamen zu finden, der einer gewissen sozialen Klasse zugeordnet wird. Und mit ‚Der Kuseng‘ assoziiert man jetzt nicht unbedingt als Erstes Kabarett, das ja eine Kulturinstitution ist, die doch mittlerweile zur Hochkultur gezählt wird. Ich fand es schön, mit diesem Bruch zu spielen.“

Womit er auch gerne spielt, das ist die Sprache. Schließlich war Kian in der politischen Öffentlichkeitsarbeit tätig, „da waren Sprache und Sprechen immer Werkzeuge für mich“. Von daher war der Schritt zum Kabarett, in dem er eine gewisse Form der politischen Kommunikation sieht, dann gar nicht so ein großer. Es ist für ihn eine politische Waffe „mit einer Schaumstoffspitze – sie tut nicht weh, aber sie trifft trotzdem. Und im besten Fall bringt sie Menschen dazu, eigene Überzeugungen zu hinterfragen.“
„Wenn ich auf einer Bühne stehe, bin ich automatisch politisch“, meint Kian, der Menschen auch Lebensrealitäten zeigen möchte, mit denen sie sonst nichts zu tun haben – aber nicht belehrend, sondern verbindend.

„Gute und schlechte Sprachen“

Sprache ist für ihn ein Schlüssel – und gleichzeitig auch ein Schloss, weil man damit Menschen aussperren kann. Das betrifft nicht nur Nationalsprachen, sondern auch das Niveau, in dem gesprochen wird, „etwa in akademischen Texten oder auch in Kabarettprogrammen“. Darauf versucht Der Kuseng in seinem Bühnenprogramm Rücksicht zu nehmen und benutzt deshalb „kein Vokabular, das nur Migras oder Queere verstehen“, damit sich wirklich alle abgeholt fühlen – auch die, denen die Welt, um die es gerade geht, fremd ist. „Das ist ein zentraler Aspekt meines Stücks: Ich will wirklich Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten zusammenbringen – und wenn die gemeinsam in einem Raum sitzen und gemeinsam lachen können, dann verstehen sie auch einander.“

Geprägt haben ihn dabei seine eigenen Erfahrungen als Ausländerkind: „Es gibt bei uns in den Köpfen der Menschen gute und schlechte Fremdsprachen und gute und schlechte Ausländer*innen – zu Letzteren werden Menschen mit meiner Herkunft eher gezählt. Und wenn ich sage, dass ich Französisch spreche, wird das anders aufgenommen, als wenn ich sage, dass ich Türkisch kann.“
Dazu muss man wissen: Kian, der seit seinem zehnten Lebensjahr die österreichische Staatsbürgerschaft hat, beherrscht insgesamt fünf Sprachen: Persisch, Türkisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Die ersten beiden bekam er von daheim mit, die dritte im Kindergarten und die letzten beiden in der Schule. „Verschiedene Sprachen zu sprechen“, ist er überzeugt, „ist der größte Schatz, den man haben kann, weil man damit die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann.“

Ich war nie die Zielgruppe für Erfolg – eher die Fußnote in Integrationsstatistiken.

Ein emotionales Gastspiel

Eine neue Perspektive hat sich Kian auch bei der Suche nach seinem Lebensmittelpunkt gesucht, den er fürs Erste in Wien gefunden hat. Wobei er klarstellt, dass das „Hoamatland“ Oberösterreich ihm sehr oft den Rücken zugekehrt hat. „Ich verbinde damit sehr viel Schönes: die Natur, ich habe mich dort zum ersten Mal verliebt, aber ich habe dort auch zum ersten Mal Rassismus erlebt, als ich ein paar Jahre alt war.“
Er kommt aber immer wieder nach Oberösterreich zurück und hat etwa sein Programm auch in Vöcklabruck in jenem Flüchtlingsheim gespielt, in dem er einst mit seinen Eltern angekommen war. „Das war ein sehr bewegender Auftritt, weil es ein Zurückkommen war, wieder mit einem Koffer in der Hand – aber diesmal haben Menschen dafür bezahlt, dass sie mich sehen. Das war schon sehr emotional.“

Sichere Orte für queere Personen

Und dann ist da noch das zweite große Thema neben Heimat, Integration und Rassismus, dem Der Kuseng in seinem Kabarettprogramm Raum gibt: Dass Kian trans* ist, spricht er nicht nur offen an, sondern er widmet diesem Umstand auch gleich mehrere bissige Pointen. Wer davon irritiert ist, sollte den Kabarettisten fragen, was im Vergleich dazu trans* Personen an Schamlosigkeit serviert bekommen – und zwar nicht auf der Bühne, sondern ganz im Privaten.
Kian macht jedenfalls die Situation queerer Menschen Sorgen, die immer mehr Anfeindungen und Gewalttaten ausgesetzt sind – und zwar nicht nur im Nachbarland Ungarn, wo jüngst die Pride vom Budapester Bürgermeister gegen den autokratischen Premier durchgesetzt wurde und extrem großen Zulauf erfuhr.
„Es braucht solche Veranstaltungen, um aufzuzeigen, dass es sonst keine Räume gibt, in denen sich queere Menschen sicher fühlen können, wenn sie feiern, oder wo sie nicht blöd angeschaut werden, wenn sie Händchen halten und sich küssen. Selbst in der Landeshauptstadt Linz gibt es mittlerweile kein queeres Lokal mehr.“ Und von der Anfeindung ist es kein langer Weg mehr zur Beschneidung der Rechte queerer Personen. „Und wenn ein Menschenrecht für eine Personengruppe verrückbar ist“, warnt Kian, „dann ist es für jeden verrückbar.“

Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:

  • Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
  • Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
  • Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
  • Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
  • Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
  • Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.

Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft von 11. bis 31. August auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.

Der Kuseng

Kabarettpreis 2025: Sieger*innen-Portrait Teil 1: Simpl

Addiert man die aktuellen Lebensalter der Haupt-, Förder- und Programmpreisträger*innen beim heurigen Österreichischen Kabarettpreis, kommt man ziemlich genau auf jenes des Sonderpreisträgers. Denn das Kabarett Simpl wurde vor 113 Jahren im Souterrain des Hauses Wollzeile 36 gegründet. Folgerichtig hat Julia Sobieszek, langjährige Agenturchefin und Obfrau des Vereins, der hinter dem Preis steht, ihr 2007 erschienenes Buch über fast 100 Jahre Simpl „Zum Lachen in den Keller“ betitelt. Auf 288 Seiten erzählt sie darin von den Anfängen kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs unter Egon Dorn mit Stars wie Fritz Grünbaum, von den personellen Einschnitten durch Kriege und Holocaust (vor allem viele jüdische Künstler*innen kamen ins KZ), von der Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg unter Karl Farkas mit Ernst Waldbrunn und Maxi Böhm und lässt im Vorwort auch den aktuellen Hausherren Michael Niavarani zu Wort kommen. Diesem gehört heute das „größenwahnsinnig gewordene Nudelbrett“ (Zitat Karl Farkas), das er 2019 von Albert Schmidleitner erworben hat, nachdem der Simpl fast seine gesamte Künstlerkarriere begleitet hatte.

Mit nur 23 Jahren machte ihm der damalige Simpl-Chef Martin Flossmann erstmals das Angebot, Künstlerischer Leiter des Hauses zu werden – das für Niavarani zum zweiten Wohnzimmer geworden ist, neben dem von ihm gegründeten Wintergarten Globe und der Sommerloggia Theater im Park. 1993 übernahm Niavarani dann tatsächlich das angetragene Amt an der Seite von Geschäftsführer Albert Schmidleitner und war außerdem bis 2004 Conférencier der Simpl-Revue. Dass er 15 Jahre später in den rot ausgekleideten Keller zurückgekehrt ist und ihn komplett übernommen hat, war eigentlich nur logisch. Denn wie heißt es an einer Stelle im Buch so schön: „Der Simpl frisst einen mit Haut und Haar.“

Der „Bulli“ ist bissiger geworden

Dabei war das Kabarettlokal mit der roten Bulldogge im Logo zu Beginn gar nicht so bissig. Im Gegenteil: In der Vorkriegs-, Weltkriegs- und Zwischenkriegszeit scheute man die Konfrontation mit der Obrigkeit und gab der Zensur oft lieber erst gar keinen Grund für Streichungen. Politische Witze wurden eher vermieden. Der „Bulli“ war damals also eher handzahm – im Unterschied zu heute, wo es eigentlich zum guten Ton jeder Simpl-Revue gehört, in- und ausländische Politiker*innen mit bissiger Satire durch den Kakao zu ziehen.

Den direkten Vergleich der Gags von einst und jetzt liefert Sobieszek in etlichen Auszügen in ihrem lesenswerten Buch, in dem sie auch die Geschichte des „Bulli“ erzählt, den der Simpl von der gleichnamigen Münchner Kabarettbühne übernommen hatte.

Für die Simpl-Revuen von heute bedeuten jedenfalls Regierungswechsel, dass manche Gags umgeschrieben werden, bis ein Jahr nach der Premiere ein völlig neues Programm auf die Bühne gebracht wird, das dann quasi das Grundgerüst jeder Saison bildet. Gerade in der jetzigen Ära Niavaranis gibt es daneben aber nicht nur zahlreiche Gastspiele (auch der Hausherr selbst gibt sein Solo „Homo Idioticus 2.0“), sondern auch verschiedene andere Produktionen – aktuell etwa die Impro-Show „Dem Faust aufs Aug 3 – Movie Edition“ oder die Slapstick-Komödie „Frau Van Helsings Dracula – Die ganze Wahrheit“.

Der Simpl hat zwar heute wie damals eine männliche Führung, aber ist keine Männerbastion mehr, in der die hübschen Damen in erster Linie als optischer Aufputz dienen.

Die Frauen reden heute mehr mit

Was sich noch gegenüber früher verändert hat: Der Simpl hat zwar heute wie damals eine männliche Führung, aber ist keine Männerbastion mehr, in der die hübschen Damen in erster Linie als optischer Aufputz dienen. Die neue Simpl-Revue hat Niavarani gemeinsam mit Jenny Frankl geschrieben, Regie führt er gemeinsam mit Helena Steele, und die Liedtexte hat Sigrid Hauser gemeinsam mit Johannes Glück verfasst.

Nur der Conférencier, der durch den Abend führt, ist mit Joachim Brandl erneut ein Mann. Frauen in dieser Rolle gab es in 113 Jahren lediglich dreimal: Tilde Lechner (1916), Dolores Schmidinger / Steffi Paschke (1999/2000) und Claudia Rohnefeld (2015 bis 2017). Letztere ist mittlerweile selbst zur Theaterleiterin aufgestiegen: Sie hat nach dem Tod von Gerald Pichowetz sein Gloria-Theater übernommen und wagt im Frühjahr 2026 einen Neubeginn beim Floridsdorfer Spitz.

Der Österreichische Kabarettpreis wird seit 1999 vergeben. Ins Leben gerufen hat ihn damals Wolfgang Gratzl, der damalige Leiter der Wiener Kleinkunstbühne Vindobona. 2010 übernahm ein eigens gegründeter Verein unter dem Vorsitz der Kabarett-Agenturchefin Julia Sobieszek die Verantwortung für den Preis, der mittlerweile in sechs Kategorien vergeben wird:

  • Der Hauptpreis geht an herausragende Künstler*innen.
  • Der Förderpreis ist Nachwuchstalenten gewidmet.
  • Der Programmpreis wird unter allen Kabarettist*innen vergeben, die in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Programm auf die Bühne gebracht haben.
  • Der Sonderpreis ist eine Art Würdigung des Lebenswerks: Die Jury widmet ihn Personen oder Institutionen, die sich besonders um das Kabarett im deutschsprachigen Raum verdient gemacht haben.
  • Mit dem Fernsehpreis zeichnet das Publikum in einem öffentlichen Voting die beliebteste Satire-/Comedy-/Kabarettshow im deutschsprachigen TV aus – Streaming-Formate eingeschlossen.
  • Mit dem Online-Preis würdigt das Publikum die beliebtesten Content-Creator im deutschsprachigen Raum.

Die ersten vier Preisträger*innen bestimmt eine Fachjury aus rund einem Dutzend Kulturjournalist*innen gemeinsam mit zwei Bühnenbetreiber*innen als Gastjuror*innen. Das Online-Voting für den Fernseh- und Online-Preis läuft von 11. bis 31. August auf der Website vom Österreichischen Kabarettpreis.

Kabarett Simpl

Bitte nicht noch eine Fortsetzung: „Die nackte Kanone“ 2025

Was haben „Die nackte Kanone“ (1988), „Jurassic Park“ (1993) und „Gladiator“ (2000) gemeinsam? Alle drei Kultfilme waren zu ihrer Zeit so erfolgreich und haben sich dermaßen ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation eingebrannt, dass sie nicht nur zum Teil direkte Fortsetzungen im damals üblichen Abstand von drei bis vier Jahren bekamen (zumindest Lieutenant Frank Drebin und Steven Spielbergs Dinos), sondern dass mehrere Jahrzehnte später ein Produktionsteam beschlossen hat: Hey, die Kassen haben damals so laut geklingelt, und Nostalgie geht immer. Wir machen jetzt einfach eine Fortsetzung, weil die Leute haben es damals geliebt – sie werden es jetzt auch tun. Was, die Hauptfigur ist im Film schon verstorben? Der Hauptdarsteller lebt nicht mehr? Ist doch egal, wir nehmen halt einen Sohn, Neffen, Enkel und bauen um den herum eine neue Story. Wir brauchen eine Handlung? Wer hat das gesagt? Wir haben CGI (Computer Generated Imagery, Anm.)! Das muss reichen.

Zugegeben, die letzten Sätze waren sehr zynisch und treffen – aus meiner ganz subjektiven Sicht – tatsächlich nur auf „Jurassic World“ (2015) zu, den handlungstechnisch müden Abklatsch von „Jurassic Park“, in dem es offenbar in erster Linie darum ging, möglichst viele Menschen von möglichst wilden Sauriern fressen zu lassen. Und die Fortsetzung des Sequels, „Jurassic World – The Fallen Kingdom“, wirkte auch irgendwie, als hätte man einfach die Fortsetzung des Originals, „Jurassic Park – The Lost World“, lieblos plagiiert. Über den dritten und vierten „Jurassic World“-Film will ich mich lieber gar nicht erst auslassen. Immerhin hatte der erste „Jurassic World“-Film noch ein paar Easter Eggs für Kenner*innen des Originals zu bieten, wie etwa einen Jeep, der schon in „Jurassic Park“ im Einsatz gewesen war.

Wenn dann auch noch der Regisseur abspringt ...

Bei „Gladiator 2“ (2024) stimmt zwar auch der Teil mit der CGI. Ich meine: Eine Seeschlacht mit Haien im Kolosseum! Nun, Regisseur Ridley Scott hat sich zumindest bemüht, die Fans von früher durch Opulenz zu versöhnen und ein überragend agierender Denzel Washington hat das Seine dazugetan, das Fehlen von Russell Crowe zu kaschieren. Das ist übrigens ein wichtiger Punkt: Im Gegensatz zu Steven Spielberg, der seinen Dinos schon bei „Jurassic Park 3“ den Rücken gekehrt hatte (ebenso wie zuvor seinem „Weißen Hai“ bei der ersten von drei sehr schwachen bis peinlichen Fortsetzungen), war bereits Ridley Scott der Regisseur des Originals.

Bei der „Nackten Kanone“ war das nun freilich nicht möglich, weil nicht nur Hauptdarsteller Leslie Nielsen, sondern auch Kultregisseur Jim Abrahams bereits verstorben sind und die Brüder David und Jerry Zucker ihren letzten Film vor mehr als zehn Jahren gedreht haben. Das legendäre Trio verantwortete nicht nur von 1988 bis 1994 die drei wahnwitzigen Polizei-Klamaukfilme „Die nackte Kanone“, „Die nackte Kanone 2½“ und „Die nackte Kanone 33⅓“, sondern hatte davor bereits 1982 die TV-Serie „Die nackte Pistole“ produziert, die ebenfalls diverse Polizeifilme parodiert hatte. So ist also beim 2025er-Sequel das gesamte Team neu. Nur die Gags sind die gleichen geblieben, zumindest vordergründig wirken manche wie 1:1-Kopien. Allerdings geht Leslie Nielsens Nachfolger Liam Neeson in der Rolle des Sohnes von Anfang an viel direkter, brutaler, düsterer und auch ernsthafter zu Werke. Während Frank Drebin Senior die traumtänzerische Tollpatschigkeit, mit der er etwa unbehelligt mitten durch Schießereien latschte oder Sachen und Menschen kaputtmachte, ohne selbst auch nur das Geringste davon mitzubekommen, förmlich zur Kunstform erhob, begibt sich Frank Drebin Junior teils ganz bewusst in ungute Situationen, denen dann auch zeitweise der entsprechende abmildernde Ulk fehlt. Kein Wunder, hat Liam Neeson doch keine Klamauk-, sondern eine Actionthriller-Karriere in seinem Portfolio stehen. Entsprechend hart legt er seine Rolle an. Dass das Ganze trotzdem bei der Zielgruppe funktioniert, zeigten etliche Lacher in einem Preview. Und während die einen Filmkritiker*innen „eine Verbeugung vor dem großen Vorbild“ loben, werfen die anderen dem Sequel Ideen- und Mutlosigkeit vor, weil es krampfhaft am humoristischen Rockzipfel des Originals hängt, statt Neues zu wagen – eine vergebene Chance also, bei der die Frage zu stellen ist, wer sich das Machwerk anschauen soll: Fans der alten Filme sind mit diesen bestens bedient, und junges Publikum kann mit dem Humor vielleicht gar nichts anfangen. Liam Neeson dürfte jedenfalls nicht der Grund für den Kinobesuch sein. Dann schon eher Pamela Anderson, die ihm als würdige Nachfolgerin von Priscilla Presley in der Rolle der mysteriösen Schönen den Kopf verdreht und zeigt, dass ihre Selbstironie sich sehen lassen kann. Und vielleicht sind es auch die vielen Reminiszenzen an Leslie Nielsen und das damalige Team, die sich an allen Ecken und Enden aufdrängen. Letztlich ist festzustellen: Wer gnädig über gewisse Schwächen hinwegsieht und dem Aufguss eine Chance gibt, bekommt einiges zum Lachen serviert, auch wenn viele Gags aufgesetzter und bemühter wirken als anno dazumal.

Wer gnädig über gewisse Schwächen hinwegsieht und dem Aufguss eine Chance gibt, bekommt einiges zum Lachen serviert, auch wenn viele Gags aufgesetzter und bemühter wirken als anno dazumal.

Vorgeschichte, Nachgeschichte, dieselbe Geschichte

Zugegeben, ich habe hier mit einer Krimikomödie, einem Monsterkracher und einem Römer-Epos drei Filme und ihre Sequels mehr oder weniger zufällig ausgewählt, stellvertretend für die vielen, vielen Fortsetzungen und Remakes, von denen es in Hollywood immer mehr zu geben scheint. Die Liste ist schier unendlich und reicht von „Star Wars“, wo 16 Jahre nach dem Ende der ersten Trilogie George Lucas immerhin selbst Hand anlegte, um endlich auch Episode eins bis drei nachzureichen (ob er sich und der Welt damit einen Gefallen getan hat, darüber scheiden sich bis heute die Geister ebenso wie bei den diversen nachfolgenden Episoden und Franchise-Filmen und -Serien), über „Indiana Jones“, wo sich Harrison Ford für Teil 5 im Jahr 2023 sogar mittels KI verjüngen ließ, bis zu „Der Herr der Ringe“ (2001 bis 2003) und „Der Hobbit“ (2012 bis 2014), wo zunächst ebenfalls Peter Jackson mit zehn Jahren Abstand das Kunststück vollbrachte, ein Buch von weniger als 400 Seiten im Kino genauso lang auszuwälzen wie die dreimal so dicken Hauptbücher, ehe 2022 Amazon noch einmal um einiges langatmiger die Vorgeschichte dieser Vorgeschichte zu erzählen begonnen hat. Es ist stark zu vermuten, dass in vielen Fällen weniger der Drang im Vordergrund stand und steht, endlich Aspekte einer Geschichte zu erzählen, die im Original noch nicht erzählt wurden, sondern dass man einfach noch einmal ordentlich Kasse machen möchte. Besonders stark ist diese Vermutung beim „Harry Potter“-Franchise „Phantastische Tierwesen“, das Autorin Joanne K. Rowling zwar noch einmal einen Geldregen beschert hat, aber nicht von ungefähr kamen letztlich nur drei statt der geplanten fünf Filme ins Kino. Das Publikum lässt sich halt nicht immer mit einem lieblosen Aufguss abspeisen. Überhaupt wäre das Thema Fortsetzungen einen eigenen Artikel wert. Wenige sind genauso gut oder gar besser als der erste Film, viele deutlich schlechter.

Neben Prequels und Sequels sind natürlich auch echte Remakes beliebt. Da kann dann das neue Team zeigen, dass es den Stoff viel besser umsetzen kann als weiland die Altvorderen (oder auch nicht). Davor ist weder ein Captain James Tiberius Kirk gefeit noch ein Danny Ocean (ja, „Ocean’s Eleven“ gab es schon 1960 mit Frank Sinatra und Dean Martin), ein Juda Ben Hur oder ein Willy Wonka (sogar ein Remake und ein Prequel). Und Disney scheint es sich überhaupt zum Sport gemacht zu haben, seine Klassiker als Realfilme oder in hochauflösendem Computer-3D neu zu interpretieren. Zugegeben, der vollanimierte Simba des Jahres 2019, bei dem man jedes noch so kleine Härchen erkennt, mag ästhetisch ansprechender sein als das zum Teil noch handgezeichnete Original von 1994. Aber weit mehr zählt der Tiefgang von Handlung und Dialogen. Und da gilt etwa für „Aladdin“: Ein Will Smith in Full HD (2019) kommt einfach an einen von Robin Williams gesprochenen Dschinni in 2D (1992) nicht heran. Und über „Jumanji“ sprechen wir bitte hier erst gar nicht. Dann schon lieber über einen Film, bei dem das Remaken gerade auf die Spitze getrieben wird: Denn der ersten Mutter-und-Tochter-tauschen-Körper-Komödie „Freaky Friday“ im Jahr 1976 folgten 1995, 2003 und 2018 weitere Adaptionen – und am 8. August kehrt nun die 2003er-Besetzung (Jamie Lee Curtis und Lindsay Lohan) mit „Freakier Friday“ ins Kino zurück.

Indiana Jones 2023 mit Harrison Ford und Phoebe Waller-Bridge © Lucasfilm
„Indiana Jones“ 2023 mit Harrison Ford und Phoebe Waller-Bridge © Lucasfilm

So gut waren die Originale oft auch wieder nicht

Bei aller Kritik an all den cineastischen Trittbrettfahrer*innen, die sich alter Stoffe bedienen und dabei mitunter fast schon Leichenfledderei begehen, muss ich allerdings eines zugeben: Manche Originale, die hier abgekupfert werden, waren bei näherer Betrachtung gar nicht so qualitativ hochwertig. Ja, sie haben mich damals auf der Höhe ihrer Zeit gut unterhalten. Aber das tun manche Sequels und Remakes heute auch, wenn ich ihnen die Chance dazu gebe. Und so schlimm ich etwa den vierten „Indiana Jones“-Film mit der abgedrehten Außerirdischen-Szene im Finale fand: Im Grunde waren die ersten drei auch schon ziemlich gaga. Aber das ist wohl das große Glück des Kinos: Seine Hauptaufgabe ist es, die Menschen zu unterhalten oder an ihren Emotionen zu rühren. Der Qualitätsanspruch ist letztlich zweitrangig, wenn man auch bei einem C-Movie spürt, eine gute Zeit zu haben. Ich bin jedenfalls schon gespannt, ob ich mich in zwei Wochen über Bully Herbigs „Kanu des Manitu“ – 24 Jahre nach „Der Schuh des Manitu“ – zerkugeln oder doch fadisieren werde …

Hollywood produziert weiterhin massenhaft Sequels, Prequels und Remakes – meist getrieben von Nostalgie und Kasseninteresse, selten mit frischen Ideen. Die neue „Nackte Kanone“-Verfilmung mit Liam Neeson ist jetzt in den Kinos und polarisiert durch düsteren Humor statt klassischen Klamauk.

Die nackte Kanone 2025

Kabarettpreis 2025: Junge Wilde und älteste Kabarettbühne

Ein in jüngerer Vergangenheit oft strapazierter Begriff verbindet die drei Personen, die heuer mit dem seit 1999 bestehenden Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet werden: toxische Männlichkeit. An ebendieser arbeitet sich nämlich nicht nur der trans* Förderpreisträger Kian Kaiser alias Der Kuseng im Rahmen seines Debüts „Hoamatland, Hoamatland“ zwischendurch ab – in dem es allerdings in erster Linie um Zugehörigkeit und Integration geht. Die Frage nach Männlichkeitsbildern steht auch im Zentrum des aktuellen Soloprogramms „Monster“ des mit dem Hauptpreis prämierten Berni Wagner. Und auch Antonia Stabinger, die für „Angenehm“ den Programmpreis erhält, macht sich auf ihre ganz eigene, höchst sympathische Weise lustig über Männer, die sich völlig zu Unrecht für die Krone der Schöpfung halten.

Nur das Kabarett Simpl, mutmaßlich Österreichs älteste noch existierende Kabarettbühne, die den Sonderpreis für große Verdienste um die sogenannte Kleinkunst bekommt, wollen wir lieber nicht mit toxischer Männlichkeit assoziieren. Auch wenn die Kellerbühne an der Wollzeile seit ihrer Gründung im Jahr 1912 die meiste Zeit unzweifelhaft männlich dominiert war – in 113 Jahren gab es lediglich drei weibliche Conférencières, in den ersten Jahrzehnten fungierten die „hübschen Damen“ im Ensemble in erster Linie als optischer Aufputz, und lange Zeit bekam die Erste Frau bestenfalls so viel Text zugestanden wie der Dritte oder der Vierte Mann. Aber man täte dieser heute von Michael Niavarani künstlerisch wie wirtschaftlich geführten Institution Unrecht, würde man sie auf diese Vergangenheit reduzieren – hat sie doch dutzende Kabarettlegenden hervorgebracht. Und die vorerst letzte Simpl-Conférencière, Claudia Rohnefeld, ist nun selbst zur Theaterleiterin aufgestiegen und wird ab Frühjahr 2026 das Gloria Theater des verstorbenen Gerald Pichowetz weiterführen.

Publikumsvoting für Fernseh- und Online-Preis

Der Kuseng, Berni Wagner, Antonia Stabinger und das Simpl also wurden von der Jury ausgewählt. Damit stehen aber längst nicht alle Preisträger*innen des heurigen Jahres fest. Denn nun ist das Publikum am Zug. Dieses kann nämlich von 11. bis 31. August auf der Website www.kabarettpreis.at über den Fernseh- und den Online-Preis abstimmen.

Alle sechs Preisträger*innen werden Preisgeld und Trophäen – die heuer ein neues Design haben – im Rahmen einer großen Gala am 24. November im Globe Wien überreicht bekommen. Dass dessen Hausherr Michael Niavarani heißt, ist reiner Zufall und hat bei der Jurysitzung überhaupt keine Rolle gespielt, soviel darf zweifelsfrei festgestellt werden. Wichtiger war der Jury „der unverwechselbare Mix aus politischer Satire, treffsicherem Humor und musikalischem Können“, wie es in der Begründung für den Sonderpreis heißt. „Das Ensemble versteht es heute wie damals, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen pointiert und zugleich unterhaltsam auf die Bühne zu bringen – stets mit einem feinen Gespür für den Zeitgeist und einer beeindruckenden Wandlungsfähigkeit.“

Der Kuseng wiederum hat die Jury mit seiner Zeitreise zurück in seine oberösterreichische Kindheit – zwischen Landgemeinde, Jugendkultur und iranischem Elternhaus – überzeugt. „Er formt daraus eine pointierte Reflexion über gesellschaftliche Normen, Zugehörigkeit, Identität – und über all das, was uns trotz Unterschieden verbindet. Nie belehrend, stets mit wachem Blick und auf Augenhöhe mit dem Publikum.“ Die Jury lobt sein „feines Gespür für Sprache, Lebenswelten und das richtige Timing“, mit dem er „persönliche Erfahrungen in universelle Erzählungen verwandelt“.

Er formt daraus eine pointierte Reflexion über gesellschaftliche Normen, Zugehörigkeit, Identität – und über all das, was uns trotz Unterschieden verbindet. Nie belehrend, stets mit wachem Blick und auf Augenhöhe mit dem Publikum.

Eine neue Generation

Mit Antonia Stabinger wiederum wird eine „scharfsinnige Beobachterin und absurd-witzige Botschafterin gesellschaftskritischer, heikler Themen“ ausgezeichnet, in der die Jury „eine zentrale Stimme einer österreichischen Kabarettist*innen-Generation“ sieht, für die Begriffe wie politische Unbestechlichkeit, Respekt, Gerechtigkeit und Menschlichkeit keine hohlen Schlagwörter sind, „sondern ein Wertgefüge, dem man mit urkomischer Leichtigkeit ein relevantes Gewicht zu verleihen vermag“.

Zu dieser Generation gehört auch Hauptpreisträger Berni Wagner, der bereits im Vorjahr als Teil des Trios GHÖST beim Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde und die Jury mit seiner „enormen Energie, starken Bühnenpräsenz und hohen Wuchteldichte“ überzeugt hat. Als gelernter Biologe hat er in seinen bisherigen Programmen einen gewissen Hang zu Natur und Nachhaltigkeit gezeigt – aber auch Nächstenliebe ist ihm ein wichtiges Anliegen. Und von seinem ersten Solo „Schwammerl“ (2013) bis zu seinem aktuellen Programm „Monster“ hat sich sein Männerbild gewandelt, stellt die Jury fest.

Bleibt die Frage, ob die Fachjury beim Gedanken daran, Michael Niavarani den Österreichischen Kabarettpreis zu überreichen, zumindest ein kleines bisschen nervös ist. Denn bei der Verleihung 2010, als er ihn gemeinsam mit seinem Spezi Viktor Gernot entgegennehmen durfte, ist er ihm runtergefallen und in zwei Teile zerbrochen. Das wurde prompt zum Anlass genommen, das Kleinod – damals gab es nur einen Preis für beide gemeinsam – brüderlich aufzuteilen. Ein Schelm, wer beim Gedanken an diese Anekdote die Köpfe im Simpl-Ensemble durchzählt . . .

Die Gewinner*innen des Österreichischen Kabarettpreises 2025 stehen fest – darunter Der Kuseng, Antonia Stabinger, Berni Wagner und das Kabarett Simpl. Thematisch dominieren Fragen nach Männlichkeitsbildern, gesellschaftlicher Zugehörigkeit und der Wandel einer neuen Kabarettgeneration.

Mehr über die Preisträger*innen des Österreichischen Kabarettpreises gibt es in den kommenden Tagen an dieser Stelle zu lesen.

Österreichischer Kabarettpreis

It’s all about Lust und Leidenschaft, Baby: The Kills in Wien

In puncto spannender Konzerte mit Indie-Flair oder alternativem Touch herrscht derzeit in Wien fast eine Art Ausnahmezustand: Queens of the Stone Age, Nine Inch Nails, Sextile, Amyl & The Sniffers, St. Vincent – die Liste ist lang. Beinahe jeden Abend spielt irgendwo eine großartige Band, ob internationaler oder österreichischer Herkunft. Oft kollidieren auch zwei oder mehrere Events miteinander.

Inmitten des dauerhaften Ausgehstresses sticht für ewige Indie-Rocker*innen ein Termin besonders hervor: The Kills beehren endlich mal wieder Wien. Ja genau, Alison Mosshart und Jamie Hince machen in der Donaumetropole Station. Um die dazugehörige Euphorie meinerseits zu verstehen, braucht es vielleicht ein kurzes Millennium-Flashback.

Die musikalische Revolution

Nachdem gegen Ende der 90er-Jahre im Popuniversum eine allgegenwärtige Fadesse herrschte – zwischen jammernden Indie-Gesängen, akademischem Postrock, immer belangloser dahinplätscherndem Friseursalon-House und Legionen von herumfrickelnden Laptop-Nerds – kündigte sich zur Jahrtausendwende eine kleine Revolution an.

Das Nachtleben wurde wieder rauer, glamouröser, musikalisch eklektischer. Disco, New Wave und Electro gaben plötzlich in Mashup-Variationen den pulsierenden Ton an. Parallel dazu machte sich auch in internationalen Hipster-Szenen eine fiebrige Energie breit; roher Rock’n’Roll hallte wieder durch Proberäume und Clubs zwischen London, New York und Wien. „The“-Bands wie die Strokes, White Stripes oder Libertines ließen damals verstaubte Gitarrenmusik erneut mitreißend klingen, die Yeah Yeah Yeahs oder Interpol beamten den schattseitigen Postpunk in die damalige Zeit.

Mittendrin in diesem Hype-Aufruhr stand ein Duo, das aus sämtlichen herumzirkulierenden Retro-Styles nur die pure Essenz nahm und daraus ein ganz eigenes Ding kondensierte: The Kills, bis heute bestehend aus der US-Sängerin Alison Mosshart und dem britischen Gitarristen Jamie Hince, ergänzt durch eine simple Drum-Machine, verknüpften den rohen Spirit des Rock’n’Roll und Blues mit einer Affinität für Beats und Grooves abseits des Bumm-Bumm-Tschak dahindreschender Rockcombos. Ungeheuer minimalistisch war und ist diese Musik, extrem intensiv, verdammt sexy, melancholisch – und fies zugleich. It’s all about Lust und Leidenschaft, Baby.

Album-Meisterwerke wie „Keep on Your Mean Side“ (2003), „No Wow“ (2005) oder „Midnight Boom“ (2008) pendeln abwechslungsreich zwischen krachigen Aggro-Stücken, traumhaften Balladen, Rockabilly-Zitaten und Dub-Einflüssen – aber immer im Rahmen der strengen Selbstbeschränkung, die sich The Kills von Anfang an auferlegt hatten.

Tratsch und Fremdgehen

Live standen VV und Hotel, wie sie sich damals nannten, mal zittrig auf der Stelle; dann schwitzten und sangen sie sich aus nächster Nähe an – ruhelos, ekstatisch. Ein eng verschweißtes und – das muss man schon sagen – wahnsinnig geil aussehendes Bühnenpaar, das privat aber „nur“ bestens befreundet ist. So etwas lieferte natürlich auch Stoff für Klatschkolumnen.

Um die Zeit von „Blood Pressures“ anno 2011 nahm der Tratsch um das Duo unangenehm zu – und schwappte auch in den Mainstream über. Der Grund: eine Beziehung von Jamie Hince mit Supermodel Kate Moss, die in einer Hochzeit mündete. Als ihr der Musik- und Freizeitkumpel durch die Ehe für eine Weile abhandenkam, ging Alison Mosshart mit Jack White künstlerisch fremd. Die Rock’n’Roll-Supergroup The Dead Weather überzeugte mit einigen großartigen Songs – aber an die spezielle Magie von The Kills kam das Projekt genauso wenig heran wie andere lässige Kollaborationen der Gesangsgöttin.

Ungeheuer minimalistisch war und ist diese Musik, extrem intensiv, verdammt sexy, melancholisch – und fies zugleich.

The Kills forever

Rückblende beendet, Schnitt in die Jahre 2016 und 2023. Mit den Alben „Ash & Ice“ und „God Games“ fanden The Kills wieder zueinander. Das jüngste Album wurde inspiriert von ihren Lieblingsstädten L.A. und New York – Alison und Jamie kreierten einen neuen Sound, mit Hip-Hop- und R’n’B-Elementen, ohne den alten Kills-Spirit zu verlieren. Die lang ersehnte Live-Darbietung des Rock-Duos im kommenden Monat verspricht also Großes – wenn das Wetter am 13. Juli in der Wiener Arena Open Air mitspielt …

Ankündigung The Kills in der Wiener Arena im Juli 2025
© Myles Hendrik

The Kills wurden 2000 gegründet, zwei Jahre später veröffentlichten Alison und Jamie ihre Debüt-EP „Black Rooster“ und 2003 folgte das erste Album „Keep On Your Mean Side“. Seitdem ist die britisch-amerikanische Rockband fixer Bestandteil der internationalen Musikszene. Das sechste Studioalbum „God Games“ ist 2023 erschienen, am 13. Juli 2025 spielen The Kills live in der Wiener Arena ein Open Air inkl. Support Anda Morts, Tickets hier.

The Kills

Die sprachliche Identität und der Minderwertigkeitskomplex

„Was Deutsche und Österreicher trennt, ist die gemeinsame Sprache“, hat schon der Kabarettist Karl Farkas festgestellt. Ein Zitat, das immer wieder fälschlicherweise Karl Kraus zugeschrieben wird und bei dem die Meinungen auseinandergehen, ob es so überhaupt stimmt. Eines steht aber fest: Die Sprache sollte durchaus dazu dienen, Österreich nicht nur politisch von Deutschland abzugrenzen, und zwar im Zuge der (neuerlichen) Nationsbildung nach dem Zweiten Weltkrieg, der vor 80 Jahren endete. Folgerichtig erteilte das Unterrichtsministerium der jungen Zweiten Republik dem Österreichischen Bundesverlag (öbv) den Auftrag, ein eigenes „Österreichisches Wörterbuch“ zu erstellen, dessen erste Auflage 1951 erschien. Soeben ist eine aktualisierte Ausgabe herausgekommen. (Randnotiz: Ironischerweise gehört der 1772 gegründete Österreichische Bundesverlag seit der Privatisierung im Jahr 2002 zum deutschen Klett-Verlag.)

500.000 deutsche Wörter, davon 50.000 originär österreichisch

„Wenn eine Gruppe eine gemeinsame Sprache hat, hat sie auch eine gemeinsame Identität“, erklärt Christiane Pabst, die Chefredakteurin des „Österreichischen Wörterbuchs“, die Intention dahinter, das österreichische Deutsch zu kodifizieren. Und so umfasste das erste „Österreichische Wörterbuch“ 1951 rund 23.600 spezifisch österreichische Stichwörter. Als Christiane Pabst 2015 Chefredakteurin wurde, waren es schon rund 70.000 Begriffe – heute, in der 44. Auflage, sind es an die 100.000. „Davon ist etwa die Hälfte originär österreichisch.“ Zum Vergleich: In der aktuellen Ausgabe des deutschen Universalwörterbuchs „Duden“ wird der Wortschatz der deutschen Alltagssprache auf rund 500.000 Wörter geschätzt und der zentrale Wortschatz auf rund 70.000 Wörter. Somit würden Austriazismen etwa ein Zehntel des gesamtdeutschen Wortschatzes ausmachen. Das „Österreichische Wörterbuch“ jedenfalls enthält laut seiner Chefredakteurin „den gesamten österreichischen Sprachbestand sowie alle im Land gebräuchlichen Begriffe, inklusive Etymologien. Da gibt es natürlich eine gewisse Schnittmenge mit dem ‚Duden‘, der das bundesdeutsche Deutsch abbildet.“

Und da ist sie wieder, die gemeinsame Sprache, die uns trennt. Nämlich nicht nur dann, wenn „Ösis“ und „Piefkes“ für dieselben Dinge andere Bezeichnungen haben (Sackerl/Tüte, Marille/Aprikose, Sessel/Stuhl, Mistkübel/Abfalleimer), sondern auch dann, wenn sie dasselbe sagen, aber etwas anderes meinen. Der Chefarzt zum Beispiel ist in Deutschland der Primarius einer Klinik, während er in Österreich im Medizinischen Dienst der Gesundheitskasse Bewilligungen ausstellt. „Da haben wir beide Bedeutungen im ‚Österreichischen Wörterbuch‘ mit entsprechender Kennzeichnung vermerkt“, sagt Christiane Pabst.

Sprachliche Fallstricke für Jurist*innen

Besonders aufpassen müssen Jurist*innen, meint der Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia. So finden sich allein in Rudolf Muhrs und Marlene Peinhopfs „Wörterbuch rechtsterminologischer Unterschiede Österreich–Deutschland“ mehr als 2.000 Begriffe, die jeweils eine andere Bedeutung haben. So ist zwar das Vergehen in Österreich ebenso wie in Deutschland eine geringere rechtswidrige Tat als ein Verbrechen, allerdings beträgt hier das maximale Strafmaß drei Jahre und dort nur ein Jahr.

„Bei allem, was mit staatlicher Organisation zu tun hat, gibt es große Unterschiede“, stellt der Sprachwissenschafter fest, „von der AHS über den Konsumentenschutz und die Studienberechtigungsprüfung bis zum Zulassungsschein.“ Mittlerweile gibt es zusätzlich auch noch ein EU-Deutsch, das zum Teil wieder andere Bedeutungen aufweist. So ist zum Beispiel eine Verordnung in Österreich (und auch in Deutschland) eine an eine Personengruppe gerichtete, generell verbindliche Rechtsnorm, die durch ein Regierungs- oder Verwaltungsorgan (Exekutive) erlassen wird. Die Europäische Union hingegen versteht unter einer Verordnung einen Rechtsakt mit allgemeiner Gültigkeit und unmittelbarer Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten, der dort sogar einen Anwendungsvorrang hat.

Der Kampf um die Marmelade beim EU-Beitritt

Übrigens spielte die EU ihre ganz eigene Rolle im Ringen um die österreichische Sprachidentität. So verweist Rudolf de Cillia neben dem „Österreichischen Wörterbuch“, das auch für ihn ein wichtiger Punkt in der Abgrenzung von Deutschland ist, auf das berühmte Protokoll Nummer 10 im EU-Beitrittsvertrag von 1995. Darin ist nämlich festgehalten: „1. Die in der österreichischen Rechtsordnung enthaltenen und im Anhang zu diesem Protokoll aufgelisteten spezifisch österreichischen Ausdrücke der deutschen Sprache haben den gleichen Status und dürfen mit der gleichen Rechtswirkung verwendet werden wie die in Deutschland verwendeten entsprechenden Ausdrücke, die im Anhang aufgeführt sind. 2. In der deutschen Sprachfassung neuer Rechtsakte werden die im Anhang genannten spezifisch österreichischen Ausdrücke den in Deutschland verwendeten entsprechenden Ausdrücken in geeigneter Form hinzugefügt.“

Ältere Semester erinnern sich noch an den Kampf um die Marmelade, den eine österreichische Tageszeitung damals führte „und natürlich verloren hat, auch wenn sie es als Sieg gefeiert hat – aber de facto werden Sie in keinem Supermarkt etwas anderes als Konfitüre finden, es sei denn, es handelt sich um Orangen- oder Zitronenmarmelade.“ Höchstens auf lokalen Märkten darf der Terminus „Marmelade“ verwendet werden. „Das zeigt, wie wichtig die Sprache für die Identitätsbildung ist.“ Nicht von ungefähr ist neben dem „Piefke“ der „Marmeladinger“ eine weitere abwertende österreichische Bezeichnung für die nördlichen Nachbar*innen.

Wienerisch am Beispiel eines alten Zeitungsausschnitts
© Mathias Ziegler

Die meisten Unterschiede gibt es beim Essen

Apropos Marmelade: Rudolf de Cillia hat mit einem großen Forschungsprojekt aufgezeigt, wo im alltäglichen Sprachgebrauch die Unterschiede am häufigsten sind – nämlich in der Regel dort, wo es ums Essen geht. Man denke nur an Schlagobers vs. Sahne, Topfen vs. Quark, Paradeiser vs. Tomaten, Semmel vs. Brötchen, Melanzani vs. Aubergine, Knödel vs. Kloß, Erdapfel vs. Kartoffel, Berliner vs. Krapfen, Frankfurter vs. Wiener, aber auch gut vs. lecker. Und: Deutsche laufen, wo Österreicher*innen lediglich gehen. Und wenn Deutsche nicht gelaufen sind, dann haben sie gestanden oder gesessen, wo Österreicher*innen gestanden oder gesessen sind. Ein*e Österreicher*in würde auch im Alltag kaum das Plusquamperfekt verwenden, das bei Deutschen oft als Ersatz für das Perfekt zum Einsatz kommt.

Manchmal sind es auch nur Kleinigkeiten wie das Fugen-s (Schweinsbraten/Schweinebraten) oder die Mehrzahlbildung (Erlässe/Erlasse, Pölster/Polster), die den Unterschied ausmachen. Spannend ist auch das Verhältnis zu Titeln jeglicher Form. Während in Österreich akademische Grade ebenso wie Amtstitel einfach zum Namen dazugehören und es schon genügt, einen Arzt zu heiraten, um selbst zur „Frau Doktor“ zu werden, sind Adelstitel seit 1919 per Gesetz verboten. In Deutschland ist es fast umgekehrt: Da ist ein „von“ im Namen überhaupt kein Problem, dafür kann es einem Nicht-Mediziner durchaus passieren, dass er scheel angeschaut wird, wenn er sich als „Doktor“ vorstellt und womöglich auch noch einen ebenfalls erworbenen „Magister“ dazustellt. „Ein deutscher Kollege hat einmal von österreichischer Titelhuberei gesprochen“, erzählt Rudolf de Cillia.

Österreicher*innen sollen anders buchstabieren

Nur beim Buchstabieren ticken Deutsche und Österreicher*innen bisher gleich. Doch das soll sich ändern, denn nach der neuen deutschen Buchstabiertabelle aus dem Jahr 2019 wurde auch erstmals eine eigene österreichische Tabelle entwickelt, die nun auch in der neuen Auflage des „Österreichischen Wörterbuchs“ zu finden ist. Statt von A wie Anton bis Z wie Zeppelin zu buchstabieren, heißt es in Deutschland künftig A wie Aachen (und Ä wie Umlaut Aachen) bis Z wie Zwickau. Dazwischen liegen 24 weitere Städtenamen, die zum Teil so speziell sind (zum Beispiel Chemnitz oder Quickborn), dass sie einfach nicht für die österreichische Tabelle taugen würden.

Hier führt nun Anna die Liste an, gefolgt vom Ärmel statt Ärger und Bernhard statt Berta. Der aus der Nibelungensage bekannte Held Siegfried wurde durch Sarah ersetzt, aus dem Übel wurde die Übung, und das Zeppelin – das eigentlich immer nur der Ersatz für Zürich war – musste der letzten österreichischen Kaiserin Zita weichen. Womit wir bei einem weiteren Grund für die neue österreichische Buchstabiertabelle sind: Die alte stammte nämlich aus der NS-Zeit, und folgerichtig waren sämtliche jüdischen Namen daraus getilgt worden. Quasi als Wiedergutmachung gesellt sich nun zu Abrahams Frau Sarah der biblische König David. Ganz neu hinzugekommen ist China fürs Ch, gleich geblieben hingegen sind Cäsar, Ida, Otto, Österreich, Quelle, Schule, Xaver und Ypsilon. Bleibt abzuwarten, wie lange es dauern wird, bis sich das neue Buchstabier-Alphabet durchgesetzt hat.

Wenn Anrainer*innen zu Anwohner*innen werden

Abseits der verschiedenen Begrifflichkeiten ist dem Sprachforscher Rudolf de Cillia noch etwas anderes aufgefallen: Es hat den Anschein, dass insgesamt Österreicher*innen leichter deutsche Dialekte verstehen als Deutsche österreichische. Irritierend findet er dabei, dass das deutsche Deutsch nicht nur – früher durch das Fernsehen und heute durch Social Media verstärkt – in die Jugendsprache hinüberschwappt, sondern dass etwa auch die Wiener Verwaltung plötzlich Anrainer*innen zu Anwohner*innen macht. „Es gibt da sicher einen gewissen Minderwertigkeitskomplex in Bezug auf das österreichische Deutsch“, stellt Rudolf de Cillia fest. Dem stimmt Christiane Pabst zu: „Viele Österreicher*innen empfinden ihre Sprache als nicht gleichwertig mit dem deutschen Deutsch.“ Aber nicht nur sie. „Ich kenne viele Kolleg*innen, die außerhalb Österreichs als Lektor*innen tätig waren und von Nicht-Muttersprachlern in ihrer Varietät des Deutschen nicht für voll genommen wurden“, berichtet Rudolf de Cillia. „Eine Kollegin hat einmal in Frankreich für Weihnachtskekse das Wort ‚Bäckerei‘ statt ‚Plätzchen‘ verwendet – da hat es einen Aufstand gegeben.“

Und da wäre er wieder, der eingangs erwähnte Karl Kraus. Der verwendete nämlich speziell das Wienerische beziehungsweise die österreichische Umgangssprache als Symbol für provinzielles Denken und Verhalten, als Leitsatz für eine österreichische Selbstverharmlosung und für ähnliche negative Erscheinungen.

Sprachforscher Rudolf de Cillia
Sprachforscher Rudolf de Cillia © Mathias Ziegler

Es gibt da sicher einen gewissen Minderwertigkeitskomplex in Bezug auf das österreichische Deutsch.

„Wir sprechen eine kodifizierte, vollwertige Sprache“

Dabei, betont die Chefredakteurin des „Österreichischen Wörterbuchs“, entbehrt die devote österreichische Haltung gegenüber der Sprache der nördlichen Nachbar*innen jeglicher Grundlage. Denn: „Es gibt drei gleichwertige deutsche Sprachvarietäten: die deutsche, die österreichische und die schweizerische.“ Österreich könnte hier von der Schweiz einiges lernen, die sich und ihre Sprache sehr ernst nimmt. „Hier gibt es ein sehr starkes Nationalitäts- und Identitätsbewusstsein“, stellt Christiane Pabst fest. „Aber die Schweiz musste sich auch nie von Deutschland freispielen, so wie Österreich.“ Sie hat aber schon den Eindruck, „dass sich zum Beispiel im Rat für deutsche Rechtschreibung gerade die Deutschen – ausgehend von ihrer eigenen Haltung – erwarten, dass die Österreicher*innen zu ihrer Sprachvarietät stehen, sie ernst nehmen und sich dafür starkmachen.“

Sie wünscht sich deshalb für ihre Landsleute, die sich allzu oft dem deutschen Deutsch anpassen, wenn sie „schön“ sprechen wollen oder wenn es offiziell wird, „mehr Selbstbewusstsein und die Überzeugung, dass wir in Österreich eine kodifizierte, vollwertige Sprache sprechen.“ Das betrifft nicht nur Menschen, die nicht so sprachaffin sind. So erzählt Christiane Pabst eine Anekdote aus dem ORF: „Im österreichischen Deutsch kann man sowohl ‚das Virus‘ als auch ‚der Virus‘ sagen, wobei ‚der Virus‘ überwiegt. Im deutschen Fernsehen hat man aber in der Corona-Zeit immer nur ‚das Virus‘ gehört, weshalb man sich im ORF dann auf ‚das Virus‘ geeinigt hat, weil das ja die richtige Form sein muss. So funktioniert aber auch Sprachgeschichte.“

Das „Österreichische Wörterbuch“ als Abbild seiner Zeit

Die Pandemie war es übrigens auch, die für besonders viele neue Begriffe in der jüngsten 44. Auflage des „Österreichischen Wörterbuchs“ gesorgt hat: „Da sind neue Wörter wie Impfstraße, Impfneid, natürlich auch Covid-19 dazugekommen“, berichtet Christiane Pabst, „aber auch Bedeutungserweiterungen: Bei der Maske zum Beispiel ist zur Faschingsverkleidung, zur Kosmetikanwendung und zum In-der-Maske-sitzen der Mundnasenschutz aufgenommen worden. Oder im administrativen Bereich der Oster-Erlass des damaligen Gesundheitsministers.“ Der Sinn dahinter ist, dass man später Texte, die sich darauf beziehen, besser versteht. Das „Österreichische Wörterbuch“ ist also auch ein Abbild seiner Zeit.

Das Nachschlagewerk ist einem steten Wandel unterworfen, wie die Zahl der Auflagen zeigt. Denn wenn nicht mehr als 70 Prozent des Inhalts geändert werden, gibt es keine neue, sondern lediglich eine aktualisierte Auflage. Insofern sind 44 Auflagen in fast 75 Jahren ganz schön viel. Eine der größten Veränderungen gab es 1996 im Zuge der großen Rechtschreibreform. Und für das kommende Schuljahr steht die aktualisierte, 44. Auflage an, die im Juni erscheint und wieder eine größere Reform abbilden wird. Neben der Schul- gibt es auch eine Buchhandelsausgabe. „Das Wörterbuch soll nicht nur in der Schule helfen, sondern auch im Medizin- und Administrativdschungel in Österreich. Das ist mir wichtig, dass es für alle Menschen in Österreich da ist“, betont Christiane Pabst. Folgerichtig enthält es auf rund 1.000 Seiten nicht nur diverse Tabellen zu Konjugationen, stark gebeugten Verben und andere Übersichten für Schüler*innen, sondern auch eine differenzierte Darstellung diverser Fachsprachen (Jus, Medizin, Biologie, Mathematik), eine Auflistung aller österreichischen Kfz-Kennzeichen – und eine Erläuterung zu den oben angesprochenen diversen akademischen Titeln.

Sensible Sprache

Speziell dieser Anhang trägt die Handschrift von Christiane Pabst, die seit 2004 mit dem „Österreichischen Wörterbuch“ verbunden ist, damals als Konsulentin. Nach diversen Projekten im In- und Ausland von Ungarn bis Brasilien zu verschiedenen Sprachthemen – „Wörterbücher haben mich immer begleitet“, meint sie im Rückblick – ist sie seit 2015 Chefredakteurin des Nachschlagewerks mit einer Handvoll Mitarbeiter*innen und etwa einem Dutzend Konsulent*innen. Und in ihrer Ägide hat sie vor allem in Bezug auf sensible Sprache neue Schwerpunkte und Akzente gesetzt. Das „Österreichische Wörterbuch“ gibt nämlich nicht nur ganz genau Auskunft darüber, welche in Österreich gebräuchlichen Begriffe rassistisch oder diskriminierend sind, sondern enthält auf den letzten Seiten eine Art Sprachknigge. „Man soll nicht nur geschlechtersensibel sprechen, sondern der Umgangston ist insgesamt eine Frage des Respekts, und das ist modeunabhängig“, betont Christiane Pabst.

Der Jugendsprache immer einen Schritt hinterher

Eine besondere Herausforderung für sie und ihr Team ist die Jugendsprache. Denn die entwickelt sich schneller, als die Redaktion ihre Begriffe ins Wörterbuch übernehmen kann. So sucht man etwa neben dem „Digestiv“ den „Digger“ vergeblich. Noch, sagt Christiane Pabst. „In der neuen Auflage kommt er hinein“, verspricht sie. Ob dann auch „heast“, immerhin das österreichische Jugendwort des Jahres 2024, endlich Eingang ins „Österreichische Wörterbuch“ finden wird, bleibt abzuwarten.

In der Online-Version finden neue Begriffe natürlich rascher Eingang in das Nachschlagewerk. Allerdings gibt es derzeit keine vollständig frei zugängliche Online-Version. Man braucht den Code aus einem gekauften Exemplar, um die Website nutzen zu können. Ohne diesen sind fünf Suchanfragen möglich, während duden.de komplett kostenfrei nutzbar ist.

Chefredakteurin Christiane Pabst verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass auf der Website des „Österreichischen Wörterbuchs“ keine Werbung erlaubt ist – im Gegensatz zu jener des „Duden“, die voll davon ist. Sie will aber das Online-Wörterbuch in den nächsten Jahren aufwerten. „Meine Philosophie ist, dass das haptische Printprodukt und das Nachschlagewerk im Internet zwei getrennte Welten sind.“ Ob dann auch eine App folgt? Wer weiß.

Man soll nicht nur geschlechtersensibel sprechen, sondern der Umgangston ist insgesamt eine Frage des Respekts, und das ist modeunabhängig.

Das „Österreichische Wörterbuch“ ist erstmals 1951 erschienen, am 10. Juni 2025 ist eine neue Ausgabe davon herausgekommen. Chefredakteurin Christiane Pabst wünscht sich mehr Selbstbewusstsein und die Überzeugung, dass wir in Österreich eine kodifizierte, vollwertige Sprache sprechen. Auch Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia betont, wie wichtig die Sprache für die Identitätsbildung ist.

Österreichisches Wörterbuch